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„Wir können die Fäden zusammenführen“

Lesezeit: 6 Minuten

Die Landfrauen wollen einen Gesellschaftsvertrag für die Landwirtschaft aktiv mitgestalten. Landfrauenpräsidentin Petra Bentkämper spricht im Interview über ihre Ziele in der Agrarpolitik.


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Frau Bentkämper, welchen Stellenwert hat Agrarpolitik in Ihrem Amt?


Bentkämper: Wir Landfrauen sind zu vielen Themen aufgestellt. Ich bin seit Juli 2019 Präsidentin und der Fokus auf die Landwirtschaft ist unglaublich groß.


Melden Sie jetzt einen größeren agrarpolitischen Gestaltungswillen an?


Bentkämper: Wir haben seit Herbst ein Positionspapier, in dem wir einen Gesellschaftsvertrag für die Landwirtschaft fordern. Unser Ansatz ist auf großes Interesse in Politik und Wissenschaft gestoßen. Wir machen ganz deutlich: Denkt auch in der Agrarpolitik an die Frauen! Sie sind Unternehmerinnen in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum. Wir haben die Erzeugerin und die Verbraucherin im Verband und sind schon immer im Erzeuger-Verbraucher-Dialog. Wir können die Fäden zusammenführen.


Was soll in den Vertrag rein?


Bentkämper: Gesellschaftsvertrag bedeutet, dass wir miteinander ins Gespräch kommen und zwar alle. Da steht nicht nur die Landwirtschaft im Fokus, sondern auch die Wirtschaft, der Lebensmittelhandel, die Verbraucher. Wir müssen gemeinsam konkrete Zielbilder fixieren und dafür Lösungen finden. Damit wir es schaffen, dass die Landwirte wieder langfristiger planen können und ein Auskommen haben.


Wie schnell kann das gehen?


Bentkämper: Dass so etwas gelingen kann, hat die Borchert Kommission mit ihren Empfehlungen zur Nutztierhaltung gezeigt. Da sind in weniger als einem Jahr unglaublich gute Ergebnisse herausgekommen. Wir brauchen für die vielen agrarpolitischen Themen noch eine Menge anderer ‚Borcherts‘. Es wäre gut, wenn der Prozess im Laufe dieses Jahres startet.


Wie bewerten Sie die Stimmung seit den Bauernprotesten?


Bentkämper: Land schafft Verbindung ist es gelungen, aufzurütteln und Gesellschaft und Politik aufmerksam zu machen auf die Nöte auf den Höfen. Aber jetzt muss gearbeitet werden. Wir müssen Ziele definieren, wo wir hinwollen und Lösungen finden. Dabei müssen wir alle, die viel Kraft in die Proteste investiert haben, mitnehmen. Die Bauernverbände sind jetzt mit ihren Netzwerken gefragt.


Die EU entscheidet 2020 über die Finanzen bis 2027. Was fordern Sie?


Bentkämper: Wir erwarten, mindestens ein stabiles EU-Agrarbudget. Wir hoffen, dass sich auch Deutschland endlich eindeutig dafür einsetzt. Es sollte keine überproportionalen Kürzungen in der zweiten Säule geben.


Welche Prioritäten setzen Sie bei der Verteilung des Agrarbudgets?


Bentkämper: Landwirte sind neben der Produktion in vielen Bereichen unterwegs, etwa bei der Pflege der Kulturlandschaft. Ich erlebe, dass bei jungen Landwirten die Bereitwilligkeit da ist, sich um die brisanten Themen Umwelt- und Naturschutz zu kümmern. Aber es muss dafür Sicherheiten geben. Diese Leistungen müssen finanziert werden.


Unterstützen Sie einen Wandel von pauschalen Direktzahlungen zur konkreten Bezahlung von Leistungen?


Bentkämper: Die Landfrauen stehen einer zunehmenden Ausrichtung der Direktzahlungen an Umwelt-, Klima- und Tierwohlzielen nach dem Prinzip öffentliches Geld für öffentliche Leistungen offen gegenüber. Ich halte das für eine große Chance. Es geht darum, über die Diversifizierung Möglichkeiten zu finden, den Naturschutz zu einem zusätzlichen Einkommensfeld zu machen und die Betriebe damit am Laufen zu halten.


Sie waren bei den Gesprächen zum Insektenschutzgesetz dabei. Wie war Ihr Eindruck?


Bentkämper: Die Bundesregierung hält noch zu viele Fragen offen: Wie viele Hektar sind deutschlandweit betroffen? Wie definiert sie artenreiches Grünland? Das ist für einen Erfolg beim Insektenschutz, an dem der Landwirtschaft gelegen ist, kontraproduktiv.


Wird es Lösungen geben, mit denen die Landwirte leben können?


Bentkämper: Wenn die Landwirtschaft beim Insektenschutz allein nach vorne gestellt wird, tut das den Landwirten und deren Familien weh. Die Lichtverschmutzung und die steinernen Gärten gehören dazu. Natürlich muss die Landwirtschaft etwas tun, wenn sie 50% der Fläche Deutschlands beackert. Landwirtschaft, Naturschutz und Gesellschaft können von unten zusammenwachsen. Vor Ort gibt es gute Ansätze. Das funktioniert deutschlandweit und sehr schnell.


Unterstützen Sie den Vorschlag der Borchert Kommission für eine Abgabe auf tierische Produkte?


Bentkämper: Wir finden, die Fleischabgabe ist eine gute Maßnahme. Es muss nun gelingen, die Türen so zu öffnen, dass auch die Verbraucherschützer wieder mit reinkommen. Wir Landfrauen werden das Fleischthema dieses Jahr aufgreifen, auch den Fleischkonsum. Ich bin gespannt, worauf sich Verbraucherinnen und Landwirtinnen einigen.


Ist ein Umbau der Nutztierhaltung in Stufen bis 2040 zu schaffen?


Bentkämper: Die Zielmarke ist sehr ambitioniert. Ob es sich in der Schnelligkeit umsetzen lässt, bin ich nicht sicher. Wir brauchen dafür finanzielle Sicherheiten für die Landwirte. Und es muss klar sein, dass dieser Umbauplan über 20 Jahre und über Regierungswechsel hinaus Bestand hat.


Erwarten Sie, dass sich an der Preispolitik des Handels etwas ändert?


Bentkämper: Das, was wir zur Stärkung der Landwirtschaft brauchen, lässt sich nicht über den Verbraucher allein hereinholen. So lange noch etwas Billigeres da ist, wird der Verbraucher danach greifen.


Was sollte der Handel tun?


Bentkämper: Der Ansatz, mehr regionale Produkte in die Regale zu holen, funktioniert. Das spricht den Verbraucher an. Da sehe ich noch mehr Möglichkeiten, Landwirte direkter einzubeziehen und Mehrwerte zu schaffen.


Wie zufrieden sind Sie mit Landwirtschaftsministerin Klöckner?


Bentkämper: Ich erlebe, dass ihr die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland ein echtes Anliegen ist und sie die Arbeit unserer Landwirtinnen und Landwirte sehr schätzt. Sie muss eine Menge ausbaden, was ihre Vorgänger auf die lange Bahn geschoben haben.


Sie fordern eine Frauenquote für landwirtschaftliche Gremien. Wie hoch sollte die sein?


Bentkämper: Die Erfahrung zeigt leider, dass es ohne Frauenquote nicht geht. Ich bin überzeugt, dass die Zukunft der Landwirtschaft nur dann eine Chance hat, wenn wir die Gremien überall auch mit Frauen besetzen. Das wäre das Signal in die Gesellschaft. Herr Rukwied hat selbst gesagt, dass der Verband jünger und weiblicher werden muss. Es fehlt aber an einer überzeugenden Willkommenskultur.


Was muss der Bauernverband tun?


Bentkämper: Er muss seine Strukturen so verändern, dass sie für Frauen attraktiv sind. Frauen müssen Betrieb, Familie und Ehrenamt unter einen Hut bekommen. Es geht um Sitzungszeiten, die Vereinbarkeit ermöglichen. Außerdem brauchen Ehrenamtliche auch immer wieder gute Qualifizierungsangebote. Das alleinige Bekenntnis, ihr seid willkommen, motiviert keine Frau, sich in die Männergremien zu begeben. Und die Frauen, die schon da sind, müssen stärker sichtbar sein, um als Vorbild zu motivieren.


Westfalen hat verpasst, die erste Bauernpräsidentin zu wählen. Wann wird es eine schaffen?


Bentkämper: In Westfalen wurde eine große Chance vertan. Es gehört eine Menge Mut und Wissen dazu, sich bis zu einer Kandidatur durchzusetzen. Die Kollegen im Bauernverband wissen selber, dass es allerhöchste Zeit für eine Bauernpräsidentin ist. Je früher desto besser.


stefanie.awater-esper@topagrar.com

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