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„Unsere Perspektiven in Südbaden sind gut“

Lesezeit: 8 Minuten

Wetterschäden, höhere Auflagen und wegfallende Fördergelder setzen der südbadischen Landwirtschaft zu. Welche Chancen haben die Bauern dort? Südplus sprach darüber mit BLHV-Präsident Werner Räpple.


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Herr Räpple, Sie steuern den Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) nun seit fast 15 Jahren und hatten es bereits mit mehreren Landesregierungen zu tun. Unter welcher hatten es die Bauern bisher am schwersten?


Werner Räpple: Wir sind als Verband dazu angehalten, so gut es geht mit jeder Landesregierung zusammenzuarbeiten und versuchen dort immer zu erreichen, was möglich ist. Schließlich ist die jeweilige Regierung gewählt. Sicherlich ist es aber so, dass unsere Anliegen bei der einen oder anderen Regierung besser aufgehoben sind. So haben wir den Wechsel zu Grün anfangs schon mit Sorge betrachtet. Aber auch die Grünen zeigten für viele unserer Themen offene Ohren.


Wie ordnen Sie die aktuelle Landesregierung ein?


Räpple: Mit Peter Hauk haben wir einen sachkompetenten Minister, der auch die spezifisch süddeutschen Belange sehr gut kennt und sie auf Bundesebene und gegenüber der EU entsprechend vertreten kann. Mit unseren familiär geprägten Betriebsstrukturen fühlen wir uns hier gut aufgehoben.


Trotz Ihres Engagements fallen in Südbaden durch die EU-Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete über 100 Gemarkungen aus der Gebietskulisse heraus. Wie hoch sind die Verluste?


Räpple: Die meisten Betriebe bei uns bewirtschaften zwischen 25 und 40ha Grünland und verlieren daher zwischen 1125 und 1800€/Betrieb. Immerhin konnten wir durchsetzen, dass die Gemarkung und nicht die Gemeindegrenze für die neue Gebietskulisse herangezogen wird und dass dort nur 60% der Kriterien statt 66% erfüllt sein müssen. Sonst hätten wir noch massivere Veränderungen. Aber klar: Für Betriebe, die komplett rausfallen, aber trotzdem noch Hanglagen bewirtschaften sollen, ist der Wegfall der Ausgleichszulage hart.


Welche Chance sehen Sie, dass diese Gemarkungen im Rahmen der dritten Stufe des Verfahrens zum Zuge kommen?


Räpple: Wir haben vom Land die Zusage, dass die Neuabgrenzung erst 2019 kommt und in diesem Jahr eine weitere Abgrenzung von Gebieten nach der dritten Stufe geprüft werden soll. Wir hoffen, dass dabei für diese Hangfußlagen Kriterien gefunden werden, um sie wieder in die Kulisse aufnehmen zu können. Das wäre auch langfristig für die EU-Agrarpolitik wichtig: Denn vor allem die Förderung schwer zu bewirtschaftender Regionen lässt sich nachhaltig begründen.


Das große Problem dabei wird sein, Kriterien zu finden, die auf das ganze Land anwendbar sind, und dass zusätzliche Mittel gebraucht werden ...


Räpple: Ja, denn die Verkleinerung der Gebietskulisse auf der einen Seite und die neue Ausgleichszulage für Ackerflächen auf der anderen Seite sind – finanziell betrachtet – ein Nullsummenspiel. Uns ist dabei wichtig, dass das Geld für das Ackerland nicht zulasten des Grünlandes geht und dort die Zulagen gekürzt werden. Derzeit sieht es so aus, als ob wir damit durchkommen.


Ist die Tierprämie in den Berggebieten ebenfalls gesichert?


Räpple: Ja, diese Zuschläge bleiben erhalten. Aus unserer Sicht sollte es aber für alle benachteiligten Gebiete einen Tierzuschlag geben. Diesem Wunsch ist das Land bisher nicht nachgekommen. Wir beharren weiter darauf, denn nur mit Tieren ist eine nachhaltige Grünlandbewirtschaftung möglich.


Milchkrise und enorme Frostschäden im Obst- und Weinbau: Etliche Betriebe in Ihrem Verbandsgebiet hat es in den letzten Jahren arg gebeutelt. Wie können sie sich besser absichern und aufstellen?


Räpple: Wir wünschen uns seit Langem eine steuerfreie Rücklage, um die Liquidität unserer Betriebe zu stabilisieren. Bisher war das auf Bundesebene nicht durchzukriegen. Ich hatte in dieser Frage auf die Jamaika-Koalition gehofft. Die Folgen der Milchkrise und des Ernteausfalls insbesondere bei Obst sind hart. Aber die große Stärke unserer Betriebe ist die Diversifizierung. Da gibt es oft neben Milch noch Holz oder den Tourismus. Natürlich ist das mit viel Arbeit verbunden, aber diese Höfe halten länger durch.


Wie motivieren Sie junge Landwirte im Schwarzwald angesichts der erschwerten Bewirtschaftung, einer zum Teil unbefriedigenden Förderung und neuen Auflagen zur Hofübernahme?


Räpple: Für die Hofübernahme darf nicht nur das Kriterium Fördersituation ausschlaggebend sein – auch wenn sie sehr wichtig ist. Entscheidender sind die Einkommensmöglichkeiten am Standort und – auch wenn das kitschig klingt – die Liebe zum Beruf. Besonders hier im Süden besteht oft eine enorme Verbundenheit zum Hof. Aber allein trägt das natürlich nicht. Das sage ich ganz deutlich. Landwirte sollten auch an der gesellschaftlichen Entwicklung mit besseren Einkommen und mehr Freizeit teilhaben können. Aus meiner Sicht sind die mittelfristigen Perspektiven für uns in Südbaden gut. Zumal sich abzeichnet, dass die nächste Runde der Agrarreform unseren Strukturen entgegenläuft.


Wie lässt sich aus Ihrer Sicht der Milchmarkt stabilisieren?


Räpple: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass politische Maßnahmen zur Marktregulierung nicht geeignet sind. Daher sehen wir die private Lagerhaltung und die Intervention nur noch als unteres Sicherheitsnetz an, wenn der Markt z.B. durch ein weltpolitisches Ereignis einbricht. In freien Märkten ist die Regulierung aber Aufgabe der Marktpartner. Jetzt gilt es zu schauen, wo ist die Nachfrage und wie können wir sie bedienen. Natürlich müssen wir dazu wettbewerbsfähig sein. Der heikle Punkt ist, geeignete Instrumente zu finden, um die Produktion besser an den Markt anzupassen. In dieser Diskussion ist der Gedanke an eine Branchenorganisation zur Stärkung der Erzeuger nicht verwerflich. Denn die größte Herausforderung dabei ist die Zusammenarbeit mit dem LEH.


Ist da die Forstbranche nach ihrer großen Reform schon weiter?


Räpple: Die Situation der Forstwirtschaft ist nur bedingt mit der in der Milchwirtschaft vergleichbar. Im Forst müssten sich erst noch vergleichbare Vermarktungsstrukturen bilden. Eine Möglichkeit wäre, dass sich die bäuerlichen Waldbesitzer mit den Kommunen zu schlagkräftigen Organisationen bündeln, um ein Gegengewicht zur stark konzentrierten Sägeindustrie zu bilden. Denn es wäre verheerend, wenn sich der Holzmarkt aufsplitten würde und der eine dem anderen die Preise drückt. Wir sehen in der Kooperation der Privatwaldbesitzer und der Forstbetriebsgemeinschaften mit den Kommunen einige Synergieeffekte: Die Privaten bringen ihre Holzvorräte ein und man könnte sich beim Zeitpunkt des Einschlages gut abstimmen. Es gibt erste erfolgreiche Ansätze. Darüber hinaus erwarten unsere Waldbauern, dass die Zusage einer neuen unbürokratischen Förderung ihrer Waldbewirtschaftung eingelöst wird – auch für Kleinprivatwald über 100ha.


Zurzeit werden die Ergebnisse der zweiten FFH-Kartierung vorgestellt. Wurden die Landwirte diesmal besser eingebunden als bei der ersten Runde 2003?


Räpple: Die Landwirte hatten leider auch diesmal keine Information über die kartierten Flächen. Der Prozess lief genauso anonym ab wie bei der Erstkartierung. Das macht das Ganze erneut sehr schwierig. Unsere Philosophie ist, dass man möglichst viel Angebote auf freiwilliger Basis machen sollte. Denn so kann man die Landwirte besser mitnehmen. Das zeigen das FAKT-Programm und die Landschaftspflegeverträge. Was die Ergebnisse angeht, haben wir im Moment noch keinen Überblick. Man hat uns aber mitgeteilt, dass zunächst keine neuen FFH-Flächen nach Brüssel gemeldet würden! Wir hoffen, dass es dabei bleibt. Denn die Landwirte brauchen doch auch noch Flächen, die sie nach guter fachlicher Praxis bewirtschaften können!


Viel Bewegung gab es zuletzt auch in der landwirtschaftlichen Beratung. Hat sich das neue System: „Beratung.Zukunft.Land“ in der Praxis bewährt?


Räpple: Es hat sich vor allem bürokratisiert! Das kann man deutlich sagen. Ein positiver Ansatz ist sicher der Betriebscheck, der bis auf die Umsatzsteuer komplett finanziert wird. Defizite sehe ich allerdings bei den übrigen Beratungsformen, die durch die Organisationen erbracht werden. Dort ist die Anschlussfinanzierung nach wie vor ein großes Thema. Auch wir mussten unsere Tochtergesellschaft, LUB GmbH, zwischenfinanzieren. Minister Hauk hat angekündigt, dass bis Ende 2017 alle eingereichten Anträge ausbezahlt sein sollen. Das wäre schon mal gut. Sehr bedauerlich ist aus meiner Sicht auch, dass die bewährte Beratung der Landwirtschaftsämter so stark reduziert wurde. Denn sie hat in der Praxis viel bewegt.


In Südbaden erhitzt die Allgemeinverfügung, die den Maisanbau auf einer Fläche maximal zweimal hintereinander erlaubt, die Gemüter. Gab es aus Ihrer Sicht eine Alternative dazu?


Räpple: Ich bin der Meinung, dass wir die Möglichkeit des Fruchtwechsels zur Eindämmung des Wurzelbohrers nutzen sollten. Dann haben wir auch bessere Argumente für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Zudem glaube ich nicht, dass wir bei der aktuellen Stimmungslage zum Thema Pflanzenschutz schnell zu chemischen Alternativen kommen. Unser Vorschlag war allerdings, erst nach dreimaligem Maisanbau auf einer Fläche einen Fruchtwechsel vorzuschreiben.


Werden Sie das durchsetzen können?


Räpple: Ich bin nicht sehr optimistisch. Aber ich hoffe, dass wir den Landwirten wenigstens den Einstieg in die neue Regelung erleichtern können. Und zwar dadurch, dass wir ihn auf 2019 verschieben. Bei den Sommerungen sind die Alternativen zu Mais bei uns allein vom Ertragsniveau her gering. Zumal auch Soja durch das Pflanzenschutzverbot im Greening in diesem Jahr vielfach als Sommerung wegfällt ...


Rechnen Sie dadurch mit einem deutlichen Einbruch der Sojaflächen?


Räpple: Ja, der Anbau wird leider einen deutlichen Dämpfer bekommen. Aus meiner Sicht ist dieser Schritt seitens der EU nicht zuende gedacht. Wir hatten im letzten Jahr in Baden-Württemberg ca. 6000 ha Soja und das wären sicher noch mehr geworden. Jetzt bleibt fast nur noch der Bio-Sojaanbau, denn für konventionelle Höfe rechnet sich die Anschaffung der Technik oft nicht. Ziel muss daher sein, dass heimischer Soja wettbewerbsfähiger wird. In trockenen Jahren wie 2016 hat er sich da bisher nicht schlecht geschlagen.Interview: Klaus Dorsch, Silvia Lehnert

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