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Naturschutz versus Hochwasserschutz

Lesezeit: 4 Minuten

Marlies Haid aus Dellmensingen musste ihre Fläche für einen regelbaren Polder hergeben. Verschärft sich dadurch die Hochwassergefahr für die angrenzenden Flächen?


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Warum darf der Bund eine Fläche in einem sensiblen Hochwasserschutzgebiet für einen regelbaren Flutpolder umbrechen und versiegeln, während ihr dort vor Jahren bereits für den Grünlandumbruch eine Anzeige drohte? Verschärft die Versiegelung nicht erst recht die Hochwassersituation für die angrenzenden Flächen und für das 500m entfernt liegende Wohngebiet? Und was ist, wenn sich der Polder im Sommer zu einer ähnlichen Brutstätte für Insekten entwickelt wie der benachbarte Donaukanal?


Diese Fragen treiben die Dellmensinger Nebenerwerbslandwirtin Marlies Haid noch heute – nach der jahrelangen Auseinandersetzung mit Behörden, nach der verlorenen Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim und der vom Landtag abgelehnten Petition – um.


Ausgleich für Neubau B 311:

Spätestens seitdem vor zwei Jahren bekannt wurde, dass ihre 3,2 ha Ackerfläche am Donaukanal für einen regelbaren Flutpolder versiegelt werden soll, kämpft sie dagegen. Rückhalt bekam sie dabei sowohl vom Dellmensinger Ortschaftsrat als auch von der Bürgerinitiative, die in erster Linie die neue Straße verhindern wollte. „Wir kritisieren, dass unsere Gemeinde mit dem Polder 6ha wertvollen Retentionsraum für Hochwasser verliert. Noch dazu eine Fläche mit tiefen Kiesschichten, wo Wasser gut versickern könnte“, sagt Franz Kaim, gelernter Bankbetriebswirt und Mitglied im Ortschaftsrat von Dellmensingen.


Der Polder ist als Ausgleichsmaßnahme für den Neubau der B 311 bei Erbach (Alb-Donau-Kreis) gedacht. Er soll der Wiederansiedlung von Wasservögeln dienen, die von einer anderen Stelle am Donaukanal verdrängt werden. Geplant ist, ihn als regelbaren Polder ohne Bewuchs zu betreiben, d.h., sein Wasserstand wird über die Einleitung von Donauwasser reguliert.


Marlies Haid und Franz Kaim rechnen damit, dass sich die Situation beim nächsten Hochwasser durch den jetzt gewählten Standort des Polders deutlich zuspitzt (siehe Karte): „Bei einem zehnjährigen Hochwasser wird sich das Wasser bis zum Wohngebiet zurückstauen, weil hier der tiefste Punkt in der Umgebung ist und der Polder den Abfluss in die Rot verhindert. Erst recht, wenn die Fläche versiegelt wird“, befürchtet Kaim. Und genau das passiert gerade.


Kritik an Versiegelung:

Da der Untergrund aus Donaukies besteht, muss er mit Folie und Vlies versiegelt werden. Marlies Haid hat davon erst per Zufall bei Baubeginn erfahren, obwohl die Versiegelung nach Auskunft des zuständigen Regierungspräsidiums (RP) in Tübingen offenbar bereits im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens gemeinsam mit der Wasserbehörde beschlossen wurde. „Vor Ort hatte ich aber den Eindruck, dass auch der Bauingenieur vom RP vom Kies etwas überrascht war“, so Haid, die oft an der Baustelle ist.


Für die Versiegelung der Fläche war allerdings eine Ausnahmegenehmigung im Rahmen des Wasserhaushaltsgesetzes nötig, teilt das RP mit. „Ist der Planfeststellungsbeschluss etwa unter falschen Bedingungen zustande gekommen?“, fragt sich Haid. Sie beklagt die mangelhafte Informationspolitik seitens der zuständigen Behörden. Auch auf Anfrage von top agrar-Südplus will sich das RP bei den Fragen, ob und wie sich der Hochwasserabfluss durch die Baumaßnahme künftig verändere, nicht festlegen. Falls der Abfluss landwirtschaftliche Flächen negativ beeinflussen sollte, habe der Eigentümer einen Anspruch auf Entschädigung, teilt eine Sprecherin des RPs mit.


Für Marlies Haid ist die logische Konsequenz klar: „Bei solchen Eingriffen in ein angeblich sensibles Hochwassergebiet sind letztlich auch der Schutzstatus der benachbarten Flächen und die da-mit zusammenhängenden Bewirtschaftungsauflagen für die Bauern infrage zu stellen.“


Gegen Behördenwillkür:

Neben ihr sind noch etwa sieben andere Landwirte von der Situation direkt betroffen. Bei weiter steigendem Grundwasserspiegel oder größerer Hochwassergefahr müssen sie damit rechnen, dass ihre Flächen an Wert verlieren.


Dellmensinger Bürger werfen Marlies Haid vor, lediglich an einer höheren Entschädigung für das Kiesvorkommen auf ihrer Fläche interessiert zu sein: „Zugegeben: Zu Beginn des Verfahrens war das ein Teil meiner Motivation, zumal man mir mündlich eine Entschädigung versprochen hat. Mittlerweile will ich mich vor allem dagegen wehren, dass der Staat für Ausgleichsmaßnahmen und unter dem Deckmantel des Naturschutzes alles darf“, sagt sie.


Obwohl sie im Rahmen der Flurneuordnung schließlich enteignet wurde, gibt Marlies Haid nicht auf: „Landauf, landab werden derzeit Flutpolder gebaut. Betroffene Landwirte sollten sich im Vorfeld genau darüber informieren, welche Maßnahmen auf ihren Flächen notwendig sind und sich gegebenenfalls mit einem versierten Anwalt gegen Behördenwillkür wehren.“ Silvia Lehnert

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