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TA-Luft: Neue Hürden beim Stallbau

Lesezeit: 10 Minuten

Immer häufiger benötigen Viehhalter bei Stallbauten eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Neben größeren Veredlungsbetrieben sind seit letztem Jahr auch größere Rindviehhalter und flächenknappe Betriebe (über 2 GV/ha) betroffen. Die so genannte Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TALuft) regelt für diese Genehmigungsverfahren die Beurteilung der Luftbelastung. Aber auch Betriebe, für die bisher eine Genehmigung nach dem Baurecht genügte, sollten sich nicht in Sicherheit wiegen. Erst Ende April hat der Bundesrat die Neufassung der TA-Luft mit einigen Änderungen beschlossen. Experten gehen davon aus, dass die Bundesregierung zuständig ist das Umweltministerium diese Änderungen akzeptieren wird, denn schließlich will sie die TA-Luft noch in dieser Legislaturperiode verabschieden. Drei Monate nach der offiziellen Verkündigung würde die TA-Luft dann in Kraft treten. Damit ist im Herbst 2002 zu rechnen. Was regelt die TA-Luft? Die TA-Luft schreibt vor, wie die Genehmigungsbehörden vorgehen müssen, wenn sie Genehmigungsanträge für Stallungen prüfen. Geregelt wird darin, in welchem Ausmaß Anlagen zur Tierhaltung (Stallungen, Güllebehälter und Festmistlagerstätten) die Luft mit Ammoniak, Stickstoff, Schwebstaub und Gerüchen belasten dürfen. Betroffen sind genehmigungsbedürftige Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Dies sind Betriebe z. B. ab 250 Rindern, 1 500 Mastplätzen (Schweine), 560 Sauen, 15 000 Legehennen und 30 000 Stück Mastgeflügel. Bei flächenknappen Betrieben (über 2 GV pro ha) liegt die Grenze bei 50 GV. Einzeln stehende Güllebehälter sind ab 2 500 m3 BImSchG-pflichtig. Aber auch bei Stallbauten, für die eine Genehmigung nach Baurecht ausreicht, kann die Behörde in kritischen Fällen die Regelungen der TA-Luft anwenden. Die Kosten für den Antragsteller müssen allerdings in einem angemessenen Verhältnis zur Investitionssumme stehen. Die TA-Luft gilt auch für schon genehmigte BImSchG-Anlagen. Spätestens bis zum Jahr 2007 müssen diese Stallungen den Stand der Technik von Neubauten erfüllen. Grundsätzlich unterscheidet man bei der TA-Luft zwischen Immissionen (dem Einfluss von Luftschadstoffen auf Menschen, Tiere und Pflanzen) und Emissionen (dem Ausströmen von Luftschadstoffen aus einer Anlage). Die Unterscheidung dieser beiden Begriffe ist durchaus wichtig. Die Emissionen eines Stalles sind relativ einfach zu messen. Bei Immissionen dagegen muss nachgewiesen werden, dass Menschen, Tiere und Pflanzen in der Umgebung nicht in Mitleidenschaft gezogen werden ein teilweise kostspieliges Unterfangen! In der Vergangenheit ging es bei der Beurteilung der Immissionen hauptsächlich um die Geruchsbelastung. Nur vereinzelt wurden Ammoniak und Stickstoff z. B. im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen behandelt. Staub war bislang kein Thema bei der Genehmigung von Stallungen. Das wird sich jetzt ändern. Denn durch die Neufassung der TALuft spielen die Umweltwirkungen von Ammoniak, Stickstoff und Schwebstaub in Genehmigungsverfahren eine wichtige Rolle. Die Sache mit dem Ammoniak Gasförmiges Ammoniak kann empfindliche Pflanzen und Ökosysteme in der Umgebung schädigen. Laut Bundesrat werden Baumschulen und Kulturpflanzen als empfindliche Pflanzen angesehen, womit der Begriff aber nicht klarer wird. Sicherlich sind aber keine landwirtschaftlichen Nutzpflanzen damit gemeint. Was unter Ökosystemen zu verstehen ist, wurde aber nicht konkretisiert. Hier haben die Behörden einen gewissen Auslegungsspielraum. Geprüft wird zunächst, ob der Abstand des Stalles zu empfindlichen Pflanzen und Ökosystemen ausreicht, um einen schädlichen Einfluss ohne weitere Überprüfungen ausschließen zu können. Diese Abstandsregelung berücksichtigt einen pauschalen Ammoniakausstoß je Tier. In Einzelfällen soll es aber auch möglich sein, die geringere Ammoniakfreisetzung z. B. durch nährstoffangepasste Fütterung zu berücksichtigen. Reicht der Abstand z. B. gegenüber einem Wald nicht aus, wird mit einer Ausbreitungsrechnung die zu erwartende Ammoniakkonzentration im Wald berechnet. Die maximal zulässige Zusatzbelastung liegt bei 3 µg/m3 (Mikrogramm pro Kubikmeter Luft). Wird dieser Wert überschritten, kann eine Genehmigung nur erteilt werden, wenn durch eine aufwändige Sonderfallprüfung nachgewiesen wird, dass die Ammoniakbelastung den Wald nicht übermäßig schädigen wird. Die Abstandsregelung soll als Vereinfachung dienen, um die unkritischen Fälle auszusortieren, bei denen eine genauere Beurteilung nicht erforderlich ist. Allerdings ist die Regelung sehr streng. Beispielsweise muss bei einem Stall für 1 000 Mastschweine ein Abstand von 350 m zum nächsten Wald eingehalten werden; bei 2 000 Mastplätzen sind es 500 m. Zumindest in den kleinstrukturierten Landschaften West- und Süddeutschlands dürften solche Standorte oft nicht zu finden sein. Einige Bundesländer haben deshalb darauf gedrängt, diese Regelung für Standorte zu entschärfen, an denen die Vorbelastungen besonders gering sind (Ostdeutschland). Der Bundesrat hat daraufhin beschlossen, dass an Standorten mit einer Gesamtbelastung von unter 10 µg/m3 eine schädliche Umweltwirkung ausgeschlossen werden kann. Stickstoff: Prüfung erst ab 2 GV/ha auf Kreisebene Tatsache ist, dass in Gebieten mit einer hohen Viehdichte zu viel Stickstoff aus der Atmosphäre in den Boden eingetragen wird. Dies führt längerfristig zu schädlichen Umweltwirkungen. Ziel der neuen TA-Luft ist es, vor allem in den intensiven Veredlungsregionen die Genehmigungsfähigkeit neuer Stallungen zu erschweren, um langfristig die Belastung abzubauen. Eine Überprüfung des zusätzlichen Stickstoffseintrags kann daher gefordert werden, wenn die Viehdichte auf Kreisebene über 2 GV/ha liegt. Dies betrifft derzeit nur Viehhalter in den Veredlungshochburgen Vechta, Cloppenburg und der Grafschaft Bentheim. Offen ist allerdings, wie eine solche Sonderfallprüfung aussehen wird. Sowohl für Ammoniak als auch für Stickstoff enthält die TA-Luft weder genaue Vorgaben zum Prüfungsverfahren noch irgendwelche Grenzwerte, nach denen die Belastungen zu beurteilen sind. Möglich ist, dass sich die Genehmigungsbehörden an der Vorgehensweise bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) orientieren. Solche für den Antragsteller kostspieligen Gutachten wurden auch in der Vergangenheit angefordert, um die Immissionsbelastung einer Anlage zu überprüfen. Bei Schwebstaub fehlen Messwerte Schwebstaub ist ein Staub, der so fein ist, dass er sich kaum absetzt und sich daher lange Zeit in der Luft hält. Bei Menschen gelangt er in die Lunge und steht im Verdacht, Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems zu verursachen. Die Grenzwerte der neuen TA-Luft entsprechen der EU-Richtlinie von 1999 (40 µg/m3 Jahresmittelwert und 50 µg/m3 als Tagesmittelwert, der im Jahr an höchstens 35 Tagen überschritten werden darf). Die Einhaltung dieser Grenzwerte kann nur durch ein sehr umfangreiches Messverfahren überprüft werden. Dazu muss die Vorbelastung in der Regel ein Jahr lang an zwei Punkten kontinuierlich gemessen werden. Hinzu kommt noch eine Prognose über die Zusatzbelastung der geplanten Tierhaltungsanlage. Ein solches Verfahren ist nicht erforderlich, wenn: keine Menschen direkt betroffen sind, sprich ausreichend Abstand zur nächsten Bebauung vorhanden ist; die Stallung nicht mehr als 0,1 kg/h Staub ausstößt, was einem Bestand von 900 Mastschweinen oder 8 300 Stück Geflügel entspricht (bei Industrieanlagen mit Abgaskaminen ist ein um den Faktor 10 höherer Ausstoß zulässig, da die Tierhaltung als so genannte diffuse Quelle zu einer höheren Belastung im Nahbereich führt); wenn Angaben zur Vorbelastung vorhanden sind und diese nicht über 34 µg/m3 als Jahresmittelwert liegt bzw. die Grenze von 50 µg/m3 als Tagesmittelwert an höchstens 15 Tagen im Jahr überschritten wird; wenn die Zusatzbelastung durchschnittlich unter 1,2 µg/m3 liegt oder wenn Vorbelastungen (Daten des Luftmessnetzes) plus Zusatzbelastung (Prognose) nicht über dem eingangs genannten Grenzwert liegen. Eine Beurteilung der Vorbelastung soll anhand der Messergebnisse der Luftgütemessstationen der Länder möglich sein. Wenn solche Daten nicht verfügbar sind, können auch Messergebnisse von vergleichbaren Standorten übertragen werden. Eigene Messungen auf Kosten des Antragstellers sollen erst notwendig sein, wenn Anhaltspunkte für eine kleinräumliche Belastung bestehen. Inwieweit sich diese Vorgehensweise in der Praxis bewähren wird, bleibt abzuwarten. Eine höhere Vorbelastung ist vor allem in dicht besiedelten, verkehrsreichen Gebieten zu finden. Hier befinden sich auch die meisten Luftmessstationen. Zur Beurteilung der Schwebstaubbelastungen im ländlichen Raum gibt es aber kaum Messstellen. Nach Angaben des Bundesumweltamtes beträgt die durchschnittliche Schwebstaubbelaustung im ländlichen Raum etwa 11 bis 25 µg/m3. Sie liegt damit deutlich unter dem Grenzwert. Problematisch ist dagegen, dass in städtischen und verkehrsbelasteten Gebieten sowie deren Umfeld der Tagesmittelwert häufiger als die zulässigen 35 Mal pro Jahr über 50 µg/m3 liegt. Für den einzelnen Landwirt könnte es daher durchaus schwer werden nachzuweisen, dass die akute Vorbelastung am jeweiligen Standort gering ist und damit auf ein kostspieliges und langwieriges Messverfahren verzichtet werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass es derzeit kaum zuverlässige Daten über den Schwebstaub-Ausstoß der jeweiligen Stallungen gibt. Emissionen: Mindestabstand oder Abluftfilter Die TA-Luft enthält einen eigenen Bereich, wo Grenzwerte für die Emission (Ausstoß von Luftschadstoffen) festgelegt sind. Entscheidend sind hier die Vorgaben zur Vermeidung von Geruchsbelästigungen. Für Schweine und Geflügelställe gibt es konkrete Mindestabstände, die eingehalten werden müssen. Allerdings werden bei den Geruchsemissionen keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen der Tierhaltung gemacht. Die Belastungen der Schweinemast und -zucht werden gleich bewertet. Für Rinder und alle übrigen Tierarten enthält die TA-Luft keine konkreten Angaben zum Mindestabstand. Hier sollen die Behörden den notwendigen Mindestabstand in jedem Einzelfall festlegen. Auch bei Stickstoff sieht der Emissionsteil der TA-Luft einen Mindestabstand für Anlagen der Tierhaltung vor. So muss zu stickstoffempfindlichen Pflanzen und Ökosystemen (z. B. Wald) in der Regel ein Abstand von mindestens 150 m eingehalten werden. Die Formulierung in der Regel lässt aber auch hier Ausnahmen zu. Außerdem gibt es in der TA-Luft Angaben über die baulichen und betrieblichen Anforderungen der Tierhaltung. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Maßnahmen zur Emissionsminderung, die als gute fachliche Praxis der Tierhaltung bezeichnet werden können (siehe Übersicht). Ein Problem ist, dass die von der Politik besonders favorisierten tiergerechten Haltungsverfahren häufig zu höheren Emissionen führen. Deshalb schreibt die TA-Luft vor, dass die baulichen und betrieblichen Anforderungen mit den Erfordernissen einer tiergerechten Haltung abzuwägen sind. Neu hinzugekommen sind in der TALuft Regelungen zur Güllelagerung. In Zukunft muss bei einzeln stehenden Flüssigmistbehältern ab einer Kapazität von 2 500 m3 ein Mindestabstand von 300 m zur nächsten Wohnbebauung eingehalten werden. Unter bestimmten Voraussetzungen, so die Änderung des Bundesrates, ist aber auch ein geringerer Abstand möglich. Wir halten fest Mit der neuen TA-Luft werden die Hürden in Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsanlagen noch höher gelegt. Dies ergibt sich weniger aus den baulich/ technischen Anforderungen zur Emissionsminderung, die der guten fachlichen Praxis entsprechen, als vielmehr aus den Anforderungen im Immissionsteil. Der Aufwand, der mit der Anwendung der TA-Luft verbunden ist, hängt wesentlich von den Standortbedingungen ab. Wenn es gelingt, plausibel nachzuweisen, dass vorhandene Belastungen gering sind oder die Zusatzbelastung irrelevant ist, hält sich der Aufwand in Grenzen. Dies ist umso einfacher, je größer der Abstand zu Schutzobjekten ist (vor allem Wohnbebauung und Wald). Werden aber die Regelungen zu den Ammoniak- und Schwebstaubimmissionen im vollen Umfang vollzogen, ist mit Kosten für Gutachten usw. in Höhe von 3 000 bis 10 000 E beim Ammoniak und von 25 000 bis 50 000 E beim Schwebstaub zu rechnen. Die TA-Luft eröffnet an vielen Stellen Beurteilungsspielräume für die zuständigen Behörden. Damit besteht aber auch die Gefahr der Willkür zu Lasten der Landwirte. Um Genehmigungsverfahren zügig und erfolgreich durchzuführen, wird es mehr als bisher auf den Sachverstand bei den Genehmigungsbehörden ankommen. Aber auch ein professionelles Genehmigungsmanagement der antragstellenden Betriebe ist gefragt.

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