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Wie Videotelefonie unseren Alltag verändert

Lesezeit: 7 Minuten

Videotelefonate haben mit Beginn der Pandemie deutlich zugenommen – auch in der Landwirtschaft. Doch was taugt die Technik? Wo ist sie hilfreich, wo stößt sie an Grenzen?


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Landwirt Jörn Ehlers ist auf der Autobahn unterwegs, als wir ihn erreichen. Er sitzt hinter dem Steuer seines Autos. Daher können wir „nur“ telefonieren.


Vor Kurzem war er mit seiner Frau auf der A1. „Dabei saß ich auf dem Beifahrersitz und habe während der Fahrt mit dem Handy an einer Videokonferenz teilgenommen“, erzählt der Vizepräsident des Landvolkes in Niedersachsen. Ehlers nutzt damit eine Technik, die in den vergangenen Wochen für viele Landwirte und Berater nicht schleichend, sondern schlagartig Teil des Alltags geworden ist. Schließlich wurden mit dem Kontaktverbot selbst aus kurzen Distanzen unüberwindbare Entfernungen. Wichtige Gespräche in den Verbänden, Termine mit der Bank oder dem Pflanzenschutzberater verlegten die meisten in die virtuelle Welt. Doch was bleibt nach der Pandemie von den Bildschirmrunden? Sind sie ein Phänomen, das mit dem Virus gekommen ist und mit dem Virus wieder verschwindet? Wir haben uns umgehört.


Ehlers hatte vor Corona kaum Berührungspunkte mit den Onlinekonferenzen und auch Vorbehalte. Mit der Pandemie änderte sich das und die Skepsis ist der Überzeugung gewichen, dass die Videotelefonie mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt. „Die zeitfressenden An- und Abfahrt zu den Besprechungen fallen zum Beispiel weg“, berichtet er begeistert. Denn Zeit ist in seinem Alltag ein knappes Gut. Sein Terminkalender ist randvoll und ganz nebenbei bewirtschaftet er einen Hof in Kirchlinteln bei Verden mit 175 ha und mästet 2000 Schweine.


Flexibel und Zeitsparend


Ähnliches berichtet auch Jonas Hedt-rich. Er ist Ökonomie- und Verfahrenstechnikberater beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen in Petersberg und leitet den Arbeitskreis Digitalisierung. Das erste Treffen hat er mit zwölf Landwirten Corona-bedingt via Skype abgehalten (siehe auch Seite 33). „Die Landwirte fanden es sehr praktisch, da wir so Termine flexibel gestalten konnten“, berichtet er. Mit dabei war Biobauer Dietmar Kranz. Er bewirtschaftet einen Betrieb in Wiesbaden, Südhessen. „Die anderen Landwirte im Arbeitskreis kamen aus Nordhessen. So hätte ich für das Treffen eineinhalb Stunden fahren müssen“, sagt er. Die meisten Teilnehmer lernte er zum ersten Mal kennen. „Für mich war das nicht viel anders als bei einem persönlichen Treffen. Wir hatten über das gemeinsame Thema Digitalisierung direkt einen guten Draht zueinander.“


Telefongespräche schwierig


Ein paar Hundert Kilometer weiter westlich sitzt Johann Kalverkamp in seinem Büro der VR Agrarberatung in Lingen. Er und sein Team standen zu Beginn der Pandemie vor einem Pro-blem: Die Zahl der Beratungstermine sank abrupt. Zunächst versuchte er, mit Telefonkonferenzen den Betrieb aufrechtzuerhalten. „Damit sind wir aber schnell an Grenzen gestoßen“, so der gelernte Land- und Handelsfachwirt. In den Gesprächen mit seinen Kunden gehe es fast immer um Zahlen und der Blick in die Bilanz des Mandanten sei meistens unumgänglich. „Am Telefon lassen sich schlecht Deckungsbeiträge oder Cashflow-Berechnungen erklären“, musste Kalverkamp feststellen.


Relativ schnell schwenkte er daher auf Videokonferenzen um. Klarer Pluspunkt für diese Technik: Der Berater kann seinen Bildschirm mit dem Kunden teilen. Eine Funktion, die mittlerweile die meisten Programme anbieten. Alle Teilnehmer an der Konferenz können so zeitgleich auf ein- und dasselbe Dokument blicken.


Die Vorteile dieser Technik hebt auch Ackerbauer Herbert Lisso aus Falkenstein/Harz in Sachsen-Anhalt hervor. Er hatte mit seinem Steuerberater Stefan Heins aus Kiel ein Treffen in dessen Kanzlei vereinbart. Dann kam Corona und beide trennten zudem 400 km. Kurzerhand verlegten sie die Besprechung in die virtuelle Welt.


„Videochats sparen nicht nur Zeit und Geld, sie sind auch effizient.“, betont Lisso, der rund 1300 ha bewirtschaftet. „Wir waren mit sechs Teilnehmern in der Konferenz, in der wir über die Neugründung einer Gesellschaft gesprochen haben. Durcheinanderreden geht da nicht.“ Es müsse alles relativ straff ablaufen. Für Heins steht nach den ersten Gesprächen bereits fest: „Wir werden die Technik künftig öfter einsetzen.“


Steven Janßen, Teamleiter Landwirtschaft und Ernährung bei der DKB in Oldenburg (Nds.), hat noch einen weiteren Vorteil an der Videotelefonie ausgemacht. „Normalerweise fahren wir nur ein- bis zweimal im Jahr zu unseren Kunden. Per Videoanruf könnten wir vier- bis fünfmal im Jahr mit jedem sprechen“, so der Banker. Er kann sich auch vorstellen, bei Kreditgesprächen den Steuer- und Unternehmensberater seiner Kunden mit in die Konferenz einzuladen. „Das ist einfacher, als wenn sich alle vor Ort treffen müssen.“


Nicht nur die Betriebsleiter, auch der Nachwuchs musste in den vergangenen Wochen vermehrt online gehen, wie z.B. an der Justus-von-Liebig-Schule in Vechta. „Während des Vortrags haben die Schüler die Möglichkeit, über die Chatfunktion Fragen zu stellen“, berichtet Berufsschullehrer Detlef Breuer. Ob die Schüler dem Onlineunterrricht folgen konnten, kontrolliert er am Ende des Webinars mit einem kurzen Quiz.


Breuer würde gerne auch nach der Coronakrise einige Schulstunden weiter online abhalten. „Wir schaffen deutlich mehr Stoff. Außerdem haben wir die Möglichkeit, noch mehr mit externen Referenten zusammenzuarbeiten, da diese nicht extra anreisen müssen.“


Mehr Vor- als Nachteile


Zeit, Effizienz, Komfort – es sind vor allem die drei Gründe, weshalb alle unsere Ansprechpartner auch nach Corona die Bildschirmrunden nicht aus ihrem Alltag streichen wollen. Sogar Verbindungsprobleme gab es kaum. Fast alle berichten von stabilen Gesprächen – selbst dort, wo das Internet weniger gut ausgebaut ist. ▶


Dem klaren Bekenntnis folgte dennoch oft ein „Aber“. Zwar eröffne die Videotelefonie neue Möglichkeiten, stoße aber an Grenzen. „Die virtuelle Welt wird die analoge nicht ersetzen“, darin ist sich Steuerberater Bernhard Billermann von der Alfred-Haupt-KG in Münster (NRW) sicher. Er betreut schon seit Jahren Mandanten in den USA – und zwar per Videochat. Was er aus langjähriger Erfahrung weiß: Emotionen und Gestik bleiben in Videoschalten auf der Strecke. Es falle schwer, das Gesagte einzuordnen, wenn man nur das Gesicht sehe. „Die Körperhaltung spielt eine größere Rolle, als ich vermutet habe“, so Billermann.


Ähnlich sieht es auch Antonia Küter, Unternehmensberaterin bei der Landwirtschaftskammer NRW in Borken. Aufgrund der Corona-Situation hat die Agraringenieurin per Videoanruf sogar mit ihren Landwirten Flächenanträge bearbeitet. „Das klappte einwandfrei. Bei einem Beratungs- oder Strategiegespräch muss ich den Landwirten aber gegenübersitzen. Ansonsten ist die Vertrauensbasis eine andere.“


„Im Vorfeld sollte man sich gut überlegen, wo ein persönliches Treffen und wo ein Videochat besser geeignet ist“, so Jörn Ehlers. Vor allem heikle Themen würde er ungerne virtuell besprechen. „Streiten kann ich mich im persönlichen Gespräch besser als in der digitalen Welt“, scherzt er.


Eigene Spielregeln


Was sich ebenfalls herauskristallisiert aus den ersten Erfahrungen mit der digitalen Technologie: In der virtuellen Welt gelten andere Spielregeln. Ganz wichtig: Nacheinander sprechen, den anderen ausreden lassen usw. Eigentlich Selbstverständlichkeiten. Doch Telefonkonferenzen verzeihen Fehler nicht so gut wie herkömmliche Treffen und werden dann schnell unproduktiv. Das liegt vor allem an den Tücken der Technik: So werden bei mehreren Teilnehmern immer nur diejenigen mit Bild eingeblendet, die gerade sprechen. Wenn andere Teilnehmer „aus dem Off“ dazwischen reden, wird es für die übrigen verwirrend. Sie wissen nicht, wer gerade spricht. Bei Gesprächen mit mehreren Personen bietet es sich an, einen Moderator zu bestimmen. Der kann dann das Gespräch strukturieren und koordinieren, wer wann an der Reihe ist.


Steven Janßen von der DKB ist davon überzeugt: „Die Kontaktbeschränkung ist für uns eine Blaupause. Wir sammeln Erfahrungen und müssen daraus lernen.“ Dann habe die Videotelefonie mehr Vor- als Nachteile.


diethard.rolink@topagrar.com

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