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„Mit 08/15 kommen wir nicht weiter“

Lesezeit: 7 Minuten

Die Veredlung schrumpft und die Bauern sehen sich immer größeren Auflagen gegenüber. Mit welchen Konzepten will Baden-Württembergs neuer Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) gegensteuern?


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Herr Minister, seit Kurzem bekleiden Sie ein Amt, das Sie zwischen 2005 und 2010 schon einmal innehatten. Wie hat sich die Landwirtschaft in Baden-Württemberg seitdem verändert?


Hauk: Der Strukturwandel ist weitergegangen und der Wettbewerb hat sich verschärft. Man spürt, dass die Ungunstlagen, die wir topografisch und historisch wegen der Realteilungsgebiete haben, Marktanteile verloren haben. Das gilt vor allem für die Erzeugung von Milch und Schweinefleisch. Wir müssen schauen, dass die Wertschöpfung im Land und die Flächenbewirtschaftung werthaltig bleibt.


Ihr Haus musste im Rahmen des grün- schwarzen Koalitionsvertrags den Naturschutz dem grün geführten Umweltministerium überlassen. Lassen sich bei dieser Konstellation landwirtschaftliche Interessen überhaupt durchsetzen?


Hauk: Wir haben mit dem Umweltministerium eine ordentliche Vereinbarung geschlossen, wie wir bei Fragen der Flächenbewirtschaftung zusammenarbeiten. Naturschutz findet in der Fläche statt und muss mit den Betroffenen gemacht werden, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Es gibt jede Menge Schutzgebiete und Programme, bei denen Landwirte für den Naturschutz arbeiten. Zum Beispiel dort, wo es um Offenhaltung von alten Kulturlandschaften geht, um Wacholderheiden, Flachlandmähwiesen. Da ist aktive Bewirtschaftung gefragt.


Gerade die Flachlandmähwiesen sorgen bei den Bauern für großen Ärger. Sie wurden kartiert und als Natura 2000-Gebiet nach Brüssel gemeldet. Jetzt müssen die Bauern sie mit großem Aufwand und ohne finanziellen Ausgleich erhalten bzw. in den kartierten Zustand zurückführen. Bleibt da nicht die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe auf der Strecke?


Hauk: Das ist tatsächlich ein Problem, weil wir in der Summe eine sehr artenreiche Landschaft haben. Der Artenreichtum ist erst durch Bewirt-schaftung entstanden. Um diesen Reichtum zu erhalten, muss man verstärkte Anstrengungen unternehmen. Und dafür gibt es keinen Ausgleich, weil es kartiert wurde und damit Gesetz ist. Ich verstehe die Landwirte sehr wohl, die das kritisieren. Wir versuchen deshalb über die Agrarumweltmaßnahmen der Zweiten Säule, die mein Vorgänger stark für den Naturschutz geöffnet hat, Ausgleichsmöglichkeiten zu schaffen.


Auch für Flachlandmähwiesen?


Hauk: Bisher haben wir dafür noch kein Programm. Aber es gibt eine Revision der Förderprogramme. Wir haben vereinbart, weitere 2% von der Ersten in die Zweite Säule umzuschichten. Dann könnten wir ab 2018 auch ein Modul für Flachlandmähwiesen anbieten.


Das Regierungsprogramm der baden-württembergischen CDU kritisiert das Grünlandumbruchverbot als überzogene Regulierung, die abgebaut werden sollte. Mit welchen Lockerungen können die Landwirte rechnen?


Hauk: Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass wir das Grünlandumbruchverbot auf seine Wirksamkeit hin überprüfen. Ohne dem Ergebnis vorzugreifen, müssen wir überlegen, wo es Wirkung entfaltet und wo nicht. Schwierig wird es, wenn sich im Natur- und Umweltschutz Wirkungen zum Teil widerstreiten. Wenn ich z.B. auf diesen Flächen nachwachsende Rohstoffe, wie die Durchwachsene Silphie oder Kurzumtriebsplantagen anbauen kann, dann sollte das Umbruchverbot keine Barriere dafür sein. Wir sollten nicht an starren ideologischen Vorgaben hängen. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass es Lockerungen gibt.


Eines Ihrer Kernanliegen ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Doch die Veredlung im Südwesten schrumpft dramatisch. Die Zahl der Schweine ist 2016 um 6% gegenüber dem Vorjahr gesunken. Wie wollen Sie diesen Trend stoppen?


Hauk: Das ist für mich eine ganz schwierige Situation, weil wir auf die Veredlung setzen müssen, um die Wertschöpfung aus der Fläche hochzuhalten. Wir verzeichnen einen starken Verlust bei der Ferkelerzeugung. Heute haben wir in Baden-Württemberg keine 50% Selbstversorgung mehr. Vor sieben, acht Jahren waren wir noch deutlich über 100%. Wir brauchen für Fleisch – wie übrigens auch für Milch –eine bessere Spezifikation bzw. Inwertsetzung. Ich bin deshalb in Gesprächen mit den Kollegen aus Bayern, wie wir das Thema „Süddeutsches Schweinefleisch“ und die süddeutsche Schweinezucht gemeinsam nach vorne bringen und wie wir bei der Milch in ein höherwertiges Segment kommen könnten. Das könnte „Weidemilch“, „Heumilch“ usw. heißen. Das Ziel dabei ist, neue Absatzwege zu erschließen, die mehr Wertschöpfung für den Landwirt bringen. Wir kommen mit 08/15 nicht weiter, sondern wir brauchen Produkt-spezifika, und da müssen wir darauf hinarbeiten.


Besteht nicht die Gefahr, dass man die Messlatte zu hoch setzt? Das regionale Siegel QZBW ist im Vergleich zum bayerischen GQ-Zeichen praktisch bedeutungslos. Ab 2017 ist zudem die Fütterung ohne GVO Pflicht für QZBW. Kritiker sagen, damit wird das Siegel bei Schweinen und Geflügel niemals aus der Nische kommen.


Hauk: Beim Thema Gentechnikfreiheit haben die Verbraucher zwar ein hohes Maß an Sensibilität entwickelt. Aber die entscheidende Frage ist: Haben wir bei QZBW zu hohe Qualitätskriterien, sodass wir keine Breite erreichen? QZBW kam bei Fleisch tatsächlich noch gar nicht aus der Nische heraus, bei Milch war es etwas besser. Wenn wir uns nicht selbst ein paar Lockerungsübungen verordnen, wird es schwierig bleiben. Auch wenn das nicht im Koalitionsvertrag steht, habe ich den Auftrag erteilt, die Qualitätskriterien noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls auch neu zu definieren. Ziel ist, die Regionalität mit einigen Qualitätskriterien zu verbinden.


Grün-Rot hat das Verbandsklagerecht eingeführt, das nun bald wirksam wird. Befürchten Sie nicht, dass die Veredlung damit noch weiter in die Defensive gerät?


Hauk: Die Auswirkungen des Verbandsklagerechts werden letztlich sehr stark von der Umsetzung abhängen. Ich habe die Durchführungsverordnung zum Verbandsklagerecht auf den Weg gebracht und sie sieht auch vor, dass nicht jeder Verband klagen kann. Der Verband muss landesweit tätig sein und eine bestimmte Anzahl an aktiven Mitgliedern haben. Damit schließe ich automatisch bestimmte Verbände aus, z.B. PETA, die nur einen Stamm von zehn Mitgliedern, aber tausende Fördermitglieder haben. Insofern wird sich das Verbandsklagerecht in überschaubarem Rahmen halten.


Ihr Vorgänger hat die Beratung 2020 eingeführt, die bei Beratern und Landwirten umstritten ist. Was ist Ihr Eindruck von diesem Reformprojekt?


Hauk: Ich bin der Überzeugung, dass die Reform notwendig war. Erstens musste die Beratung konform mit dem EU-Recht aufgestellt werden, was jetzt der Fall ist. Zweitens kann man jetzt Beratung nach Modulen buchen und sie wird auch nach Modulen bezahlt und abgerechnet. Dass für Berater die Umstellung von einer Festanstellung auf Projektfinanzierung schwierig ist, verstehe ich. Ich glaube aber, dass die Beratung damit an Qualität gewonnen hat. Wenn sich die Beratung nicht an den praktischen Gegebenheiten orientiert, wird der Berater nicht gebucht. Das ist Wettbewerb.


Mit der Novellierung der Düngeverordnung kommt mehr Bürokratie auf die Bauern zu. Wie lassen sich die geplanten Vorgaben in Baden-Württemberg praxisnah umsetzen?


Hauk: Noch ist nicht klar, wie die Düngeverordnung endgültig verabschiedet wird. Aber so viel kann man schon jetzt sagen: Baden-Württemberg hat beim Thema Wasserschutz eine lange Tradition. Mein Vorvorvorgänger Gerhard Weiser hat vor undenklicher Zeit die Schutz- und Ausgleichsverordnung (SchALVO) eingeführt, weil wir damals auf den sandigen Böden vor allem im Rheintal Grundwasserprobleme hatten. Es war klar, dass wir die Nitratwerte minimieren mussten. Und das ist uns auch gelungen. Und so haben wir ein System der Brunnenüberwachung, der ständigen Messstellen und der Dokumentation aufgebaut.


Wir erfüllen damit schon viele Voraussetzungen der Düngeverordnung. Wir plädieren deshalb stark dafür, dass die Verordnung nicht über Gerechte und Ungerechte gleichermaßen hinweggeht. Für diejenigen, die schon ein gerütteltes Maß an Erfahrung haben und die schon gute Werte vorweisen, weil sie schon viel gemacht haben – und das kann ich für 95% der landwirtschaftlichen Fläche in Baden-Württemberg sagen – sollten Ausnahmeregelungen gelten. Darüber wird aber noch abschließend zu beraten sein.


Das Interview führten die top agrar-Südplus-Redakteure Klaus Dorsch und Anja Rose.

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