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Was kostet der Naturschutz?

Lesezeit: 6 Minuten

Macht der Naturschutz Bewirtschaftungsauflagen, büßen Landwirte nicht nur Einkommen ein – auch der Verkehrswert sinkt. Mit welchen Werten zu rechnen ist, hat Prof. Albrecht Mährlein von der Fachhochschule Kiel berechnet.


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Mittlerweile ist unstrittig: Naturschutzauflagen auf bewirtschaf-teten Flächen vermindern nicht nur das laufende Einkommen, auch der Wert einer geschützten Fläche sinkt. Wer ermitteln möchte, was Naturschutz für Landwirte kostet, muss also beide Positionen betrachten.


Laufende Einkommensverluste:

Diese entstehen z.B. durch:


  • Auflagen, wie das Verbot von Pflegearbeiten, später erster Mähtermin, Einschränkung oder Verbot der Düngung. Oft reicht dadurch die Futterqualität für Milchkühe nicht mehr aus.
  • fehlende Flächen im Nährstoffnachweis. Die überbetriebliche Gülleverwertung kann in viehintensiven Regionen 10 € je m3 und mehr kosten.
  • Vernässung: Sie führt oft zu weniger Trittfestigkeit bei Beweidung, erschwerter Befahrbarkeit und verminderter Aufwuchs-Qualität.


Je nach Betrieb verursachen gleiche Auflagen dabei unterschiedlich hohe Einkommensverluste. So verliert ein Mutterkuhhalter pro Hektar extensiviertem Grünland ca. 150 bis 250 €. Das decken eventuell verfügbare Förderbeträge oft noch ab.


Verluste von bis zu 800 €/ha:

Ein intensiv geführter Milchviehbetrieb hat jedoch viel höhere Kosten. Denn der Aufwuchs aus spät gemähten Flächen ist weder für die Färsenaufzucht noch für die Milchviehhaltung verwertbar. Ersatzfutter zu beschaffen, kostet schnell 800 bis 900 €/ha. Noch teurer wird es, wenn Landwirte wegen fehlender Fläche z.B. Vieh abstocken oder Gülle überbetrieblich verwerten müssen. Dabei gilt: Je höher der Anteil der Naturschutz- an der Betriebsfläche ist, desto größer die Anpassungsprobleme und der wirtschaftliche Verlust. Verliert der Betrieb Futter- oder Gülleverwertungsflächen ohne Ersatzland oder ausreichend Geldausgleich zu erhalten, ist daher gerade bei Großschutzgebieten immer öfter die Existenz gefährdet.


Sinkende Flächenwerte:

Naturschutzauflagen verringern aber auch den Wert einer Fläche, z.B. durch:


  • Verkehrswertverluste: Mit Naturschutzauflagen ist eine Fläche weniger wert als ohne. Bei starker Einschränkung sinkt der Wert sogar bis auf das Niveau von Öd- oder Unland ab.
  • Eingeschränkter Stallbau: Nur eine eigene Futtergrundlage von mehr als 50% erlaubt es, Ställe privilegiert zu bauen. Geringe Erträge auf Naturschutzflächen reduzieren diese und schränken daher die Aufstockung der Viehhaltung ein – besonders wenn Acker- in Extensivgrünland umzuwandeln ist.
  • Sinkende Pachteinnahmen: Das ist besonders brisant, wenn die Alterssicherung an der Verpachtung hängt.
  • Minderung des Beleihungswertes: Wenn Banken Naturschutzflächen als Sicherheit geringer bewerten, verteuern sich bestehende oder neue Kredite. Die Beleihungsgrenze ist eher erreicht.
  • Verfügungseinschränkung: Naturschutzgebiete engen den Eigentümer bei der künftigen Nutzung ein. Sie blockieren z.B. künftige Bebauung mit erneuerbaren Energien. Genauso können auch Einschränkungen beim Betretungs- oder Jagdrecht zu wirtschaftlichen Verlusten führen.


Auch Vermögensverluste fallen also je nach Betrieb und Naturschutzmaßnahme unterschiedlich hoch aus. Dass sie schwer in Zahlen zu fassen sind, liegt auch an fehlenden Vergleichspreisen: Um Wertminderungen durch Auflagen rechtlich wasserdicht zu ermitteln, wären Verkaufswerte von Flächen mit Naturschutzauflagen auf dem freien Grundstücksmarkt nötig. Diese gibt es aber kaum, da Naturschutzflächen fast immer an die öffentliche Hand oder die Naturschutzverbände gehen. Zusätzlich variieren die Auflagen extrem: Von der leichten Extensivierung bis hin zur Umwandlung in ein reines Biotop.


Ertragswert als Grundlage:

Wie fasst man nun den Wertverlust durch Auflagen in Zahlen? Ein Weg ist, den bisherigen Verkehrswert der auflagenfreien Fläche mit dem möglichen Ertragswert unter einschränkenden Auflagen zu vergleichen. Denn auch ein potenzieller Käufer würde den Preis der Naturschutzfläche danach bemessen, was er mit ihr noch erwirtschaften kann. Spekulative Überlegungen entfallen, da an Wertsteigerungen nicht zu denken ist.


Um den Ertragswert zu ermitteln, zieht man vom geldlichen Ertrag der Extensivnutzung den Lohn- und Zinsansatz ab. Rechnet man die flächenbezogenen Prämien hinzu, ergibt sich die jährliche Bodenrente. Diese wird auf Dauer kapitalisiert und ergibt einen theoretischen Kaufpreis.


60% Wertverlust:

Das Beispiel in der Übersicht zeigt, wie man rechnen kann. Die Grünlandfläche eines Milchviehbetriebes hatte bisher einen Verkehrswert von 25000 €/ha. Seit sie im Naturschutzgebiet liegt, ist eine extensive Bewirtschaftung vorgeschrieben. Es gelten die typischen Auflagen des Wiesenbrüterschutzes: Verbot der Bearbeitung (Pflegearbeiten, Düngen, Mähen) im Frühjahr bis zum 20.6., keine Düngung mit Gülle und begrenzte Besatzdichte bei Weidetieren. Für Milchviehbetriebe ist solch eine Fläche meist nicht nutzbar. Eine Alternative wäre höchstens die Mutterkuhhaltung, die sich allerdings oft nicht rechnet.


Auch wenn man die Flächenprämien einrechnet, kommt man nur auf eine jährliche Bodenrente von rund 400 bis 500 €/ha. Kapitalisiert man diesen Wert unter Ansatz eines Zinssatzes von 6,0% (einschließlich Risikozuschlag) mit dem gerundeten Faktor 17, so ergibt sich rein rechnerisch ein neuer „Verkehrswert“ von 6800 bis 8500 €/ha. Fazit: Schon bei der Extensivierung ohne Vernässung sinkt der Flächenwert im Vergleich zur Ausgangssituation um rund zwei Drittel. Kommen Auflagen wie Düngungsverbote oder Vernässung hinzu, stürzt der Verkehrswert regelrecht ab, im Beispiel von 25000 € auf weniger als 2500 €.


Derartige Verluste fangen die Naturschutz-Fördergelder nicht angemessen auf. Das Problem ist auch, dass es auf diese Mittel meist keinen Rechtsanspruch gibt und sie oft nur befristet, z.B. für jeweils 5 Jahre sicher sind.


Banken prüfen Werte:

Dass der Verkehrswert durch Naturschutzauflagen sinkt, schätzen bundesweit auch viele Experten so ein. Das zeigen zwei an der FH Kiel verfasste Masterarbeiten. Die Verfasser befragten unter anderem landwirtschaftliche Sachverständige und Agrarkreditinstitute nach ihrer Einschätzung, inwieweit Naturschutzauflagen Verkehrswerte mindern. Das Ergebnis:


  • Der Verkehrswert sinkt nach Einschätzung der landwirtschaftlichen Sachverständigen schon dann um 15 bis 20%, wenn ein Gebiet nur ausgewiesen wird und damit nur das Verschlechterungsgebot (Veränderungssperre) greift.
  • Die maximale Wertminderung, hervorgerufen durch weitreichende Bewirtschaftungsbeschränkungen, geben die Experten mit 70 bis 85% an – ähnlich wie in der Übersicht berechnet.


Befragt man Banken nach dem Einfluss von Naturschutzauflagen auf die Beleihungsfähigkeit, geben sie die Wert-minderung mit Werten zwischen 25 und 50% an. Gemäß der Basel III-Regeln prüfen sie bei der Kreditvergabe auch, ob als Sicherheit bereitgestellte Flächen möglicherweise in Schutzgebieten liegen. Die Bankenbefragung ergab außerdem:


  • 87% der Banken bestätigten, dass sie bei der Besicherung die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der Fläche überprüfen.
  • 85% überprüfen regelmäßig die bestehende Beleihungsfähigkeit, überwiegend alle drei Jahre.
  • 48% gaben an, den Schutzstatus von beliehenen Flächen gezielt abzufragen.
  • 76% wollen bei neuen Ausweisungen von Schutzgebieten die Beleihungswerte der Flächen überprüfen.
  • 36% schrecken nicht davor zurück, Kreditkonditionen anzupassen, wenn die Beleihungswerte sinken.-ha-

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