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„Wir müssen direkt an den Verbraucher ran“

Direktvermarktung nach Athen

Lesezeit: 4 Minuten

Für die Bauern aus dem Dorf Marathon ist die Direktvermarktung im 42,195 Kilometer entfernten Athen zur Überlebens-Strategie geworden.


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Hier lief er also los, der legendäre Bote Pheidippides. Im Jahr 490 v. Chr. informierte er die Athener darüber, dass ihre Armee die Invasion durch die Perser in der Schlacht von Marathon abgewendet hatte. Kurz nach dem ersten Marathon-Lauf der Geschichte brach er vor Erschöpfung tot zusammen.


Heute, mehr als 2 500 Jahre später, ist dieselbe Route für viele Landwirte überlebenswichtig geworden. Die Direktvermarktung auf Athener Bauernmärkten ist für sie das beste Konzept, um die während der Krise ständig gestiegenen Kosten durch höhere Erlöse auszugleichen. „Manche von ihnen produzieren sogar weniger als zuvor, um auch wirklich alles selbst verkaufen zu können“, sagt der selbstständige Agrarberater George Daskas (58) aus Marathon. Seiner Einschätzung nach lohnt sich die Vermarktung über Land- und Großhändler überhaupt nicht mehr.


Rund 2 000 Landwirte gibt es in der Region Marathon, auf durchschnittlich zwei Hektar bauen sie fast ausschließlich Sonderkulturen auf beregneten Ackerflächen und in Gewächshäusern an. Weil sie ihre Gewächshäuser im Winter beheizen müssen, sind es vor allem die gestiegenen Stromkosten, die ihnen zu schaffen machen.


YouTube als Berater:

Grund genug für die Bauern in Marathon, um mit findigen neuen Ideen das Überleben ihrer Betriebe sicherzustellen. Einer von ihnen ist Manolis Chorianopoulos (27), der seit drei Jahren im Betrieb seines Vaters mitwirkt. Um den Athener Verbrauchern eine Belieferung mit vielseitigen Gemüsekisten vom eigenen Betrieb anbieten zu können, wollte er nach seinem Einstieg zusätzliche Kulturarten anbauen. Mangels staatlicher Beratungsangebote setzte er dabei vor allem auf das Internet als Informationsquelle: „Wie man Zucchinis und Kopfsalat anbaut, habe ich auf YouTube gelernt“, so Chorianopoulos. Nur in Detailfragen musste er auch auf die kostenpflichtige Hilfe von Daskas zurückgreifen. Das Resultat: Dank seiner Präsenz auf den Märkten von Athen und seinen bei den Kunden beliebten Gemüsekisten kann er gänzlich auf Zwischenhändler verzichten.


Die umgekehrte Strategie verfolgen mitunter die griechischen Supermärkte. Wenige Kilometer von Chorianopoulos‘ Hof entfernt, treffen wir auf Dimitri Kallias (40). Eine Supermarktkette stellte den gebürtigen Münchener und Agrarwissenschaftler vor rund einem Jahr als Betriebsleiter ein. Seitdem kümmert sich Kallias mit rund 25 Mitarbeitern um Tomaten und Gurken auf 18 ha Gewächshaus-Fläche. Die Supermarktkette kommt das wesentlich günstiger, als wenn sie ihr Gemüse vom Großhandel beziehen müsste. Landauf, landab verfolgen die Supermärkte seit einigen Jahren diese Strategie.


Bessere Jobs in Griechenland:

Dem Hydrokultur-Experten Kallias kam das sehr gelegen: „Meine beruflichen Möglichkeiten sind in Griechenland wesentlich vielfältiger als in Deutschland. Damit meine ich nicht das Gehalt, sondern die Chance, hier am Aufbau neuer Betriebe mitzuwirken“, so der Münchener mit griechischen Wurzeln. Seine Mitarbeiter stammen vor allem aus Indien und Pakistan. Das ist für die Landwirtschaft auf dem gesamten griechischen Festland seit Jahrzehnten auch typisch. Die Inder und Pakistanis sind nicht nur bereit, für weniger Geld zu arbeiten, sondern auch als Gemüse- und Obstbauexperten respektiert. Wegen ihres Know-hows und ihres Arbeitswillens waren ihre Arbeitsplätze auch während der Krise sicher – sagen zumindest die Griechen.


Daskas‘ Herz schlägt indes eher für die alteingesessenen Kleinbauern als für die Großbetriebe. Er freut sich, dass die meisten von ihnen die Krise gut überstanden haben. „Wir mussten direkt an den Verbraucher ran, und hier in Marathon haben wir das auch geschafft“, stellt er zufrieden fest. Mehr Unterstützung für die Bauern würde er sich dagegen von den staatlichen Beratungsstellen wünschen, auch wenn die eigentlich seine Konkurrenz sind. Für die Branche hält er eine Know-how-Offensive trotzdem für unabdingbar. „Solange die Bauern sich neue Anbauverfahren auf YouTube aneignen müssen, besteht hier Nachholbedarf“, so der Berater.

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