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Wie Maschinenringe Senegals Bauern helfen

Lesezeit: 11 Minuten

Aufbruchstimmung in der Landwirtschaft Senegals. Die Bauern dort investieren gemeinsam in Landtechnik. Der Bundesverband der Maschinenringe unterstützt die afrikanischen Praktiker.


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Das westlichste Land Afrikas gilt als Hoffnungsträger der Region. Auch wenn alte ethnische Konflikte schwelen, der Senegal gilt als stabil. Die Landwirtschaft vor Ort dient den meisten Menschen bisher nur zur Selbstversorgung. Das soll sich nun ändern.


Die Luft steht in dem weiten Lehmbau, der zu allen Seiten geschlossen ist. Obwohl draußen tiefhängende Wolken von der Regenzeit zeugen, steigt die Temperatur auf bis zu 40°C. Unter dem rostfreien silbernen Wellblech sammeln sich zwei Dutzend Bauern. Zwischen ihnen stehen drei tief gelbe Schäl- und Dreschmaschinen, die jeweils drei Schächte besitzen. Die Maschinen sind neu, ebenso wie die Halle, in der sie stehen. Sie erleichtern nicht nur die Arbeit der Landwirte hier, sie bringen auch Hoffnung. Und die kommt aus Deutschland.


Hilfe aus Deutschland


Zwei Wochen zuvor, ein heller Besprechungsraum im Haus der Maschinenringe im bayerischen Neuburg an der Donau. Dort sitzen über drei Tische verteilt Lena-Maria Ruß, Maria Maidl und Bernhard Empl. Alle drei arbeiten für den Bundesverband der Maschinenringe. Sie planen und besprechen die letzten Vorbereitungen. Zum Zeitpunkt der Reise, es ist September 2020, gilt Senegal wie fast die ganze Welt als Corona-Risikogebiet. Das Land selbst hat seine Grenzen geschlossen. Rein darf nur, wer Staatsbürger oder vor Ort engagiert ist. Beim Bundesverband der Maschinenringe ist das seit Anfang 2018 der Fall.


„Wir haben Ende 2017 den Projektzuschlag bekommen“, erklärt Lena-Maria Ruß, „seitdem sind drei Maschinenringe mit über 2500 Mitgliedern entstanden.“ Die Maschinenringe im nördlichen Thiès und im südlichen Kolda hat sie bereits 2019 besuchen können. Westlich davon hat sich in Ziguinchor ein dritter ganz neu gegründet. „Die Pandemie hat auch uns ein wenig gebremst“, sagt sie ehrlich. Vor Ort galt eine strenge Ausgangsperre. Das betraf vor allem Jean Bosco Mbom, den Mitarbeiter vor Ort. Der 58-Jährige hat nicht nur einen Doktorgrad in Agrarwissenschaften, er verfügt auch über jahrelange Erfahrungen in der afrikanischen Entwicklungszusammenarbeit.


Mittlerweile sind nicht nur die ersten Kleingeräte bei den lokalen Maschinenringen, auch die erste Landtechnik ist in den Dörfern angekommen. „Als ich das erste Mal im Senegal war“, sagt Bernhard Empl, „gab es fast keine Technik. Höchstens Hacken oder Pflüge in desolatem Zustand.“ Ohne die entsprechende Technik lässt sich die Idee der Maschinenringe jedoch nicht umsetzen. Ein Förderantrag beim Bayerischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wurde schließlich genehmigt. Das Gesamtbudget stammt aus den Töpfen der Entwicklungsorganisation sequa, der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und dem Ministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit. „Mit dem Budget haben wir Kleingeräte wie Pflüge, Hackgeräte oder einreihige Sämaschinen gekauft.“


Diese Geräte kommen nicht aus Europa, sondern werden in einer Schmiede in Kolda hergestellt. Als Nächstes kamen Dresch-, Schäl- und Entkörnungsmaschinen. Die werden ebenfalls vor Ort, in kleinen Firmen, mit zehn oder zwanzig Angestellten, produziert. Lediglich die Dieselmotoren stammen aus dem Ausland. „Diese Technik sind die Grundlage für unsere Vision. Sie sind ein Geschenk, welches sich letztlich aber finanziell selbst tragen muss.“ Die Bauern vor Ort müssen mit den Geräten nicht nur laufende Kosten wie Kraftstoff oder Reparaturen erwirtschaften, „es sollen auch Rücklagen für künftige Investitionen gebildet werden“, fasst Bernhard Empl den Projektplan zusammen.


Dresch- und Schälmaschinen


Zurück in die drückend heiße Halle aus Lehm im Süden des Senegal. Die Luft wird nicht besser, als jemand eine der Schäl- und Dreschmaschinen anschmeißt. Bernhard Empl erklärt, dass diese simple Maschine den Menschen sehr viel Arbeit abnimmt. „Die Ernte der Maiskolben, das Schälen und Mahlen dauert in der Regel Tage.“ In die Abgase mischt sich der Mehlstaub, das durch zwei große Tore einfallende Tageslicht steht in deutlichen Konturen im Raum. „Mit so einer Maschine braucht der Landwirt, je nach Erntemenge, nur ein paar Stunden“, sagt er weiter, während neben ihm der Motor donnert. Die Kosten für diese Schäl- und Dreschmaschinen liegen umgerechnet bei 4000 € pro Stück. Zusätzlich dazu haben die Bewohner eine Halle aus den Einnahmen des Maschineneinsatzes gebaut.


Es sind zwei Faktoren, die staatliche Entwicklungshelfer und private NGOs, aber auch Unternehmen aus aller Welt, in das Land locken: Nach afrikanischen Maßstäben ist der Senegal stabil, gehört aber dennoch zu den am wenigsten entwickelten Ländern weltweit. Noch immer leben über 70 Prozent der Menschen von der Landwirtschaft und Fischerei, jeder dritte Einwohner des Landes hat weniger als zwei Dollar am Tag zur Verfügung. Dabei ist das Land mit seinen fast 17 Millionen Einwohnern seit Jahren im Aufschwung – zumindest in Teilen. Auch in Senegal profitieren zuerst die urbanen Regionen, allen voran der Großraum Dakar, von den neuen Aufstiegschancen. Der ländliche Raum hinkt hinterher. Abseits der Felder gibt es oft nur wenig Arbeit.


Junge Leute sollen nicht in die Städte abwandern


Leonard Faye ist Geschäftsführer der Caritas Kolda. Die katholische Hilfsorganisation ist im muslimisch geprägten Senegal an vielen Orten präsent und sehr geschätzt. Ohne ihre organisatorische Hilfe wäre das Projekt nur schwer möglich. Leonard Faye sieht in der Mechanisierung der Landwirtschaft vor Ort eine große Bleibeperspektive für junge Menschen. In gutem Englisch – und damit ist er eine Ausnahme – erklärt er leidenschaftlich, „dass die harte und wenig ertragreiche Arbeit sich bessern muss, damit die junge Generation nicht in die Städte geht.“


Leonard Faye ist es wichtig zu betonen, dass es den Menschen auf dem Land nicht schlecht geht. Sie haben Zugang zu Wasser und Strom, die Häuser sind aus Lehm und Stein, nicht aus Wellblech. Die Ernten sind stabil, dennoch muss ein großer Teil der Lebensmittel importiert werden. „Die Menschen hier haben Träume,“ sagt Leonard Faye, unterstreicht dabei jede Silbe. „Die eigene Ernte soll nicht mehr nur zum Überleben reichen“, was mit den bisherigen Mitteln aber nicht funktioniert.


An der Seite von Leonard Faye steht Faustin Thiawe. Er ist Geschäftsführer des regionalen Maschinenring Kolda und ebenfalls bei der Caritas angestellt. Er versteht Englisch gut, es zu sprechen traut er sich nicht. Er führt die kleine Delegation aus Deutschland aus der Maschinenhalle raus auf ein entlegenes Reisfeld. Dort wird deutlich, was Leonard Faye, der Geschäftsführer der lokalen Caritas, mit seinem Appell und den Perspektiven für den ländlichen Raum meint. Im hüfthohen Reis steht eine Frau, die in ihrem traditionellem orange-gelben Kleid, Boubou genannt, aus dem satten Grün heraussticht. Ihr Blick ist ernst, ihre Geschichte ist es auch.


Die 30-Jährige hat sieben Kinder zur Welt gebracht, zwei davon musste sie bereits wieder beerdigen. Trotz einer allgemeinen Schulpflicht hat sie nach eigenen Angaben keinen einzigen Tag in der Schule verbracht. Sie bewirtschaftet einen Viertel Hektar Reis.


Horaye Balde, so heißt die Frau, versorgt mit dem Reis ihre Familie. Das wenige was übrig bleibt, verkauft sie an Nachbarn. Ihr Mann hat noch drei weitere Frauen. Obwohl sie selbst kein Wort spricht, erzählt die Szene eine ganze Geschichte. Sie beginnt in gebückter Haltung den Boden zwischen den Pflanzen umzubrechen. Alles, was sie dafür zur Verfügung hat, ist eine einfache Handhacke, an deren Ende ein rostiger Metallzinken klemmt. In diesem Moment scheint die Sonne durch die seit Stunden dünner werdende Wolkendecke. Schlagartig wird es noch heißer. Das Gesicht von Houraye Balde glänzt, Schweiß tropft von ihrer Stirn in den dunklen Boden. Die Arbeit in den Reisfeldern übernehmen traditionell die Frauen. Jetzt wird klar, wie groß ein Viertel Hektar sein kann.


Mit einfachsten Handhacken


So sieht die Arbeit auf den kleinen Feldern der Bauern hier aus. Es überwiegt die kräftezehrende und zeitraubende Arbeit mit der Hand und einfachsten Geräten. Wenn der Projektplan unter dem Druck der Pandemie eingehalten werden kann, wird Houraye Balde sowie ihr Maschinenring von weiteren Geräten profitieren. Schon im kommenden Jahr soll eine kleine Egge die Handhacke ersetzen. Eine Maschine kann dabei helfen, das vorgekeimte Saatgut auszubringen und auch ein Wandel bei den Anbausorten könnte kommen, hofft Bernhard Empl. „Aktuell werden Reissorten mit langer Vegetationszeit angebaut, aber durch den Klimawandel können Sorten mit kürzerer Vegetationszeit sinnvoller werden.“ Das Saatgut wird unter anderem vom senegalesischen Institut für landwirtschaftliche Forschung gezüchtet.


Auf mineralischen Dünger werden sie aus Kostengründen wohl auch weiter verzichten. Faustin Thiawe erklärt, dass die Menschen stattdessen „den Dünger der Tiere, abgestorbene Mangoblätter, das Fallobst der Bäume verwenden.“ Dazu kommt faserreiche Erde aus dem Wald, der die kleine Parzelle von Houraye Balde umschließt.


Zum Projektziel gehört jedoch viel mehr als die bloße Mechanisierung mit europäischen Geldern. Maria Maidl erklärt, dass die Maschinenringe und Bauern auch mithilfe von Apps effektiver arbeiten sollen. „Mit einer Traktor-App sollen große Maschinen auf regionaler Ebene ausgelastet werden, eine Vermarktungs-App soll den Bauern bessere Preise bringen.“


Die bewirtschafteten Flächen sind klein, ebenso wie die Erntemengen der einzelnen Landwirte. Der Maschinenring soll zukünftige Ernten zusammenführen und an den Großhandel zu besseren Preisen ausschreiben. Eine weitere App soll ständig aktuelles Wissen zur Verfügung stellen.


„Einfache Videos zur Maschinenbedienung“, erklärt Maria Maidl, „ebenso wie anschauliche Lernvideos zu neuen Anbautechniken machen den Menschen Wissen zugänglich.“ Die neuen Maschinenringe sollen den Bauern langfristige Sicherheit und Bleibeperspektiven bieten. Das ist es, was Leonard Faye mit den Träumen der Menschen hier meint.


Der Status, den Senegal in Afrika innehat, ist zerbrechlich. Leonard Faye sagt, dass Senegal ein Vorreiter, den meisten afrikanischen Staaten ein großes Stück voraus ist. Er sagt aber auch, dass dieser Zustand immer wieder wankt. Im Januar 2021 rücken Regierungssoldaten in die dichten Wälder südlich von Ziguinchor vor. In der Casamance schwelt einer der ältesten Konflikte Afrikas, noch immer befinden sich versteckte Waffendepots der Rebellen im Regenwald. In Dakar sterben Anfang März 2021 mindestens acht Menschen bei gewaltsamen Protesten. Ein bei jungen Senegalesen äußerst populärer Oppositionspolitiker wurde verhaftet, was zu den schweren Unruhen führte.


Gleichzeitig müssen die Bauern immer mehr Felder am gleichnamigen Fluss aufgeben. „Der Meeresspiegel steigt, die Böden versalzen,“ erklärt Leonard Faye das Problem. Zudem breitet sich die Wüste im Norden des Landes immer weiter aus, was ebenfalls zu sinkenden Ernten führt.


Wird die Arbeit auf den Feldern leichter, steigen die Erträge und die Einkommen, dann können diese Verbesserungen wesentlich dazu beitragen, dass das Land stabil bleibt. Der letzte Schritt der Mechanisierung sind je ein Traktor pro Maschinenring, drei insgesamt. Ausgerüstet sind sie mit einer Scheibenegge und einem Kipper für den Warentransport, hergestellt wurden sie in Indien.


Lena-Maria Ruß erklärt, dass diese Landmaschinen ganz bewusst ausgewählt wurden: „Die Traktoren werden extra für diese Länder hergestellt. Sie besitzen nur die wirklich nötige Technik.“


Technik optimal einsetzen


Jetzt geht es darum, dass das Preismodell für die Bauern vor Ort attraktiv ist und das die Technik optimal ausgelastet wird. „Aber auch da machen wir nur Vorschläge, keine Vorgaben. Ob der extra geschulte Fahrer nach Fläche oder Zeit bezahlt wird, müssen die Menschen vor Ort herausfinden und entscheiden.“


In Kolda sitzen sie alle noch einmal gemeinsam am Tisch: Leonard Faye, Faustin Thiawe und Jean Bosco auf der einen Seite, Lena-Maria Ruß, Maria Maidl und Bernhard Empl auf der anderen. Die Themen wechseln ebenso wie die Sprache: In Deutsch, Englisch und Französisch wird erst gescherzt, dann ernst über den westlichen Einfluss auf das Land gesprochen.


Die Landwirtschaft liegt allen am Herzen, einigen auch im Blut. Sie wissen, dass ihre Arbeit hier etwas verändern kann und dass sie auf einem guten Weg sind.


Jetzt geht es darum, dass die erzielten Erfolge langfristig nachwirken, dass sich die Idee der solidarisch organisierten Landwirte verbreitet. Gelingt das, dann kann der Erfolg dazu beitragen, dass das westlichste Land Afrikas seine Vorreiterrolle behält und die Menschen Schritt für Schritt ein besseres Leben führen können.


guido.hoener@topagrar.com


guido.hoener@topagrar.com


guido.hoener@topagrar.com


Das Video zur Reportage finden Sie im Netz unter Youtube.com auf dem Kanal der Maschinenringe Deutschland.


Unser Autor


Patrick Fischer arbeitet für den Bundesverband der Maschinenringe in Neuburg a.d. Donau. Er war selbst in Afrika.

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