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Preise im Keller: Ist Ökolandbau der Ausweg?

Lesezeit: 6 Minuten

Viele Landwirte sehen in der Bio-Umstellung die schnellste Rettung aus dem Preistal. Ob die Rechnung aufgeht, hängt vom Betriebstyp ab.


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Dr. Karl Kempkens vom Öko-Team an der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen legt den Hörer auf. Schon wieder hat ein Landwirt angerufen, der auf Bio umstellen will. Kempkens und seine zwölf Kollegen können sich vor solchen Anfragen derzeit kaum noch retten. In den anderen Bundesländern ist die Situation ähnlich. „Wir sind schon seit Monaten extrem gefordert“, berichtet Kempkens. Viele der Anrufer wollen zeitnah umstellen, um der wirtschaftlich schwierigen Phase der konventionellen Landwirtschaft zu entkommen. Kempkens ist zwar überzeugt, dass die wirtschaftliche Motivation allein nicht ausreicht, um die Umstellung zu meistern. Das werde aber selten zum Problem. „Die meisten stellen im Lauf der Zeit auch mit dem Kopf um und werden gute Bio-Bauern“, so Kempkens.


Öko rechnet sich.

Der aktuelle wirtschaftliche Vorteil des Ökolandbaus ist unbestritten. Die Krise findet bei Öko-Milch und -Getreide nicht statt, die Schweinepreise befinden sich auf einem Höhenflug und sogar der Eier- und Schlachtgeflügelmarkt boomt. Das belegen auch Zahlen des Thünen-Instituts: Nach zwei Jahren geringerer Einkommen haben die Öko-Landwirte die Nase jetzt wieder vorn (s. Übersicht 1).


Die finanziell rosigen Aussichten können jedoch über eines nicht hinwegtäuschen: Wer als Landwirt die Umstellung wagt, der muss alle Register seines landwirtschaftlichen Könnens ziehen, und das in allen Betriebszweigen.


Im Ackerbau braucht es eine ausgeklügelte Fruchtfolge. Es bedarf eines ausreichend hohen Leguminosenanteils, um Stickstoff für die Folgekulturen im Boden zu binden. Humusmehrende und -zehrende Kulturen müssen einander ausgleichen. Außerdem soll die Fruchtfolge Krankheiten und Schädlingen vorbeugen, indem sie ausreichende Anbaupausen einzelner Kulturen berücksichtigt. All das lässt sich nur über mindestens fünf Glieder realisieren. Zudem passen die meisten Bio-Bauern ihre Fruchtfolge laufend an die Marktbedingungen und aktuelle Probleme an.


Und dennoch bleibt vor allem die Nährstoffversorgung der Böden eine Herausforderung. Besonders Phosphor wird oft einige Jahre nach der Umstellung knapp, insbesondere auf viehlosen Marktfruchtbetrieben. Hier hilft nur eine Futter-Mist-Kooperation mit einem Viehhalter. Gleichzeitig schlägt auf immer mehr Böden die Leguminosenmüdigkeit zu. Sie wird durch Pilzkrankheiten hervorgerufen und ist nur durch strikte Anbaupausen in den Griff zu bekommen. Das gleiche gilt für den Drahtwurm-Befall bei Kartoffeln. Dem immer öfter auftretenden Gelbrost im Getreide lässt sich nur durch geschickte Sortenwahl vorbeugen.


Knappe Erträge, gute Preise:

Unter dem Strich hat sich das ständige Feilen an der Fruchtfolge für die Bio-Ackerbauer in den letzten Jahren aber ausgezahlt. Trotz der Probleme waren die Erträge im Schnitt gut genug, um beim Deckungsbeitrag mit dem konventionellen Landbau mitzuhalten (s. Übers. 2 und 3, S. 42). Hinzu kommt noch die Öko-Prämie, die sich je nach Bundesland unterscheidet (s. Übers. 4, S. 43).


Auch auf dem Grünland bedeutet die Bio-Umstellung mehr Arbeit. Der Verzicht auf Mineraldünger und Pflanzenschutz ist nur durch konsequentes Striegeln, regelmäßige Nachsaat und ausreichend Wirtschaftsdünger auszugleichen.


Wer bereit ist, sich auf diese Herausforderungen in der Außenwirtschaft einzulassen, der wird in der Innenwirtschaft meistens belohnt. Die Öko- Milchviehhaltung rechnet sich besser als die konventionelle, sobald der Preisvorsprung bei ca. 10 ct/kg liegt, ergeben z.B. neue Zahlen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. In den letzten Jahren war das fast immer gegeben, aktuell liegt der Vorsprung bei ca. 20ct. In der Schweinemast ergeben sich derzeit direktkostenfreie Leistungen von 60–80 € pro Tier bei 96 kg Schlachtgewicht, weil immer mehr Supermarktketten das Absatzpotenzial von Bio-Schweinefleisch erkennen. Eher unrentabel ist hingegen die Öko-Bullenmast. Der Preisaufschlag gegenüber konventionell von ca. 25 ct/kg ist deutlich zu gering.


Nicht für jeden Betrieb gut.

Trotz der guten Marktsituation kommt die Umstellung nicht für jeden Betrieb infrage.


Im Ackerbau ist vorteilhaft, wenn der Standort für den Anbau einer besonders gewinnbringenden Kultur wie Kartoffeln, Soja oder Feldgemüse geeignet ist. Ein eigenes Getreidelager mit Trocknung und Reinigung zahlt sich im Ökolandbau noch mehr aus, weil die Bio-Bauern aktiver vermarkten und dafür flexibel sein müssen.


Auf dem Grünland wird die Umstellung einfacher, wenn der Betrieb bereits weitgehend extensiv wirtschaftet.


In der Tierhaltung bringt die Umstellung für Milchviehhalter in der Regel weniger Investitionen mit sich als in der Schweinehaltung und ist daher häufiger rentabel. Denn in den meisten Fällen reicht es, die Besatzdichte etwas zu reduzieren und den Rindern einen Ausgang zur Weide oder zumindest einen Laufhof einzurichten. In der Schweinehaltung sind meist grundlegende bauliche Eingriffe nötig, um einen Auslauf zu bauen und vom Vollspaltenboden auf ein System mit Stroheinstreu zu wechseln. Diese sind in der Regel erst dann zu stemmen, wenn die alten Ställe abgeschrieben sind und kein Kapitaldienst mehr zu leisten ist.


Wichtig auch: Der Betrieb braucht genug Fläche, um die gewünschte Tierzahl zu halten. Die Bioverbände erlauben 2 Milchkühe oder 12 Mastschweine pro Hektar. Während des Biogas-Booms mussten viele Bio-Bauern plötzlich ihre Tierzahl reduzieren, weil sie Pachtflächen an Biogasanlagen verloren. Das kann die Existenz kosten.


Auch die Organisation des Betriebes gehört vor einer Umstellung auf den Prüfstand. Die steigende Arbeitsbelastung unterschätzen viele. Das hat auch Markus Mücke, Öko-Berater der Landwirtschaftskammer Niedersachsen festgestellt: Viele gingen davon aus, dass der Verzicht auf Mineraldünger und Pflanzenschutz erst mal weniger Arbeit mit sich bringt. Doch gleichzeitig entstehe Mehraufwand für viele neue Arbeiten wie ständige Bestandskontrollen und mechanische Unkrautbekämpfung. Zudem falle mehr Büroarbeit an. Das liege teils an den höheren Auflagen und der damit einhergehenden Bürokratie. Noch stärker schlage aber der höhere Aufwand für die Vermarktung zu Buche. „Ökolandwirte verbringen viel mehr Zeit am Telefon, um ihre Produkte zu verkaufen“, berichtet Mücke. Umsteller sollten daher noch freie Kapazitäten haben oder bereit sein, künftig Fremdarbeitskräfte einzustellen.


Wer berät?

Eine erste Einschätzung, ob Sie und Ihr Betrieb für eine Umstellung geeignet sind, liefert Ihnen z.B. der Online-Selbsttest auf www.bio-offensive.de. Dort finden Sie auch Ansprechpartner für den bundesweit kostenlosen ersten „Betriebscheck“ (s. Checkliste S. 40). Manche Berater empfehlen, den Betriebscheck mit einer neutralen Einrichtung wie der Landwirtschaftskammer oder dem Landwirtschaftsamt durchzuführen. So können Sie entscheiden, ob bzw. bei welchem Verband sich eine Mitgliedschaft rentiert. Kammer-Berater Mücke empfiehlt den meisten Umstellern einen Verbandsbeitritt, weil dies die Vermarktung wesentlich erleichtert und gerade bei Milch und Fleisch immer mehr Handelsketten ein Verbandssiegel fordern. Gleichzeitig reicht derzeit immerhin 11350 von 24300 deutschen Ökobetrieben das EU-Biosiegel.


Durststrecke Umstellung:

Wer sich auf die Umstellung einlässt, braucht zunächst Durchhaltevermögen. Im Marktfruchtbau müssen Landwirte in der Regel zwei Jahre ökologisch wirtschaften, bevor ihre Produkte das Bio-Siegel bekommen. Beim Vieh geht es schneller: Je nach Tierart dauert die Umstellung sechs Wochen bis zwölf Monate. Bei Schweinen und Milchvieh sind es sechs Monate. Wer seinen Futterbau noch umstellt, darf dieses Futter bereits nach 12 Monaten Umstellungszeit verwenden. Anders ist es, wenn Landwirte zunächst nur die Tierhaltung umstellen. Das ist unter dem EU-Biosiegel möglich, bei den Bio-Verbänden jedoch nur in Ausnahmefällen. In diesem Fall muss der Landwirt Öko-Futter zukaufen. Nur ein kleiner Anteil darf aus Futterbau in der Umstellung stammen. Claus Mayer

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