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Welche Kuhzahl ist krisenfest?

Lesezeit: 8 Minuten

„Noch mehr Kühe“ – das galt lange als Zukunftsstrategie gegen fallende Milchpreise. Die Preiskrisen im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass das so nicht stimmte. Große Betriebe sind nicht per se „krisenfest“.


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Milchsonderbeihilfe geht überwiegend an größere Betriebe.“ Die Meldung aus dem Frühjahr 2017 war zwar nur eine kleine Randnotiz, doch sie wirft die Frage auf: „Sind größere Betriebe krisenanfälliger“ Anzeichen dafür gibt es: Rund 57% der Betriebe in Niedersachsen, die Sonderbeihilfen beantragt haben, erzeugen eine Milchmenge von über eine Mil-lion kg/Jahr/Betrieb. Der jährliche Landesschnitt liegt dagegen bei rund 750000 kg/Betrieb.


Die Krisenanfälligkeit von Betrieben nur mithilfe dieser Zahlen zu beurteilen, greift zu kurz. Um zu beantworten, welche Kuhzahl krisenfest ist, haben wir daher 497 Jahresabschlüsse der letzten drei Wirtschaftsjahre (2014 bis 2016) von niedersächsischen Milchviehbetrieben anonym ausgewertet.


Wie sehen die Betriebe aus?

Anhand der Kuhzahl haben wir vier Gruppen gebildet (vgl. Übersicht 1). Wächst ein Familienbetrieb über 120 Kühe, wird er zu einem erweiterten Familienbetrieb. Kommt dieser über 200 Kühe, fällt er in die Gruppe der stark gewachsenen Familienbetriebe. Wer mehr als 350 Kühe hält, gehört zu den Großbetrieben.


Auffällig hierbei: Je mehr Kühe der Betrieb hält, desto höher ist auch die Milchleistung/Kuh. Der „klassische“ Familienbetrieb mit bis zu 120 Kühen liegt bei knapp 8600 kg, jede folgende Betriebsgruppe legt dann noch durchschnittlich 200 kg zu. Mit der Kuhzahl steigt auch die Anbaufläche: Bewirtschaftet der Familienbetrieb etwa 90 ha, sind es bei den Großbetrieben 382 ha (vgl. Übersicht 1). Der Trend, dass mit zunehmender Betriebsgröße auch der Pachtanteil an der Fläche steigt, zeigt sich hier: Beträgt dieser bei den Familienbetrieben im Schnitt knapp über 50%, sind es bei Betrieben mit über 200 Kühen an die 70%.


Auch die Anzahl der Arbeitskräfte steigt mit der Betriebsgröße: Auf einem Großbetrieb arbeiten fast acht Personen, auf dem klassischen Familienbetrieb hingegen weniger als zwei. Allen Betriebsformen ist gemeinsam, dass rund 1,5 Arbeitskräfte aus den Unternehmerfamilien kommen. Das heißt im Umkehrschluss: Gerade auf kleinen Betrieben ist die Familie die tragende Säule, auf der alles aufbaut.


Verluste durch Milchpreiskrise:

Im Wirtschaftsjahr 2013/14 war der Milchpreis mit ca. 43 ct/kg für alle Betriebsgrößen zufriedenstellend (siehe Übersicht 2 auf S. 54), sodass alle Betriebe im Schnitt Gewinne eingefahren haben.


Die höchsten Überschüsse haben hier die Großbetriebe mit 4,7 ct/kg über ihrem Mindestmilchpreis erwirtschaftet, während der erweiterte Familienbetrieb nur 3 ct/kg über seiner Gewinnschwelle lag. Dabei ist der Mindestmilchpreis die Schwelle eines Milchviehbetriebes, bei der er alle seine Kosten gedeckt hat (siehe Kasten links).


Bei den extrem niedrigen Milchauszahlungspreisen im Wirtschaftsjahr 2015/2016 hat im Schnitt kein Betrieb Überschüsse erzielt. Interessant ist, dass fast alle Gruppen ihren Mindestmilchpreis von 2014/15 zu 2015/16 um mehr als 3 ct/kg deutlich gesenkt haben. Dafür gibt es einen plausiblen Grund: Die Ausgaben für Quotenpacht und Superabgabe sind in diesem Jahr aus den Jahresabschlüssen verschwunden – vielerorts ein erheblicher Kostenfaktor. Die Ausnahme bilden die stark gewachsenen Familienbetriebe, die auf dem gleichen Level geblieben sind. Insgesamt waren die Verluste im Jahr 2015/16 für alle Betriebe groß – es fehlten zwischen 4,4 und 7,8 ct/kg Milch (Übers. 2)!


Auffällig ist trotzdem, dass gerade die kleineren Betriebe in der Tiefpreisphase von 2015/16 die Mindestmilchpreise um 4 bis 6 ct/kg im Vergleich zum Jahr 2013/2014 senken konnten, während die größeren nur eine Reduzierung von ca. 1 bis 3 ct/kg schafften. Gerade die Großbetriebe, die 2013/2014 noch das meiste Geld verdient haben, fuhren 2015/16 mit 6,2 ct herbe Verluste bei jedem Kilogramm Milch ein. Die stark gewachsenen Familienbetriebe mussten mit noch größeren Defiziten von 7,8 ct/kg Milch über die Runden kommen.


Nur um ein Gefühl für die Zahlen zu bekommen: In 2015/2016 betrug der Verlust auf den Familienbetrieben bis 120 Kühen durchschnittlich 372 €/Kuh. Der Fehlbetrag der Milcherzeuger mit bis zu 200 Kühen war mit 420 €/Kuh deutlich höher. Die stark gewachsenen Familienbetriebe bis zu 350 Kühe mussten eine Lücke von durchschnittlich 625 €/Kuh stopfen und bei den noch größeren Betrieben waren die Defizite mit 1250 €/Kuh doppelt so hoch. Insgesamt ergibt sich so eine Liquiditätslücke von 32000 € für einen klassischen Familienbetrieb. Der Großbetrieb hat mit 320000 € zehnmal so hohe Verluste (siehe Übersicht 2)!


Hier wird die Hebelwirkung einer hohen Milchmenge deutlich, die auch in die andere Richtung wirkt, wenn die Preise steigen, wie im Jahr 2013/14 bei den Großbetrieben zu sehen ist.


Familienbetriebe sind flexibel:

In der Krise haben fast alle Betriebe weniger dringende Investitionen und Reparaturen aufgeschoben und auch ihre Privatentnahmen reduziert. Bei den „kleineren“ Betrieben machen diese Positionen jedoch einen größeren Anteil an den Gesamtausgaben aus, Einsparungen haben hier einen stärkeren Effekt und wirken sich in einem niedrigeren Mindestmilchpreis aus.


Auch versuchen solche Betriebe in Tiefpreisphasen wieder mehr Arbeit selbst zu erledigen. Sie beschäftigen beispielsweise weniger Aushilfen oder versuchen soweit es möglich ist mehr Arbeiten in der Außenwirtschaft wieder selber zu stemmen, statt auf den Lohnunternehmer zu setzen.


Die größeren Betriebe haben diese Möglichkeit oft nicht. Denn Lohnkürzungen bei festangestellten Mitarbeitern sind in der Praxis kaum durchsetzbar, vor allem wenn diese gut eingearbeitet und Bestandteil eines festen Teams sind. Wer so handelt oder versucht, seine Mitarbeiter durch vermeintlich günstigere Arbeitskräfte zu ersetzen, läuft fast immer Gefahr, dass die Arbeitsqualität und damit der Betriebserfolg darunter leidet. Die Sicherung dieser Löhne wird in Zukunft vor allem für solche Betriebe immer wichtiger, denn diese muss der Betriebsleiter auch in Tiefpreisphasen bezahlen.


Der Familienbetrieb hat bei niedrigen Milchpreisen kurzfristig Vorteile, aber die Schattenseiten sind nicht unerheblich: Die Betriebsleiter sind oft an die Grenzen ihrer Kräfte gelangt. Zudem geht die Zeit, die zusätzlich fürs Güllefahren oder Melken aufgebracht wird, meistens auf Kosten wichtiger Managementaufgaben in Stall und Büro, was sich mittelfristig negativ auf die Betriebsentwicklung auswirken kann.


Zu hohes Risiko?

Große Betriebe sind meist abhängiger von Banken und Verpächtern. So erfolgt betriebliches Wachstum oft über Flächenpachten und hohe Investitionen, die der Betrieb zu erheblichen Teilen mit Fremdkapital trägt. Das birgt Risiken. Denn die Kreditgeber und Verpächter müssen auch in wirtschaftlich schwierigen Jahren bedient werden.


Liegen langfristige Pachtverträge bei mehreren Verpächtern vor, steht der Betrieb stabiler da. Verlangt z.B. ein Verpächter deutliche Pachterhöhungen, die der Betriebsleiter entweder nicht leisten kann oder will, kann er vielleicht auf kleinere Flächen verzichten. Hat ein Betrieb dagegen nur wenige, kurzfristige Pachtverträge, kann das Flächengerüst des Betriebes schnell in sich zusammenfallen.


Zahlreiche Betriebsleiter von Familienbetrieben haben in den letzten Jahren ordentlich investiert und sind deutlich gewachsen. Sie gehören nun in die Gruppe der erweiterten Familienbetriebe oder der stark gewachsenen Familienbetriebe. Größtenteils finanzierten sie das Wachstum mit Fremdkapital, sodass die Höhe der Verbindlichkeiten mit der Kuhzahl steigt (s. Übersicht 1). Insgesamt macht der Kapitaldienst mit 6 bis 7 ct/kg Milch im Schnitt der Jahre bei allen Betriebsgrößen mittlerweile einen beachtlichen Posten aus.


Interessanterweise ist der Kapitaldienst bei den „klassischen Familienbetrieben“ im Vergleich zu den anderen Betriebsklassen der zweithöchste, obwohl sie pro Kuh gerechnet die niedrigsten Verbindlichkeiten haben. Wie kann das sein? Klassische Familienbetriebe, die nicht erweitert haben, wirtschaften oft in älteren Ställen. Die Kredite hierfür laufen schon lange, sodass sie die volle Tilgung zahlen. In 2014 und 2015 dagegen haben etliche Familienbetriebe neue Ställe gebaut und sind in die Gruppe der erweiterten oder stark gewachsenen Familienbetriebe gerutscht.


Zu sehen ist dies am Veralterungsgrad. Dieser ist das Verhältnis aus aktuellem Buchwert und dem früheren Anschaffungswert. Je niedriger diese Zahl ist, desto älter ist die Produktionstechnik. So fällt dieser bei den klassischen Familienbetrieben mit 38% geringer aus als bei den größeren Betrieben, wo er zwischen 44 und 46% liegt (siehe Übersicht 1).


Weil Baudarlehen in der Regel mit ein bis zwei tilgungsfreien Jahren ausgestattet sind, waren hier noch keine Tilgungen fällig. Oft haben diese Betriebe mit dem Verfall des Milchpreises die Kredittilgung auch noch einmal ausgesetzt, soweit dies in Absprache mit den Banken möglich war. Daher taucht der Tilgungsbetrag dann noch nicht in der Bilanz auf. Demnächst werden auf vielen Höfen zusätzlich die ersten Raten für die in den letzten beiden Jahren aufgenommenen Liquiditätsdarlehen fällig, was erwarten lässt, dass der Kapitaldienst dann noch weiter steigt.


Optimierer sind krisenfest!

Wie krisenfest Ihr Betrieb ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Eine möglichst große Herde ist nicht die Standardantwort.


Fest steht, dass jede Betriebsgröße ihre Vor- und Nachteile hat. Viele Familienbetriebe sind zwar finanziell stabil aufgestellt, ihr wunder Punkt ist meist die Arbeitswirtschaft. So können sie Tiefpreisphasen überstehen, fällt aber nur eine Arbeitskraft aus, kommt der ganze Laden ins Straucheln – krisenfest ist auch das nicht. Die meisten Großbetriebe haben die Arbeitswirtschaft zwar gut am Laufen, bei fallenden Preisen stehen sie vor ganz anderen Herausforderungen: Bankengespräche führen, Löhne für die Mitarbeiter sichern und mit Pächtern verhandeln.


Krisenfest ist vielmehr der Betriebsleiter, der seinen Betrieb „im Griff“ hat. Das betrifft sowohl die Produktionskosten als auch sein Personal- und Risikomanagement in Tiefpreisphasen.


Frühestens jetzt sollten Sie sich fragen: „Ist schnelles Wachstum die richtige Strategie für mich? Oder kann ich mich stabiler aufstellen, indem ich gezielt optimiere, statt den ganz großen Wachstumssprung zu tätigen“


Das unternehmerische Risiko ist dadurch meistens überschaubarer, und statt im wahrsten Sinne des Wortes neue Baustellen aufzumachen, stellen Sie erst einmal die bestehenden fertig.


Tjade Gronau, Maike Schulze Harling

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