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Organschaft: Wenn aus zwei Betrieben einer wird

Lesezeit: 8 Minuten

Immer mehr Landwirte gliedern Teile ihres Unternehmens in einen eigenständigen gewerblichen Betrieb aus. Obwohl rein rechtlich zwei Betriebe vorliegen, betrachtet der Fiskus diese umsatzsteuerlich als einen. Pauschalierende Landwirte tappen dabei in eine Steuerfalle.


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Landwirt Karl Brenner hat neben seinem landwirtschaftlichen Betrieb, in dem er Ferkel aufzieht, eine gewerbliche Schweinemast GmbH gegründet (Name erfunden). Die Ferkel aus dem pauschalierenden landwirtschaftlichen Betrieb verkauft er an die GmbH, dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist. Rechtlich handelt es sich um zwei eigenständige Unternehmen. Sein Steuerberater erklärt dem verdutzen Brenner jedoch, dass aus umsatzsteuerlicher Sicht nur ein Unternehmen vorliege. Es handele sich um eine umsatzsteuerliche Organschaft. Das Problem: Wegen der unterschiedlichen Besteuerung der beiden Betriebe nutzte Brenner das Mehrwertsteuergefälle. Er lieferte die Ferkel an die gewerbliche Mast-GmbH und stellte dieser 10,7% in Rechnung. Die GmbH hatte sich die Umsatzsteuer für den Ferkelkauf vom Finanzamt erstatten lassen. Später verkaufte die GmbH die Schweine mit 7%, die sie zwar an das Finanzamt abführen musste. Unterm Strich ergab sich aber ein Vorteil von 3,7-Prozentpunkten für den Landwirt. Brenner hatte das Mehrwertsteuergefälle aber zu Unrecht genutzt, denn aus umsatzsteuerlicher Sicht gibt es nur einen Betrieb. Er schuldet dem Fiskus also die Umsatzsteuer aus dem Verkauf der Ferkel sowie die Vorsteuer, welche die GmbH geltend gemacht hatte.


Was ist eine umsatzsteuerliche Organschaft?


Zwar handelt es sich bei dem Beispiel von Landwirt Brenner rechtlich gesehen um zwei eigenständige Unternehmen. Der Fiskus sieht diese umsatzsteuerlich allerdings als eine Besteuerungseinheit an: Ein rechtlich selbständiges Unternehmen, hier die GmbH, wird in ein anderes rechtlich eigenständiges Unternehmen, hier das Einzelunternehmen, integriert. In unserem Beispiel bezeichnet der Fiskus dann die GmbH als Organgesellschaft, das Einzelunternehmen als Organträger. Zusammen bilden sie eine Organschaft, die der Fiskus umsatzsteuerlich als ein gemeinsames Unternehmen betrachtet (Übersicht 1).


Jeder Unternehmer kann ein Organträger sein. Also eine natürliche Person, eine Personengesellschaft oder eine juristische Person (z.B. eine GmbH). Die Organgesellschaft kann eine Kapitalgesellschaft und neuerdings auch eine Personengesellschaft sein. Mit einer Personengesellschaft war man bisher fein raus: Nun haben aber der Europäische Gerichtshof und der BFH vor kurzem entschieden, dass auch Personengesellschaften als Organgesellschaft gelten können (Schreiben des Bundesfinanzministerium III C 2 - S 7105/15/ 10002, Fallbeispiel auf Seite 46).


Damit eine Organschaft vorliegt, muss die Mast-GmbH von Brenner finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Einzelunternehmen eingegliedert sein:


  • Von einer finanziellen Eingliederung spricht man, wenn das Einzelunternehmen den Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Mast GmbH hält. Denn dadurch kann das Einzelunternehmen seinen Willen in der GmbH durchzusetzen. Dies ist in unserem Beispiel der Fall, da Brenner sowohl den landwirtschaftlichen Betrieb besitzt als auch alleiniger Gesellschafter der GmbH ist.


  • Zwischen beiden Unternehmen muss zudem ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen. Die Tätigkeiten müssen aufeinander abgestimmt sein, sich fördern und ergänzen. Im Beispiel Brenner besteht dieser wirtschaftliche Zusammenhang. Die GmbH ist in einem engen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Einzelunternehmen tätig, da die GmbH die Ferkel des Einzelunternehmens mästet.


  • Von einer organisatorischen Eingliederung ist auszugehen, wenn das Einzelunternehmen (Organträger) sicherstellt, dass in der GmbH (Organgesellschaft) keine abweichende Willensbildung stattfindet. Das ist z.B. der Fall, wenn Brenner, der das Einzelunternehmen führt, auch alleiniger Gesellschafter der GmbH ist. Hätte die GmbH mehrere Gesellschafter, müsste Brenner die Mehrheit der Gesellschaftsanteile an der GmbH besitzen.


Nur wenn der Landwirt alle drei Voraussetzungen zeitgleich erfüllt, liegt eine Organschaft vor. Das führt dann zum Problem, wenn das Einzelunternehmen bzw. der Organträger die Durchschnittssatzbesteuerung anwendet und das gewerbliche Unternehmen bzw. die Organgesellschaft der Regelbesteuerung unterliegt.


Welche Folgen hat das?


Ob eine Organschaft vorliegt oder nicht, kann Landwirt Brenner aus unserem Beispiel nicht frei wählen. Erfüllt er die oben genannten Voraussetzungen, liegt die Organschaft zwingend vor. Umsätze zwischen den beiden Unternehmen betrachtet der Fiskus dann als Innenumsätze, auf die keine Steuern anfallen. Also z.B. wenn Brenner die Ferkel aus seinem Einzelunternehmen an seine gewerbliche Mast GmbH liefert. Stellt er dennoch eine Rechnung mit Ausweis der Umsatzsteuer aus, handelt es sich hierbei nur um einen innerbetrieblichen Vorgang. Brenner schuldet dem Fiskus also keine Umsatzsteuer.


Auch wenn beide Unternehmen umsatzsteuerlich gemeinsam betrachtet werden, sind die Betriebe zivilrechtlich weiterhin eigenständig. Das eine Unternehmen muss in der Regel nicht für das andere Unternehmen im Falle einer Insolvenz haften. Sie können auch mit anderen Unternehmen Verträge abschließen oder Rechnungen unter eigenem Namen schreiben und empfangen.


Vorsteuer richtig ziehen!

Da Innenumsätze vorliegen, darf die GmbH für die Ferkel keine Vorsteuer geltend machen. Wenn Brenner in der gewerblichen Mast GmbH allerdings zum Beispiel Futter von Dritten einkauft, kann er die Vorsteuer wie gewohnt voll abziehen.


In einem Urteil aus dem Jahr 2013 entschied der Bundesfinanzhof zudem folgendes: Möchte Brenner in seinem landwirtschaftlichen Betrieb trotz Pauschalierung Vorsteuern geltend machen, muss er den anteiligen Vorsteuerabzugsbetrag ermitteln. Die Vorsteueraufteilung erfolgt dabei nicht betriebsbezogen, sondern tätigkeits- bzw. umsatzbezogen. D.h. die anfallenden Vorsteuern, aus seinem Einzelunternehmen muss er dem jeweiligen Gebrauch bzw. künftigen Umsatz zuordnen. Dabei ist entscheidend, für welchen späteren Umsatz er die zugekauften Produkte anschafft. Entweder für Umsätze, die der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen, also solche, die im landwirtschaftlichen Betrieb entstehen. Oder für Umsätze, die dem Regelsteuersatz unterliegen, also solche, die im gewerblichen Unternehmen entstehen (BFH, Az.: XI R 2/11).


Beispiel: Das Ferkelfutter darf Brenner dem Verkauf der Mastschweine in der GmbH zuordnen, da er das Futter für das Endprodukt Mastschwein benötigt. Für das Ferkelfutter kann er die Vorsteuer also voll abziehen. Baut er aber z.B. im Einzelunternehmen Mais an, den er an eine Biogasanlage verkauft und nicht an die Mast GmbH liefert, kann er für dieses Saatgut keine Vorsteuer geltend machen. Ist es dem Landwirt nicht möglich, die Vorsteuer verlässlich aufzuteilen und zuzuordnen, muss er den Anteil schätzen.


Ende 2017 entschied der BFH jedoch in einem anderen Fall ganz anders: Sofern es sich um eine Organschaft handelt, unterliege die GmbH ebenfalls der Pauschalierung – obwohl es sich um ein gewerbliches Unternehmen handelt. Dann dürfte weder der landwirtschaftliche Betrieb, noch die GmbH Vorsteuern geltend machen (Az.: V R 64/16).


Achtung: Seit diesem neuen Urteil ist nun unklar, ob der Fiskus einen anteiligen Vorsteuerabzug noch durchgehen lassen würde. Steuerberater raten ihren Mandanten, daher diese Unklarheit am besten von Beginn an zu vermeiden, indem pauschalierende Landwirte darauf achten, dass erst gar keine Organschaft entsteht. Das wäre möglich, wenn die Mast GmbH einem weiteren Gesellschafter, z.B. den Sohn des Landwirtes, ins Boot holt, ihm die Geschäftsführung und mindestens 50% der Anteile an der GmbH überträgt.


Umsätze richtig besteuern:

Besteht zwischen einem pauschalierenden landwirtschaftlichen Produktionsbetrieb und einer Handels GmbH eine Organschaft, darf diese insgesamt die Durchschnittsbesteuerung für Umsätze anwenden (BFH, Az.: V R 64/16).


Hierzu ein neues Beispiel: Landwirt Müller verkauft das Gemüse, das er in seinem pauschalierenden Einzelunternehmen produziert, an seine Direktvermarktungs GmbH. Er ist alleiniger Gesellschafter. Die GmbH wäscht, entstielt und vermarktet die Ware an die Endkunden. Da beide Unternehmen finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch miteinander verwoben sind, liegt eine Organschaft vor. Das Finanzamt darf die Umsätze aus dem Warenverkauf der GmbH dennoch nicht der Regelbesteuerung unterwerfen. Der Landwirt kann die Umsätze aus dem Gemüseverkauf seiner GmbH wie die seines landwirtschaftlichen Betriebes pauschalieren.


Denn wenn die GmbH die Produkte vermarktet, die der landwirtschaftliche Betrieb erzeugt hat, kann er diese Umsätze pauschalieren. Allerdings gilt das nur für Umsätze, welche die GmbH mit landwirtschaftlichen Produkten des landwirtschaftlichen Einzelunternehmens erzielt. Wenn die GmbH Waren verkauft, dessen Rohprodukte sie von dritten, fremden Betrieben zugekauft hat, gilt das nicht. Der Verkauf dieser Produkte unterliegt dann der Regelbesteuerung.


Vorsicht bei Vieheinheiten!

Besonders aufpassen sollten Landwirte, die in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb Jungtiere, z.B. Ferkel, produzieren und diese an ihre angegliederte gewerbliche Mast GmbH liefern. Also so, wie es bei Landwirt Brenner der Fall ist. Liegt dann eine Organschaft vor und betrachtet der Fiskus beide Unternehmen als eine Steuereinheit, muss er genau auf seine Vieheinheiten (VE) achten. Schließlich ist noch unklar, wie der Fiskus in diesem Fall die VE berechnet: Auf Ebene des Einzelunternehmens oder auf Ebene der gewerblichen Mastgesellschaft. Denn da es sich durch die Organschaft um ein gemeinsames Unternehmen handelt, werden die VE so berechnet, als läge nur ein Unternehmen vor. Reichen die VE dann nicht aus, gefährdet das landwirtschaftliche Unternehmen die Wahl der Pauschalierung. Landwirte sollten also am besten von Beginn an darauf achten, dass sie nicht in die Organschafts-Falle tappen. Maria Meinert


Wen trifft das?


Durch die zunehmende wirtschaftliche Vielfalt erfolgt auf immer mehr Höfen eine Trennung von landwirtschaftlicher und gewerblicher Produktion. So kommt es vor, dass Landwirte ihre Handelstätigkeiten, die Be-/Verarbeitung ihrer landwirtschaftlichen Produkte, Dienstleistungen oder auch den angegliederten Mastbetrieb bei Flächenmangel auf separate gewerbliche Betriebe ausgliedern. Oft wählen sie dann als Rechtsform eine GbR, GmbH, GmbH & Co. KG, OHG oder KG.


Eine Organschaft kommt in der Landwirtschaft beispielsweise in folgenden Konstellationen vor:


  • Bei landwirtschaftlichen Betrieben, die ihre Jungtiere an die eigene gewerbliche Mast GmbH liefern (zum Beispiel Ferkel).
  • Bei Landwirten, die ihre erzeugten Produkte an die angegliederte Direktvermarktungsgesellschaft liefern (z.B. Eier, Fleisch, Gemüse, Milch).
  • Wenn Sie Biomasse aus Ihrem landwirtschaftlichen Einzelunternehmen an die eigene gewerbliche Biogas GmbH & Co. KG liefern.
  • Bei Landwirten, die ihre erzeugten Produkte zur Weiterverarbeitung an ihre angegliederte Gesellschaft liefern (z.B. Milch an die Molkerei oder Gemüse zur Weiterverarbeitung).

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