Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Aus dem Heft

Wenn die Gemeinde zum Kauf anklopft

Lesezeit: 8 Minuten

Die Gemeinden wollen sich gerade im Umfeld großer Städte gerne Bauland sichern. Wir zeigen, wie Sie mit Anfragen der Kommune umgehen und welche Verträge Ihnen Sicherheit auf einen angemessenen Kaufpreis bieten.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Landwirt Johann Meier ist skeptisch (alle Namen sind von der Redaktion frei erfunden). Heute war ein Gemeindevertreter da, der für ein zukünftiges Baugebiet eine seiner Flächen kaufen will. „Wir wollen mit unserer Gemeinde wachsen und Sie profitieren davon“, hat Matthias Zobel von der Stadt gesagt und gleich den Kaufvertrag für das Grundstück auf den Tisch gelegt. 20 €/m² bietet er Meier für seinen 2,4 ha großen Acker. Das sind in Summe immerhin 480000 €. Meiers Nichte, die bereits vor zwei Jahren im Stadtteil ein Baugrundstück erworben hat, musste 300 €/m² bezahlen. Macht er demnach wirklich ein gutes Geschäft? Meier will sich erst einmal schlau machen, bevor er voreilig den Kaufvertrag unterschreibt.


Kommunen wollen Flächen selbst besitzen


Die deutschen Städte wachsen und somit die Baulandpreise im Umland. Die Gemeinden sind daher immer auf der Suche nach rentablen Flächen. Kaum eine Kommune überplant eine Fläche als Bauland, die ihr nicht selbst gehört. Die Gemeinde versucht erst, sich potenzielle Flächen für Wohnbaugebiete zu sichern und beginnt dann mit den Planungen. Sie weist Grundstücke, Straßen, Spielplätze, Kitas etc. aus und erschließt die einzelnen Grundstücke unter anderem mit Wasser und Abwasserkanälen. Anschließend verkauft sie diese wieder an Dritte, die dort bauen wollen.


Wer einen Hof in Stadtrandlage bewirtschaftet, bekommt daher meist früher oder später entsprechende Anfragen von seiner Gemeinde. Dass diese die Flächen vor der Überplanung besitzen will, und nicht erst das Baugebiet plant, ist nur dann rechtlich zulässig, wenn sie dadurch die bauliche Entwicklung der Gemeinde sichert.


Der Bundesgerichtshof (BGH) sagt hier allerdings, dass so ein Vorgehen nur zulässig ist, wenn der Grundeigentümer einen marktgerechten Preis für sein Grundstück erhält. Dabei darf die Gemeinde beim Zwischenerwerb nur von der Wertsteigerung des Grundstücks profitieren, wenn sie auch das Planungsrisiko (erhöhter Grundstückskaufpreis und Planungskosten) trägt. Die Wertsteigerung beträgt oft bis zu 50 bis 70%.


Marktgerechter Grundstückspreis


Zahlt die Kommune keinen marktgerechten Kaufpreis, gilt der Vertrag nach dem Gesetz als sittenwidrig und ist damit unwirksam. Dann muss die Gemeinde den Vertrag rückabwickeln. Das kann bedeuten, dass sie eine auch schon überplante Fläche an den Verkäufer zurückgeben muss. Die Verjährungsfrist hierfür beträgt zehn Jahre. Dafür muss allerdings der Kaufpreis der Gemeinde deutlich niedriger sein als der Marktwert bzw. der Verkehrswert des Grundstücks. Der BGH hat hier entschieden, dass der Kaufpreis im Vertrag dafür mindestens 90% unter dem Verkehrswert liegen muss, z.B. wenn die Stadt 30 €/m² bietet, die Fläche aber mindestens 300 €/m² wert ist. Dabei gilt der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Vertrags. Erfolgt nach der Bauleitplanung eine Wertsteigerung, muss das nicht zwingend im Vertrag stehen. Allerdings gibt es hier Vertragsmodelle, die eine Nachbewertung mit einbeziehen (siehe Tipp Seite 30).


Meier will daher wissen, wie hoch der Marktwert seines Grundstücks tatsächlich ist, um mit einer starken Position in die Verhandlungen mit der Stadt zu gehen. Denn das Grundstück, dass seine Nichte gekauft hat, war schließlich schon komplett überplant und erschlossen. Ihm ist auch klar, dass sich diese Kosten im Kaufpreis widerspiegeln werden. Daher will er einen Gutachter den Wert seines Grundstücks schätzen lassen. Je nach Umfang des Gutachtens wird ein öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter 0,5 bis 1% des Verkehrswertes verlangen.


Option auf einen Kauf


Der Gutachter möchte zunächst einmal wissen, welchen Status Meiers Land hat. Im Moment gilt Meiers Grundstück noch als Bauerwartungsland. Meier nimmt an, dass sich die Gemeinde das Grundstück jedoch schon vorzeitig sichern will, bevor der Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplans beschließt. Erst wenn das Aufstellungsverfahren mit den öffentlichen Auslegungen abgeschlossen ist und der Gemeinderat den Bebauungsplan als Satzung beschlossen hat, dürfen dort Häuser gebaut werden. Meier zeigt dem Gutachter ebenfalls seinen Kaufvertrag. Im Vertrag, den Zobel ihm gegeben hat, steht, dass der Kauf erst zustande kommt, wenn das Grundstück auch tatsächlich als Bauland ausgewiesen ist.


Es ist ein sogenannter aufschiebend bedingter Vertrag. Das bedeutet, dass der Kauf rechtlich erst wirksam ist, wenn der Bebauungsplan in Kraft tritt. Die Rechtsprechung setzt hier nämlich einen anderen Beurteilungszeitpunkt an. Sie besagt, dass der Wert des Grundstücks erst dann zu beurteilen ist, wenn der Vertrag auch tatsächlich wirksam ist.


In Meiers Falle also, wenn das Land als Bauland eingestuft wird. Der Gutachter erklärt Meier, dass diese Klausel einen starken Einfluss auf den Kaufpreis für das Grundstück hat. Denn der Verkehrswert des Grundstücks steigt, je nach Entwicklungsstadium der Bauleitplanung. Weil die Gemeinde bei so einem Vertrag kein Planungsrisiko trägt, müsste sie auch einen höheren Kaufpreis für das Grundstück zahlen.


Entwicklungsstadien des Baugrundstücks


In welchem Entwicklungsstadium sich ein Grundstück befindet, definiert die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV). Demnach gibt es vier unterschiedliche Stufen von Bauland:


  • Flächen der Land- und Forstwirtschaft ohne Bauerwartung
  • Bauerwartungsland: Darunter fallen Flächen, die eine bauliche Nutzung auf Grund konkreter Merkmale erwarten lassen. Hierzu gehören einerseits besondere örtliche Gegebenheiten wie die Lage eines Grundstücks, aber auch rechtliche Gesichtspunkte wie der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan. Schon vor dem Aufstellungsbeschluss können hierzu auch Vertragsklauseln zählen, nach denen bei Vorliegen eines Bebauungsplans besondere Rechtsfolgen im Vertrag gelten.


So kann ein Gutachter Optionen, Rücktrittsrechte oder Nachbewertungsansprüche im Vertrag schon als konkrete Tatsachen einer Bauerwartung werten. Dann sind fast sämtliche Grundstücksgeschäfte, die im Zusammenhang mit einer Bauleitplanung stehen, auf der Basis von Bauerwartungsland zu bewerten.


  • Rohbauland: Rohbauland sind Flächen, die im Bebauungsplan stehen, deren Erschließung jedoch noch nicht gesichert ist.
  • Baureifes Land: Auf diesem Land befinden sich eingeteilte Grundstücke, die auch schon durch Straßen erschlossen sind. Der Wert für baureifes Land ist typischerweise der Bodenrichtwert der Gutachterausschüsse. Den Bodenrichtwert kann jedermann anfordern.


Wert der Fläche


Meier stellt fest, dass er aktuell Bauerwartungsland besitzt. Jetzt will er wissen, was dieses wert ist. Bei Bauerwartungsland hängt der Bodenpreis davon ab, wie weit der Stand der Bauleitplanung der Gemeinde ist. Oft gibt es keine konkreten Preise und die Werte sind pauschale Prozentsätze vom Preis für baureifes Bauland. Dabei gibt es folgende Abstufungen, je nachdem wie weit das Baugrundstück von erschlossenen Flächen weg liegt. Denn je höher die Erschließungskosten, desto geringer der Wert des Grundstücks.


  • 15 bis 40% des Preises für baureifes Land gibt es, wenn die Fläche am Ortsrand liegt und in absehbarer Zeit entwickelt werden kann. Die Gemeinde hat allerdings noch keine Planungen für die Fläche aufgestellt. Daher hat die Gemeinde die Flächen im Flächennutzungsplan noch nicht als Wohnbauflächen dargestellt.
  • 25 bis 40% des Wertes vom baureifen Land sind angemessen, wenn die Gemeinde den Flächennutzungsplan aufgestellt hat. Ist die Fläche darin als Wohnbaufläche ausgewiesen, so könnte Meier 25 bis 50% des Werts vom baureifen Land ansetzen.
  • 35 bis 60% des Wertes für baureifes Land sind fällig, wenn der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst hat.
  • 50 bis 70% des Preises für baureifes Land könnte Meier verlangen, wenn die Aufstellung des Bebauungsplans noch weiter vorangeschritten ist, z.B. wenn die Gemeinde den Bebauungsplan schon öffentlich ausgelegt hat.


Was Meier allerdings laut ImmoWertVO weiß ist, dass der Preis für Bauerwartungsland immer unter dem von Rohbauland liegen muss.


Das Rohbauland unterscheidet sich vom baureifen Land dadurch, dass es noch nicht erschlossen ist. Der Wert für das Land ist einfach zu beziffern: Preis für baureifes Land minus Erschließungskosten. Gerade für die Neuerschließung eines Gebietes können Erschließungskosten in teilweise gleicher Höhe wie die Bodenlandpreise auftreten. Welcher Wert beim jeweiligen Vertrag anzusetzen ist, richtet sich nach dem Einzelfall.


Meiers Gutachter kommt zu dem Schluss, dass das Grundstück des Landwirts mindestens 30% des Preises für baureifes Land wert ist. Baureifes Land kostet in Meiers Region im Durchschnitt 270 €/m². Daraus ergibt sich dann ein Quadratmeterpreis für seine Fläche von 81 €; insgesamt bekommt er für seine Fläche dann 1944000 €. Das ist deutlich mehr als die 20 €/m², die ihm Herr Zobel geboten hat. Meiers Rechtsanwalt gibt ihm außerdem den Tipp, in seinem Vertrag eine Nachbewertungsklausel einzubringen. Dann kann Meier sicher sein, auch an dem Wertzuwachs durch das Baugebiet auf seiner (noch) Fläche zu profitieren (s. Tipp). Insgesamt ist der Landwirt froh, dass er sich beraten lassen hat, da er so deutlich sicherer in die Verhandlungen mit der Stadt gehen kann.


maike.schulze-harling@topagrar.com


maike.schulze-harling@topagrar.com


maike.schulze-harling@topagrar.com


In einer der nächsten Ausgaben lesen Sie, welche steuerlichen Aspekte Sie beachten müssen, falls Sie auf Ihren Flächen gemeinsam mit der Gemeinde Bauland entwickeln.


Unser Autor


Rechtsanwalt Mathias Reitberger,München

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.