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Simon Billinger: „Die ständige Kritik macht uns mürbe!“

Lesezeit: 5 Minuten

Wie blicken Sie auf das Volksbegehren?


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Billinger: Ich sehe das sehr kritisch. Gegen mehr Artenschutz hat niemand etwas, die Bauern am allerwenigsten. Aber die Menschen sind doch gar nicht richtig über die Inhalte und Folgen des Volksbegehrens aufgeklärt worden. Es hieß nur „Rettet die Bienen“. Was das für die Bauern bedeutet, hat niemand erklärt. Im Gegenteil: Es wurde sogar gesagt, dass es die Bauern gar nicht betrifft. Zudem ärgert es mich, dass mit falschen Fakten hantiert wird. Wer sich die Ergebnisse verschiedener Insektenzählungen der vergangenen Jahre anschaut, stellt interessanterweise fest, dass es auf den landwirtschaftlichen Flächen zum Teil mehr Insekten gibt als auf den Naturschutzflächen.


Haben Sie sich von den Initiatoren in die Ecke gestellt gefühlt?


Billinger: Ja, weil nur die Bauern für den Artenschwund verantwortlich gemacht werden. Es sieht so aus, als bauten wir nur Monokulturen an und führen mit unseren großen Mähwerken alles kurz und klein.


Das trifft auch Sie als Biobetrieb?


Billinger: Ja. Die Initiatoren fordern z.B. 30% Ökobetriebe in Bayern. Aktuell haben wir nur rund 10%. Ob der Markt die dreifache Menge an Ökoprodukten aufnehmen kann, haben sich die Initiatoren offenbar nicht gefragt. Wir liefern unsere Biomilch an die Molkerei Berchtesgadener Land. Das ist eine der besten deutschen Molkereien. Die nimmt nur neue Biobetriebe auf, wenn sie dafür einen Markt hat. Wir müssen den Ökolandbau über den Markt entwickeln und nicht über staatliche Quoten.


Die Ökoverbände haben das Volksbegehren unterstützt. Verstehen Sie das?


Billinger: Nein. Ich glaube, bei Demeter, Bioland und Naturland hat man nur die vielen potenziellen neuen Verbandsmitglieder gesehen. Deren Gleichung lautete offenbar: mehr Ökobetriebe gleich mehr Verbandsmitglieder gleich mehr Mitgliedsbeiträge. So einfach ist das aber nicht, weil die Märkte nicht mitspielen. Ich verstehe aber auch, dass es für die Ökoverbände schwer ist, sich gegen ein Volksbegehren Artenschutz zu stellen. Aber man kann das ja im Grundsatz unterstützen und trotzdem auf die handwerklichen Fehler des Gesetzentwurfs hinweisen.


Welche Punkte sind für Sie schwierig?


Billinger: Das Walzverbot nach dem 15. März und die Vorgabe, mindestens 10% des Grünlands frühestens ab dem 15. Juni zu mähen. Beide Termine sind völlig weltfremd. Die Natur richtet sich nicht nach dem Kalender. Im März liegt auf meinen Flächen oft noch Schnee und wenn nicht, sind die Flächen vor Mitte März nicht befahrbar. Dann kann ich gar nicht walzen. Hinzu kommt: Wenn ich eiweißreiches Grundfutter haben möchte, dann muss ich vor dem 15. Juni mähen. Alternativ müsste ich ggf. Sojaschrot aus dem Ausland zukaufen. Das will der Verbraucher aber auch nicht.


Wenn das Gesetz trotzdem so käme...?


Billinger: ...würden viele Betriebe aufhören, v. a. die kleinen. Berufskollegen sagen mir: Wenn noch mehr Auflagen kommen, lohnt sich der Aufwand nicht mehr. Dann suche ich mir eine Arbeit außerhalb der Landwirtschaft.


Überforden Sie die Auflagen?


Billinger: Ja. Fast noch schlimmer ist aber, dass wir uns ständig rechtfertigen müssen. Das macht uns mürbe. Wenn ich die Kühe im Frühjahr auf die Weide treibe, bekomme ich Ärger mit den Naturschützern, weil ich das Grünland zu früh nutze. Wenn ich die Kühe im Stall lasse, bekomme ich Ärger mit den Tierschützern, weil ich zu wenig für das Tierwohl tue. Wie soll ich das lösen?


Was erwarten Sie von der Regierung?


Billinger: Vor allem Augenmaß. Wir liegen in Bayern beim Umfang der Naturschutzgebiete mit an der Spitze in Deutschland. Wir haben das breiteste Angebot an Agrarumwelt- und Naturschutzprogrammen und das sauberste Wasser. Das müssen Markus Söder und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber berücksichtigen, wenn Sie über noch strengere Auflagen nachdenken. Und sie müssen den Fachverstand der Bauern mit einbeziehen, damit wir die neuen Regeln auch umsetzen können.


Ich erwarte aber auch, dass die Landesregierung uns vor nicht erfüllbaren Forderungen der Bürger schützt und klarstellt, dass alle ihren Beitrag zum Artenschutz leisten müssen. Das kommt mir in der Diskussion viel zu kurz.


Langfristig ist es wichtig, dass wir das Thema Naturschutz und Landwirtschaft schon viel stärker in den Schulen vermitteln. Das muss schon in den Grundschulen beginnen.


Wie sehen Sie Ihre Zukunft?


Billinger: Etwas zwiespältig. Einerseits sind wir mit unserem Betrieb im Moment gut aufgestellt. Es macht mir großen Spaß und es ist mir eine Ehre, unseren 300 Jahre alten Familienbetrieb weiterzuentwickeln. Andererseits frage ich mich, wie es weitergeht? Die Umsetzung des Volksbegehrens ist jetzt eine wichtige Weichenstellung. Wenn man zum Beispiel den Biomarkt mit staatlich angeordneten Ökoquoten kaputt macht, nimmt man vielen Betrieben die Zukunftsperspektiven. Eigentlich wollte meine Freundin demnächst Vollzeit in unseren Betrieb einsteigen und ihre außerlandwirtschaftliche Arbeit aufgeben. Das Thema haben wir jetzt zurückgestellt und warten ab, was kommt.


Zur Person


Der Milcherzeuger Simon Billinger (31) hält in Chieming am Chiemsee 55 Kühe und bewirtschaftet 50 ha LF, je zur Hälfte Acker- und Grünland. Seit 2002 wird der Naturland-Betrieb ökologisch bewirtschaftet.

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