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„Wir brauchen eine Annäherung“

Lesezeit: 5 Minuten

Was ändert die Coronakrise am Verhältnis der Verbraucher zur Landwirtschaft? Der Chef der Verbraucherzentralen Müller wartet auf ein Signal für die Zukunftskommission.


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Herr Müller, wie offen sind die Verbraucher für höhere Lebensmittelpreise wegen der Coronakrise?


Müller: Bisher sehen wir eine bemerkenswerte Solidarität für alle, die wegen der Coronakrise in Probleme geraten. Das gilt auch für Landwirte. Aber die Solidarität darf nicht überbeansprucht werden. Wenn die Krise weit über April hinaus geht, werden die Budgets der Verbraucher knapper.


Erwarten Sie eine Rückbesinnung auf die Produktion von Lebensmitteln vor Ort?


Müller: Dass regionale Lebensmittel geschätzt werden und einen höheren Preis erzielen können, beobachten wir seit Jahren. Der Handel bestätigt die Zahlungsbereitschaft dafür. Es gibt Wertschätzung für kurze Wege, für Lebensmittel, deren Erzeugung ich beobachten kann und die einen wertvollen Beitrag für unsere Kulturlandschaft leisten. Aber die Lebensmittelproduktion ist global stark vernetzt und das sorgt für eine große Angebotsvielfalt. Ich halte nichts von Protektionismus.


Die Bauernproteste haben Wertschätzung eingefordert. Nun stellt die Landwirtschaft ihre Systemrelevanz heraus. Welchen Eindruck macht das?


Müller: Natürlich sind der Gesundheitsbereich, die Banken, der Handel und die Landwirtschaft systemrelevant. Ich warne aber davor, den Begriff überzustrapazieren. Wir erleben eine hohe Wertschätzung für Landwirte und ihre Erzeugnisse. Es fällt Verbrauchern aber schwer nachzuvollziehen, was in der Landwirtschaft heute passiert. Da brauchen wir eine Annäherung.


Wird das Verständnis wachsen, wenn Erntehelfer aus der Bevölkerung auf die Höfe kommen?


Müller: Ob es hilft, zwar hochmotivierte, aber letztendlich ungelernte Erntehelfer einzusetzen, muss jeder Landwirt selbst entscheiden. Die Bereitschaft und das Signal der Menschen sind aber großartig.


Die Mitarbeit kann zu mehr Verständnis führen. Jeder, der mal auf einem Feld bei der Ernte geholfen hat, wird danach auch einen anderen Blick auf Lebensmittel haben – und eventuell auch etwas mehr dafür ausgeben.


Sie fordern den Umbau der Tierhaltung, sind aber aus der Borchert-Kommission ausgetreten, warum?


Müller: Wir haben in der Kommission von Anfang an gerne und engagiert mitgearbeitet. Wir finden 90% der Empfehlungen richtig, etwa dass Tierwohl und Tiergesundheit messbar werden. Aber wir sind bei der Frage nach einer Fleischsteuer anderer Meinung. Leider sollte es keine Minderheitenvoten zu Einzelfragen geben, sonst wären wir dabeigeblieben. Die Tierhaltung muss tierschutzgerechter werden, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu halten. Höhere Standards werden zu höheren Preisen für Fleisch- und Wurstwaren führen.


Welche Finanzierung schlagen Sie denn vor?


Müller: Wir schlagen eine Umschichtung bestehender Steuermittel vor. Ich bin dafür, den Umbau der Tierhaltung mit Investitionszuschüssen und für eine gewisse Zeit mit Produktionszuschüssen zu unterstützen. Das muss aus dem Bundeshaushalt bewältigt werden. Zudem sollten die EU-Förderprogramme für die Tierhaltung geöffnet werden. Dort stehen erhebliche Mittel bereit.


Ist im Bundeshaushalt nach der Coronakrise noch Geld dafür da?


Müller: Sollte die Krise bis Anfang Juni beendet sein, kann die Wirtschaft das Wachstum in diesem Jahr weitestgehend nachholen. Dann werden wir in den folgenden Monaten und Jahren finanzielle Möglichkeiten haben, um in der Landwirtschaft ein besseres Tierschutzniveau zu erreichen. Wenn die Krise länger anhält, werden die Spielräume geringer.


Bei der EU-Agrarförderung stellen Artenvielfalt, Insekten- und Klimaschutz große Herausforderungen dar. Wo soll da Geld übrigbleiben?


Müller: Solange Milliardenbeträge nach wie vor in die erste Säule fließen, gibt es hier die Möglichkeit davon auch etwas zum Umbau der Tierhaltung zu verwenden.


Wie stehen Sie zu der Empfehlung für ein Tierwohllabel?


Müller: Der Weg von Frau Klöckner ist richtig: national freiwillig zu beginnen und es dann in einem Schwung europäisch verbindlich zu machen. Die Holländer und Dänen sind vorangegangen. Wenn Deutschland nachzieht, kann dies eine Dynamik auf EU-Ebene auslösen.


Die Bundesregierung hat die Einrichtung einer Zukunftskommission Landwirtschaft beschlossen. Sind Sie dabei?


Müller: Wir haben aus den Medien erfahren, dass der Bauernverband und Land schafft Verbindung ein Konzept vorgeschlagen haben. Es wundert mich, dass bisher keiner von beiden in der Sache den Draht zu uns gesucht hat. Wenn beiden etwas an einem Konsens liegt, dann müssen sie dafür sorgen, auch in einen Dialog zu kommen. Bisher ist das leider nicht erfolgt.


Kann so ein Start der Zukunftskommission bis August noch gelingen?


Müller: Wenn man möchte, dass die Kommission Erfolg hat, muss man zügig auf die Akteure zugehen, die man sich in der Kommission wünscht. Und sich dann gemeinsam verständigen, was der Auftrag der Zukunftskommission sein soll. Die Stimme der Verbraucher halte ich da für sehr wichtig. Sie sollen es am Ende bezahlen.


Welche Themen wollen Sie in die Kommission einbringen?


Müller: Uns ist wichtig, dass Prozessqualitäten sichtbar werden. Ob Lebensmittel tiergerecht hergestellt wurden, ob sie regional oder importiert sind. Das kann ich am Preis nicht erkennen. Da gibt es ein Marktversagen. Das Mantra, alle Lebensmittel seien gleich gut, ist verheerend. Es führt dazu, dass Verbraucher sich für das preiswerteste Lebensmittel entscheiden.


Plädieren Sie für weitere Label?


Müller: Verbraucher wollen klar erkennen können: Welche Lebensmittel sind gesund? Dazu ist Nutri-Score gut. Wie hat das Tier gelebt? Das geht mit dem Tierwohlkennzeichen. Und woher kommt mein Lebensmittel? Dazu braucht es eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung.


stefanie.awater-esper@topagrar.com

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