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„Wir denken in Kreisläufen“

Lesezeit: 6 Minuten

Die niederländische Agrarministerin Carola Schouten spricht im top agrar-Interview über die Ziele ihrer Kreislaufstrategie, ihre Pläne für die EU-Agrarförderung und den Abbau von Tierbeständen.


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Die Niederlande wollen Vorreiter in der Kreislauflandwirtschaft werden. Was steckt hinter Ihrer Strategie?


Schouten: Wir wollen die Landwirtschaft bestmöglich auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereiten. Ziel ist es, wieder stärker in Kreisläufen zu arbeiten. Das gilt für die Fütterung, Düngung, Pflanzenschutz und viele andere Bereiche. Da gibt es noch viele ungenutzte Potenziale.


Wie viel Zeit nehmen Sie sich dafür?


Schouten: Unsere Strategie geht bis zum Jahr 2030.


Was soll die Strategie bringen?


Schouten: Das steigert die Effizienz der Landwirtschaft, reduziert die Umweltwirkungen, verbessert die Bodenqualität, senkt die Emissionen und hat Vorteile für die Biodiversität und beim Klimaschutz. Im Idealfall ist die Kreislauflandwirtschaft eine Win-win-Situation für die Landwirte und die Gesellschaft.


Wie wollen Sie Ihre Strategie umsetzen?


Schouten: Wichtig ist, dass sich der Kreislaufgedanke in der gesamten Gesellschaft durchsetzt: in der Wirtschaft, beim Verbraucher und beim Handel. Auch unsere Gesetze und Regeln gehen noch nicht alle in Richtung Kreislaufwirtschaft. Das gilt zum Beispiel für unser Düngegesetz. Wenn wir in den Niederlanden die Standards anheben, müssen wir den Landwirten dafür aber auch faire Preise bezahlen. Sonst ist es für sie unmöglich, so zu produzieren.


Wie wollen Sie das schaffen?


Schouten: Darüber diskutieren wir bei uns derzeit sehr intensiv. Der Druck auf die Landwirte ist hoch. Sie müssen viele Auflagen einhalten und bekommen dafür zu geringe Preise. Deshalb wollen wir ihre Stellung in der Lebensmittelkette stärken.


Was kann die Regierung dazu beitragen?


Schouten: Erstens wollen wir Zusammenschlüsse fördern. Bei den Verhandlungen mit den Verarbeitern und dem Handel sind Erzeugerzusammenschlüsse immer stärker als der Einzelne. Zweitens müssen wir die Transparenz auf den Märkten verbessern. Wir haben ein Informationsportal für die Milchbranche gestartet. Dort gibt es eine Beschwerdestelle, bei der sich Produzentenorganisationen melden können, wenn sie den Eindruck haben, dass bei den Kontraktverhandlungen höhere Standards nicht ausreichend vergütet worden sind. Wir prüfen dann, ob das zutrifft und vermitteln.


Ist die Verringerung der Tierbestände auch Ziel Ihrer Strategie?


Schouten: Nicht das Ziel aber eine Folge der Kreislaufwirtschaft. Wir haben damit bei den Schweinen bereits begonnen. Wir müssen in neue Stallsysteme investieren, um die Emissionen zu senken. Wer unter den neuen Vorgaben für seinen Betrieb keine Zukunft mehr sieht, dem wollen wir helfen, auszusteigen. Dafür haben wir 200 Mio. € reserviert. Davon sind 125 Mio. € für Ausstiegsprämien und 75 Mio. € für Innovationen vorgesehen.


Wie hoch sind die Prämien pro Platz?


Schouten: Die Ausstiegsprämien orientieren sich am aktuellen Schweinepreis. Daher gibt es keinen festen Ausgleichsbetrag pro Stallplatz.


Die Tiere sollen künftig mit regionalen Futtermitteln gefüttert werden. Wie wichtig ist dann noch Importsoja?


Schouten: Ein Grundprinzip der Kreislaufwirtschaft ist die Fütterung mit Reststoffen aus anderen Produktionsprozessen. Wenn wir das bis 2030 verbessern, werden wir weniger Soja und andere Importfuttermittel benötigen. Gleichzeitig arbeiten wir in Europa an einer Ackerbaustrategie mit weiteren Fruchtfolgen. Wir müssen nach Wegen suchen, wie wir die Futterversorgung regionalisieren können. Regional bedeutet für mich, es stammt aus Europa. Damit können wir auch die Emissionen beim Transport der Futtermittel von Südamerika nach Europa begrenzen.


Hat die Niederlande genug landwirtschaftliche Nutzfläche dafür?


Schouten: Deshalb denken wir in Kreisläufen und achten auf größtmögliche Verwertung. Wir müssen Ressourcen nutzen, die wir heute noch gar nicht verwerten. Das ist auch eine Frage der Regulierung. Teilweise erlauben wir Landwirten bisher nicht, bestimmte Reststoffe als Futtermittel zu nutzen.


Welche Rolle spielt der Ökolandbau in Ihrer Strategie?


Schouten: Unsere Strategie gilt für alle Landwirte. Kreislaufwirtschaft ist für den ökologischen Landbau von besonderer Bedeutung. Wir haben aber keine speziellen Zielmarken für den Ökolandbau in den Niederlanden. Die Diskussion bei uns dreht sich um die Frage, wie wir Landwirtschaft insgesamt mit dem Schutz von Natur und Biodiversität verbinden können. Dafür gibt es nicht nur den einen richtigen Weg.


Wie wirkt sich Ihre Kreislaufstrategie auf die niederländischen Agrarexporte aus? Werden diese sinken?


Schouten: Wenn wir die Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft innovativ angehen, ist weiterhin ein hohes Exportniveau möglich. Unsere Agrarwissenschaftler von der Universität Wageningen haben Szenarien erarbeitet, wie der Futter-Dünger-Kreislauf auf globaler, europäischer und nationaler Ebene geschlossen werden kann. Die Kreislaufwirtschaft kann die Stellung der Niederlande auf dem Weltmarkt sogar stärken. Kreislauflandwirtschaft ist mit Blick auf einen weltweit steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln einerseits und der Verantwortung für Biodiversität und Klimaschutz andererseits dringend erforderlich.


Ihre Phosphat-Quoten bremsen vor allem die Milchproduktion. Welche Bilanz ziehen Sie aus der Maßnahme?


Schouten: Die Quoten waren notwendig. Natürlich stellt die Reduzierung der Phosphatgehalte unsere Landwirte immer noch vor große Herausforderungen. Vor allem die Milchviehhalter haben eine sehr harte Zeit hinter sich. Aber es ist uns gelungen, damit den Phosphatanfall zu senken. Das haben wir der EU versprochen und das haben wir auch geschafft.


Die EU verhandelt noch über ihren Haushalt von 2021 bis 2027. Sind die Niederlande bereit, nach einem Brexit mehr Geld nach Brüssel zu überweisen, um den Agraretat wieder anzuheben?


Schouten: Es geht nicht nur darum, mehr Geld zu haben, sondern darum, wofür wir das vorhandene Geld ausgeben. Wenn ich Deutschland mit den Niederlanden vergleiche, stellen wir mehr Geld dafür bereit, um den Klimaschutz und die Biodiversität in der Landwirtschaft zu verbessern. Wir wollen 40% des EU-Agrarbudgets dafür nutzen, Klimaschutz- und Umweltmaßnahmen der Landwirtschaft zu honorieren. Es ist sinnvoller, das Geld für unsere gemeinsamen Ziele auszugeben, statt es nur in Direktzahlungen zu stecken. Wenn wir Landwirte für die Erreichung unserer Ziele bezahlen, werden Sie sich damit beschäftigen.


Werden die Niederlande auch die Kürzungen in der 2. Säule mittragen?


Schouten: Wir sind da sehr realistisch. Wenn wir weniger Geld haben, sollten wir nach Wegen suchen, das vorhandene Geld effizienter einzusetzen. Wenn in einer Familie das Geld knapper wird, fragt diese ja auch nicht die Nachbarn, ob diese die Lücke stopfen. Sondern sie sucht nach Wegen, mit dem Geld auszukommen, was zur Verfügung steht.


Die EU-Kommission will den Mitgliedstaaten mehr Spielraum bei der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) lassen. Ist das richtig?


Schouten: Ja. Die Mitgliedstaaten sollten mehr Befugnisse bekommen, wie sie die gemeinsamen Umweltziele erreichen wollen und für welche Maßnahmen sie Geld ausgeben wollen. In Europa gilt oft der Grundsatz: eine Regelung für alle. Das ist falsch, weil es sehr große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt. Deshalb finden wir die nationalen Strategiepläne gut. Vor Ort muss entschieden werden, wo das Geld am effektivsten wirkt.


Was sollte die EU im GAP-Vorschlag noch nachbessern?


Schouten: Wir haben weiterhin die Sorge, dass die Kommission immer noch zu sehr auf Details achtet, statt auf die langfristigen Ziele, die sie mit der GAP erreichen will. Zu detaillierte bürokratische Vorgaben aus Brüssel demotivieren unsere Landwirte.


stefanie.awater-esper@topagrar.com

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