Der Blick von außen
Das „Insektensterben“ erhitzt unsere Gemüter – als Bürger, Landnutzer, Wissenschaftler oder Naturschützer. Besonders betroffen macht mich – der ich mich seit 50 Jahren mit Insekten beschäftige und an der Universität Hohenheim zum Thema Pflanzenschutz promoviert habe – die Art und Weise des Umgangs sowohl mit dem Thema als auch mit den Kollegen, die sich dessen ernsthaft annehmen. So hatte der Entomologische Verein Krefeld gemeinsam mit dem Niederländer Caspar Hallmann und weiteren Kollegen durch eine fundierte Analyse für Teile Deutschlands einen 75%igen Rückgang der Insektenmasse in den letzten 30 Jahren festgestellt und wissenschaftlich veröffentlicht. top agrar online titelte am 20. Oktober über diese Arbeit: „Insektensterben: Nur 22% Rückgang, lückenhafte Daten, keine eindeutigen Ursachen!“ – ein Musterbeispiel für Fake News.
Auch werden die Krefelder Kollegen häufig als „Hobby-Wissenschaftler“ diskreditiert, deren Ergebnisse in Zweifel zu ziehen sind. Nicht nur, dass mehr als ein Drittel der Vereinsmitglieder natur- wissenschaftliche Universitätsab- schlüsse haben; aus eigener Erfahrung mit bürgerwissenschaftlichen Projekten weiß ich, dass sehr viele ehrenamtliche Akteure echte Experten sind. Mit diesen gilt es weiterzuarbeiten – in enger Verbindung mit der Wissenschaft. Denn wir brauchen dringend ein pro- fessionell getragenes, öffentlich finanziertes deutschlandweites Monitoring sowie die Analyse historischer Daten.
Die Studie von Hallmann und Kollegen kann zu den Ursachen des Insektenschwunds zunächst noch keine Aussagen machen, auch weil die notwendigen Daten zur Landnutzung nicht zur Verfügung stehen. Dennoch darf man nicht so tun, als gäbe es kaum Erkenntnisse. Basierend auf der Auswertung tausender qualitätsgeprüfter wissenschaftlicher Arbeiten zur Lage der Bestäuber (Bienen sind ja auch Insekten!) hat zum Beispiel der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) wesentliche Faktoren der Gefährdung benannt:
Es sind die Landnutzungsintensität (inkl. Mahdhäufigkeit, Düngung, Pflanzenschutz, Fruchtfolge), die Landschaftsstrukturen (Monokulturen), der Klimawandel, invasive Arten etc. – und ganz besonders das wechselseitige Zusammenwirken dieser Faktoren. Sie zeigen aber zugleich, wo die Chancen für die Verbesserung der aktuellen Situation liegen. Der Insektenschwund betrifft uns alle: Landwirte, Städter, Förster, Landschaftsplaner und Gartenbesitzer. Wir müssen das Problem gemeinsam lösen!