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Wie die Bürger über Nutztiere denken

Lesezeit: 6 Minuten

Das Töten von Nutztieren ist erlaubt, wenn diese zuvor ein gutes Leben hatten. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage der Universität Göttingen über die Wertvorstellungen der Deutschen zur Nutztierhaltung.


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Wie stehen die Deutschen zum Haus- und Nutztier? Wie intensiv kann man Tiere nutzen? Und darf man sie auch töten? Das sind Fragen, die sich unmittelbar auf den Fleischkonsum auswirken und damit auf die Zukunftsperspektiven deutscher Landwirte.


Um Antworten auf die grundlegenden tierethischen Positionen und moralischen Wertmaßstäbe der Verbraucher zu bekommen, befragte die Universität Göttingen im August 2017 im Rahmen einer Onlineumfrage 1049 Bürger.


Die Stichprobe ist hinsichtlich Geschlecht, Alter und Schulbildung repräsentativ für die deutsche Bevölkerung (Übersicht 1).


Nutztiere wie Haustiere:

Für knapp die Hälfte der Befragten hat der Mensch keine grundsätzlich höhere Stellung als das Tier (Übersicht 2, Seite 22). Etwas weniger als ein Drittel der Teilnehmer sieht das allerdings völlig anders. Für sie steht der Mensch moralisch über dem Tier.


Eindeutiger ist das Ergebnis bei der Bewertung von Nutz- und Haustieren. Die meisten Befragten (88%) machen keinen Unterschied zwischen Nutz-, Haus- und Wildtieren. Für sie sind alle Tiere gleichermaßen zu schützen und zu behandeln.


Es gibt einen Wertewandel.

Die Argumentation, „es sind doch nur Nutztiere“, passt also nicht mehr zur aktuellen Moralvorstellung der Bürger in Deutschland. Hier hat sich in den vergangenen Jahren ein Wertewandel vollzogen. Nutztiere nehmen heute einen höheren Stellenwert in der gesellschaftlichen Wahrnehmung ein.


Dieser Wertewandel wird auch daran sichtbar, dass 85% der Befragten der Meinung sind, dass Tiere ein Recht darauf haben, mit Würde behandelt zu werden (Übersicht 3, Seite 22). Die früher häufiger zu hörende Position, „die werden doch ohnehin geschlachtet“, vertreten nur noch wenige.


Tiere zu nutzen ist dabei für die allermeisten in Ordnung. Jedoch sind 94% der Befragten der Meinung, dass der Mensch es den Tieren „schuldig“ ist, ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Dieser neue Deal „gutes Leben gegen Nutzung bzw. spätere Schlachtung“, scheint ein zentrales Element bei der Bewertung des Umgangs mit Nutztieren zu sein.


Jedenfalls sprechen zwei Drittel der Umfrageteilnehmer den Menschen das Recht ab, Tiere uneingeschränkt nutzen zu dürfen.


Schmerzfrei Töten:

Bei der Tötung von Tieren zeigt sich ein ähnliches Bild. Eine uneingeschränkte Tötung lehnen 80% der Befragten ab (Übersicht 4, Seite 22). Sie akzeptieren die Schlachtung allerdings mehrheitlich (63%), wenn diese unter Ausschluss von Schmerzen erfolgt.


Es fällt auch auf, dass der Anteil der Bürger, die ein Töten von Tieren „eigentlich“ ablehnen (22%), deutlich größer ist als der aktuelle Anteil der Vegetarier in Deutschland, die gegenwärtig etwa fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung ausmachen.


Dies könnte darauf hindeuten, dass sich eigentlich ein deutlich größerer Anteil der Bevölkerung vegetarisch ernähren möchte, als es aktuell der Fall ist. Dies ist eine für die Landwirtschaft wichtige Erkenntnis.


Wenn der Berufsstand nicht möchte, dass der Anteil ethisch-motivierter Vegetarier noch weiter zunimmt, ist es klug, die moralischen Bedenken der Bürger ernst zu nehmen.


Was heißt das?

Die Ergebnisse machen deutlich, dass sich die Einstellung der Deutschen gegenüber Nutztieren verändert hat. Obwohl diese zum Beispiel als Lebensmittel- und Lederlieferant sowie für vieles andere mehr genutzt werden, haben sie für die Menschen einen ähnlichen moralischen Stellenwert wie Haustiere.


Zudem ist vielen die Würde von Tieren sehr wichtig. Das darf man nicht mit einer „Vermenschlichung“ von Nutztieren verwechseln. Aber weil Tiere Schmerzen empfinden und Emotionen wie Leid und Freude erleben können, sind die Bürger der Meinung, dass wir Tieren ein Grundmaß an Respekt und Würde schulden.


Die Nutzung von Tieren stellt dies moralisch nicht in Frage, aber eben nicht mehr uneingeschränkt. Neu ist die Erkenntnis, dass ein Großteil der Bürger sich in einer Art „ethischen Verantwortung“ gegenüber dem Tier sieht.


Als Ausgleich für Nutzung und Schlachtung sind wir dafür verantwortlich, den Tieren ein so gutes Leben wie möglich zu bieten. Das Nutztier sollte von seinem Leben auch etwas gehabt haben – was auch immer das dann konkret bedeutet.


Die aktuelle gesellschaftliche Debatte über Tierwohl zeigt, dass viele Bürger den Anspruch an ein „gutes Leben“ über die aktuellen Haltungsbedingungen von Nutztieren nicht erfüllt sehen. Dieser Perspektivwechsel macht die anhaltende Diskussion um die Nutztierhaltung aus Sicht der Gesellschaft nachvollziehbar.


Immer neue „Schreckensmeldungen“ über die Art, wie Tiere gehalten werden, empören die Bürger, weil sie den Eindruck gewinnen, dass die Menschen und konkret vor allem die Landwirte ihren Teil des Deals „gute Haltung gegen Nutzung“ anscheinend nicht erfüllen oder zumindest nicht so erfüllen, wie diese sich das vorstellen.


Welche Konsequenzen ziehen?

Was heißt das nun für die Entwicklung der Nutztierhaltung in Deutschland? Und welche Schlussfolgerungen sollte die Branche aus den Ergebnissen ziehen? Drei Punkte sind unseres Erachtens wichtig:


  • Die Tierhaltung wird zunehmend gesellschaftlich hinterfragt. Jeder fünfte Deutsche lehnt die Nutzung und Tötung von Tieren eigentlich ab.


Da bisher nur ein Viertel dieser Gruppe entsprechend ihrer moralischen Einstellung handelt und auf Fleisch verzichtet, ist zu erwarten, dass der Anteil der Vegetarier und Veganer langfristig weiter zunehmen wird.


Der Fleischkonsum in Deutschland dürfte aus diesem Grund in den nächsten Jahren tendenziell zurückgehen. Bei Schweinefleisch ist eine solche Entwicklung schon seit einigen Jahren zu beobachten.


  • Die große Herausforderung ist es, die Nutztierhaltung so zu entwickeln, dass Tiere ein „gutes Leben“ haben. Damit ist nicht das „Luxusappartement“ für Schweine oder das „Totstreicheln der Tiere“ gemeint.


Aber es muss für Bürger nachvollziehbar werden, dass die Tierhalter die Würde des Tieres achten und die Haltungssysteme künftig besser an den Bedürfnissen der Tiere ausrichten.


  • Die Landwirte müssen in ihrem Handeln und in ihrer Kommunikation deutlich machen, dass auch sie – allem wirtschaftlichen Druck zum Trotz – das nachdrückliche Anliegen haben, ihren Tieren vor dem Schlachten ein „gutes Leben“ zu ermöglichen.


Konkret sollte die Landwirtschaft eigene tierethische Positionen erarbeiten und kommunizieren, aus denen die Sorge des Berufsstands um das Tier als moralische Verpflichtung erkennbar wird.


Kontakt: ludger.schulzepals@topagrar.com

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