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topplus Aus dem Heft

Streitpunkt Stickstoff

Lesezeit: 5 Minuten

Der Konflikt um die Stickstoffreduktionsziele in den Niederlanden schwelt weiter und kann jederzeit wieder hochkochen. Wie konnte es soweit kommen und was sind die Hintergründe?


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Gülle vor dem Haus einer Ministerin, brennende Heuballen, Schüsse der Polizei: In den Niederlanden entlud sich Ende Juni der geballte Frust der Landwirte in heftigen, teils radikalen Protesten. Und eine Lösung ist bisher nicht in Sicht. Was steckt hinter den Plänen zur Stickstoffreduktion der niederländischen Regierung, die die Gemüter so erhitzt haben. Eine Aufarbeitung.


Was war passiert?


Die Stickstoffbelastung ist in den Niederlanden bereits seit den 1980er-Jahren zu hoch. Die Landwirtschaft ist hier nicht allein verantwortlich, doch organische und mineralische Dünger tragen zu dem Problem bei. Zwar konnten die Niederlande ihre Emissionen seit 1990 bereits um mehr als die Hälfte reduzieren. Doch insbesondere bei Ammoniak (NH3) besteht noch Handlungsbedarf. So erließ die niederländische Regierung 2015 den sogenannten Stickstoff-Aktionsplan. Die darin ergriffenen Maßnahmen reichten dem höchsten Gericht der Niederlande aber nicht aus. Im Jahr 2019 entschied es, dass die Regierung nachbessern muss.


Was hat die Regierung vor?


Die aktuelle Regierung unter Ministerpräsident Mark Rutte richtete 2022 extra einen Posten für Stickstoff und Natur ein. Die zuständige Ministerin Christiane van der Wal hat den Rang einer Staatsministerin in Deutschland und untersteht dem Landwirtschaftsministerium. Sie präsentierte Anfang Juni neue Pläne für die Stickstoffreduktion. Und die hatten es in sich. Bis 2030 soll der Stickstoff-Ausstoß um 50% sinken. Dafür gibt es für jedes Gebiet Reduktionsziele. Das „Wie“ zur Zielerreichung bleibt den einzelnen Regionen überlassen. Betroffen ist zwar nicht ausschließlich die Landwirtschaft. Auch der Verkehr und der Bausektor müssen Emissionen reduzieren.


Doch für viele landwirtschaftliche Betriebe kann diese Ankündigung das Aus bedeuten. Denn in einigen Regionen soll es einen Rückgang um 70% geben, in Natura 2000-Gebieten sogar um 95%. Für landwirtschaftliche Betriebe stellt das Ministerium nüchtern fest, es gebe letztlich drei Möglichkeiten: nachhaltiger werden, umsiedeln oder aufhören. Laut Berechnungen des Finanzministerium müssten ca. 11200 Betriebe aufgeben und weitere 17600 ihren Viehbestand deutlich reduzieren, damit die angestrebte Reduktion erreichbar ist. Derzeit gibt es Rund 53000 Höfe in den Niederlanden. Um ihr Ziel zu erreichen, will die Regierung bis 2030 24,3 Mrd. € zur Verfügung stellen.


Die Reaktionen


Der Frust über die Perspektivlosigkeit entlud sich auf der Straße. Zum Teil mit radikalen Mitteln. Einige zogen zum Haus der Ministerin für Natur und Stickstoff Christiane van der Wal und kippten Gülle vor ihr Haus. Straßen wurden blockiert. Der Aufruf war, „das gesamte Land lahm zu legen“. Es gab hunderte Kilometer Stau. Die Situation heizte sich so weit auf, dass die Polizei Schüsse auf einen Traktor abfeuerte. Die Beamten waren davon ausgegangen, dass der 16-jährige Führer des Traktors auf sie zusteuern wollte. Eine Fehleinschätzung, wie der niederländische Polizeichef Gery Veldhuis später einräumte.


Der niederländische Bauernverband (LTO) teilt die Wut und Empörung der Landwirte, da es katastrophale Folgen für landwirtschaftliche Betriebe und den ländlichen Raum insgesamt mit sich bringen würde. Dennoch rief der Verband dazu auf, dieser Enttäuschung nur in genehmigten Demonstrationen Ausdruck zu verleihen. Illegale Aktionen gefährdeten die Unterstützung aus der Gesellschaft.


Wie geht es weiter?


Die Regierung hatte letztlich, um die Wogen zu glätten, einen „unabhängigen Verhandler“ vorgeschlagen, um mit den Landwirten ins Gespräch zu kommen. Die Wahl fiel auf Johan Remkes, ein ehemaliger Minister und ausgewiesener Experte in der Stickstoffproblematik. Nach einigem Hin und Her gab es dann die ersten Gespräche. Der Präsident des niederländischen Bauernverbandes, Sjaak van der Tak, beklagte indes, dass die Diskussion zu wenig Konkretes für die Landwirte und Gärtner gebracht habe. Allerdings sieht er Bewegung bei der genauen Ausgestaltung der Maßnahmen und des Zeitrahmens für die Verringerung der Stickstoffemissionen. Bauernpräsident Sjaak van der Tak resümierte, dass das Kabinett jetzt am Zuge sei und bessere Vorschläge machen müsse. Zwei Folgegespräche wurden vereinbart, wovon das erste Ende August stattfinden soll.


Der Bauernverband hatte bereits vor der Bekanntgabe der Regierungspläne zusammen mit Naturschutz- und Wirtschaftsverbänden einen eigenen Vorschlag eingebracht. Dieser hätte zu einer Stickstoffreduktion von 40% bis zum Jahr 2030 geführt. Dieser Plan hätte auch breite Unterstützung von Landwirten, so eine Sprecherin des LTO. Er sei laut Landwirtschaftsministerium jedoch nicht weitgehend genug, auch wenn er gute Elemente habe, so ein Sprecher gegenüber top agrar. Über die Reduktionsziele könne nicht diskutiert werden, nur über das „Wie“.


Auch Vermittler Remkes sprach im Nachgang von einer „handfesten Vertrauenskrise“ zwischen den Beteiligten. Weitere Bauernorganisationen, darunter die Farmers Defence Force (FDF) sitzen nicht mit am Tisch, sondern stehen nur im Austausch mit dem LTO. Die FDF sendete aber nach zunächst markigen Worten auch Signale der Deeskalation. Sie wollen auf friedlichen Protest setzen, radikale Aktion soll es bis auf Weiteres nicht mehr geben.


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