Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

„Mir fehlen jedes Jahr über 9000€!“

Lesezeit: 5 Minuten

Über 100 bayerische Almbauern kämpfen seit Jahren um Fördergelder für die Bewirtschaftung von Flächen in Österreich. Wann gibt es endlich Gerechtigkeit?


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Schon erstaunlich, dass man selbst auf einer Almweide bei Kufstein in über 1300m Höhe die Defizite der EU-Agrarpolitik hautnah vor Augen geführt bekommt. „Mitten durch unsere 75ha Almfläche verläuft die Landesgrenze zu Österreich. Für den deutschen Teil erhalten wir eine Betriebsprämie von ca. 275€/ha, für den österreichischen Teil dagegen nur 90€ pro ha“, erklärt Lorenz Wittmoser aus Fischbachau in Oberbayern. „Mir gehen dadurch im Jahr mindestens 9000€ verloren“, klagt der Milchviehhalter.


Tatsächlich hat er deutlich höhere Einbußen, denn Österreich wendet einen sogenannten „Verdichtungsfaktor“ von 80% an, der die beantragte Almfläche bei der Auszahlung auf ein Fünftel kürzt.


Über 100 Bauern betroffen:

Betriebe in Österreich könnten dagegen über gekoppelte Almprämien in der Zweiten Säule (ÖPUL) wie z.B. für die Milch-erfassung oder für die Kalbinnenaufzucht deutlich mehr Geld erhalten. „Diese Möglichkeit haben wir aber nicht, weil unser Betriebssitz nicht in Österreich liegt. Das ist ein großer Wettbewerbsnachteil für uns“, schildert Wittmoser, der bereits einen ganzen Aktenordner zu den grundverschiedenen Fördersystemen der beiden EU- Länder gesammelt hat. Er ist nicht der einzige Almbauer, der sich durch das österreichische Modell der Direktzahlungen benachteiligt fühlt. Insgesamt sind ca. 106 bayerische Bauern, die über 1840 ha Almfläche jenseits der Landesgrenze bewirtschaften, von der Ungleichbehandlung betroffen.


Und das bereits seitdem es auch für Almweiden Direktzahlungen gibt. Das sind mittlerweile über zehn Jahre. „Bis 2012 haben wir so gut wie gar kein Geld erhalten, allenfalls einmalige Zahlungen in geringer Höhe. Danach gab es zwei Jahre lang pauschal 90€/ha“, sagt Georg Mair, Vorsitzender des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern. Er und seine Mitstreiter haben sich deshalb von der EU-Agrarreform 2015 endlich eine Bessersstellung erhofft.


„Durch das Territorialprinzip, das seitdem nicht nur für die Direktzahlungen und die Agrarumweltprogramme, sondern auch für die Ausgleichszulage gilt, ist allerdings genau das Gegenteil passiert. Die Situation hat sich für uns verschlechtert“, sagt Mair.


Denn nach diesem Prinzip unterliegen die österreichischen Flächen der bayerischen Bauern nun dem GAP-Programm des Nachbarlandes, das ihnen im Vergleich zum deutschen Fördersystem deutlich niedrigere Prämiensätze beschert (Übersicht).


Andere Flächenbewertung:

Neben der „Verdichtung“ bei der Betriebsprämie ist die unterschiedliche Flächenbewertung in Österreich ein Hauptgrund für die geringeren Sätze. Die bayerischen Landwirte berichten, dass die Kontrolleure aus dem Nachbarland meist ca. 25% weniger Almfläche anrechnen, als die deutschen Beamten. Anton Heiß aus Lenggries und sein gleichnamiger Sohn klagen: „Das österreichische System ist mehr als undurchsichtig.“ Unterm Strich erhielten die rund 106 bayerischen Betriebe 2016 durch diese pauschale „Flächenkürzung“ aus der Ersten Säule nur durchschnittlich 1500 € pro Betrieb. Zum Vergleich: Die 122 Österreicher mit ca. 3034ha in Bayern strichen zuletzt pro Betrieb rund 4550€ ein. Allerdings flossen hierbei auch Talflächen mit ein.


Niedrigere Ausgleichszulage:

Und als wären die Einbußen nicht schon hoch genug, schneiden die „Grenzgänger“ auch bei der Ausgleichszulage (AGZ) seit 2015 schlechter ab als andere Almbetriebe in Bayern.


Das Wiener Landwirtschaftsministerium rechnet zwar vor, dass die durchschnittliche AGZ für 95 deutsche Almauftreiber mit rund 980ha Fläche in Österreich im Jahr 2016 bei 195,60 € pro Hektar lag und damit fast das bayerische Niveau von 200€ erreicht hat. Allerdings greift die Degression hier bereits ab 10ha, sodass der Großteil der Almbauern eben deutlich weniger Geld erhält. Schon ab 70 ha gibt es überhaupt kein Geld mehr. Almen mit dieser Flächengröße sind aber durchaus keine Ausnahmen!


Welche Lösungen gibt es? Vom Landwirtschaftsministerium in Österreich ist derzeit kein Entgegenkommen erkennbar. Auf Anfrage von top agrar Südplus beruft sich die Behörde lediglich auf die Vorgaben der GAP 2020.


Daher wäre für die Bauern die einfachste und beste Lösung, wenn sie ihre Direktzahlungen sowie die Ausgleichszulage künftig von dem Land erhielten, in dem ihr Betrieb liegt. Dann hätten auch zusätzliche Behördengänge ein Ende: „Schließlich müssen wir mit den bayerischen Erzeugerpreisen mithalten und tragen hier in Bayern zur Wertschöpfung bei und nicht in Österreich“, argumentiert Lorenz Wittmoser.


Mehrere Politiker haben sich das Anliegen der Bergbauern schon angehört und Hilfe versprochen. Georg Mair war gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für Bergbauernfragen bei EU-Agrarkommissar Phil Hogan und bei mehreren Ministern. In der Diskussion war dabei auch eine Unterstützung der Betriebe über De-minimis. „Allerdings müsste man dafür die Höchstgrenze von derzeit 15000 € auf 50000 € erhöhen“, sagt Mair.


Bisher ist nichts passiert:

Trotz vieler Versprechungen ist bisher nichts passiert. „Mit den aktuellen Fördersätzen wird es künftig allerdings für viele von uns immer unattraktiver, die Almflächen weiter zu bewirtschaften und offen zu halten“, sagt Anton Heiß. Leicht kommt ihm dieser Satz nicht über die Lippen, denn schließlich sind seine Flächen wie bei den Berufskollegen schon seit Ende des 15. Jahrhunderts im Eigentum der Familie. Silvia Lehnert

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.