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PS-Kartell: Schadensersatz möglich!

Das Pflanzenschutzkartell hat vermutlich zu überhöhten Preisen geführt. Schadensersatz ist möglich – auch für Landwirte, die indirekt beim nachgelagerten Handel der Beteiligten kauften.

Lesezeit: 4 Minuten

Das Pflanzenschutzkartell hat vermutlich zu überhöhten Preisen geführt. Schadensersatz ist möglich – auch für Landwirte, die indirekt beim nachgelagerten Handel der Beteiligten kauften.


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Wegen Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt kürzlich gegen sieben Großhändler von Pflanzenschutzmitteln Bußgelder in Höhe von mehr als 154 Mio. € verhängt. Beteiligt am Kartell waren die Agravis Raiffeisen AG aus Hannover/Münster, die Agro GmbH& Co. KG aus Holdorf, die BayWa AG aus München, die BSL GmbH & Co. KG aus Kiel, die Getreide AG aus Hamburg, die Raiffeisen Waren GmbH aus Kassel, die ZG Raiffeisen eG aus Karlsruhe und die Beiselen GmbH aus Ulm. Können Landwirte wegen überhöhter Preise Schadensersatz fordern?


Dr. Hänsch: Ja. Schadensersatzansprüche können allen zustehen, die von 1998 bis 2015 Insektizide, Herbizide oder Fungizide von einem der Händler bezogen haben. Das gilt auch, wenn sie nicht direkt beim beteiligten Großhändler, sondern bei nachgelagerten Händlern gekauft haben.


Mancher hat Sorge, seinen Händler zu belangen, z.B. weil noch Verbindlichkeiten offen sind. Was dann?


Dr. Hänsch: Es besteht die Möglichkeit, anstelle oder neben dem eigenen Lieferanten auch andere Mitglieder des Kartells in Anspruch zu nehmen. Sie können Schadensersatzanspruch gegen jedes Mitglied des Kartells erheben – auch wenn niemals eine Geschäftsbeziehung bestand.


Welche Nachweise sind nötig, um Ansprüche durchsetzen zu können?


Dr. Hänsch: Vorzulegen sind Belege über Menge und Preis der von den Kartellmitgliedern zwischen 1998 und 2015 eingekauften Pflanzenschutzmitteln, z.B. Rechnungen und Lieferscheine. Wer über Zwischenhändler gekauft hat, braucht zusätzlich Nachweise dafür, dass die Pflanzenschutzmittel ursprünglich von den ins Kartell verwickelten Großhändlern stammten.


Viele Großhändler bestreiten, dass den Kunden ein Schaden entstanden ist. Oft argumentieren sie, dass die Landwirte doch Nachlässe erhalten hätten. Wie kann der einzelne Landwirt seinen Schaden berechnen?


Dr. Hänsch: Das ist die größte Herausforderung! Denn um den Schaden festzustellen, gilt es den Preis zu ermitteln, der sich ohne Kartell am Markt gebildet hätte. Dazu kommen regionale Unterschiede und viele individuelle Preisnachlässe. Um den „eigentlichen“ Preis herauszufinden, kommt man um einen Gutachter nicht herum. Positiv ist, dass das Gesetz erst einmal davon ausgeht, dass ein Kartell zum Schaden bei den Abnehmern führt. Das Kartellrecht bietet zugunsten der Landwirte auch eine vereinfachte Schadensberechnung. Außerdem müssen Kartellmitglieder und z.T. auch Dritte sowie das Bundeskartellamt Auskünfte für die Schadensermittlung erteilen.


Was gilt bezüglich der Verjährung?


Dr. Hänsch: Aus Vorsichtsgründen sollten Landwirte ihre Ansprüche dieses Jahr geltend machen. Die Verjährungsfrist dürfte in den meisten Fällen zum Ende dieses Jahres enden. Weisen die Großhändler die Ansprüche vollständig zurück, müssten Landwirte bis zum 31.12.2020 Klage erheben. Oder man einigt sich außergerichtlich.


Die BayWa AG verklagt jetzt das Bundeskartellamt, weil sie anders als die Beiselen GmbH wohl nichts vom Verfahren wusste. Kann man deswegen evtl. keinen Schadensersatz fordern?


Dr. Hänsch: Nein. Die BayWa hat das Bußgeld akzeptiert, das Kartellverfahren ist diesbezüglich abgeschlossen. Für die Durchsetzung der Ansprüche der Landwirte steht damit die Beteiligung der BayWa an dem Pflanzenschutzmittelkartell fest. Die BayWa meint, das Bundeskartellamt habe sie im Verfahren benachteiligt, da sie anders als andere Beteiligte zu spät über die Ermittlungen informiert worden wäre. Der Ausgang des Verfahrens wirkt sich nicht auf die Ansprüche der Landwirte aus. Ob das Bundeskartellamt wegen der Klage Informationen nur zögerlich herausgibt, ist Spekulation. Ich gehe nicht davon aus.


Was raten Sie betroffenen Landwirten und Lohnunternehmern?


Dr. Hänsch: Schließen Sie sich zusammen und setzen Sie Ihre Ansprüche gemeinsam durch. Regionale Zusammenschlüsse sind besonders sinnvoll, um ein einheitliches Gutachten zur Schadensberechnung zu erstellen. Aufgrund der vielen Besonderheiten im Kartellrecht und auch in der Landwirtschaft empfiehlt sich die Unterstützung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt.


Welche Kosten und Risiken bringt so ein Verfahren mit sich?


Dr. Hänsch: Wie bei jedem Rechtsstreit lässt sich ein Risiko nicht vollständig ausschließen. Das Kartellrecht regelt aber einiges zugunsten der Geschädigten. Auch die Kosten lassen sich schwer abschätzen. Je stärker sich die Betroffenen jedoch bündeln, um so geringer sind die Kosten und das Risiko für den Einzelnen.


Übernimmt die Rechtsschutzversicherung die Kosten?


Dr. Hänsch: Das hängt vom Vertrag ab. Sind „Vertragsrechtsschutz“ bzw. „Schadensrechtsschutz“ vereinbart, hat man gute Karten, dass Kosten übernommen werden. Allerdings umfassen die Ansprüche einen langen Zeitraum. Prüfen Sie daher, ob Ihre Rechtsschutzversicherung auch für Ansprüche vor 2016 greift.

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