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Zwei Ostfriesen in der Altmark

Lesezeit: 6 Minuten

Von null auf 145 Kühe in fünf Jahren: 1992 gründeten die Studienfreunde Hartwig Grabau und Herbert van Lengen ihre Ostfriesen GbR in Hohenberg-Krusemark in Sachsen-Anhalt.


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Eine gehörige Portion Mut und sehr viel Schaffenskraft: Das brachten Hartwig Grabau und Herbert van Lengen mit, als sie 1992 nach Hohenberg-Krusemark bei Stendal in Sachsen-Anhalt kamen. „Die Straße vor dem Hof war nur ein Schotterweg“, erinnert sich Hartwig Grabau. Seine Großmutter floh noch 1944 aus dem Dorf in der Altmark nach Ostfriesland. Nach dem Mauerfall hierher zurückzukehren, war für den Ostfriesen etwas ganz Besonderes. Auch seine Großmutter konnte diesen Schritt noch miterleben.


Wo heute ein Hof mit Milchviehstall, Melkroboter, Biogasanlage und zwei großen Wohnhäusern steht, war ’93 nur Wiese und Ackerland. Grabau stieg nicht allein in die Landwirtschaft ein. Herbert van Lengen, ebenfalls waschechter Ostfriese und Grabaus Studienfreund aus Göttingen, war bereit, die Landwirtschaft gemeinsam als GbR aufzubauen.


„Der Mauerfall war für mich eine echte Chance, um in die Landwirtschaft einzusteigen. Hier hatte ich die Möglichkeit, etwas eigenes aufzubauen“, erinnert sich Herbert van Lengen. Hartwig Grabau hat sich damals bewusst gegen den Betrieb seines Vaters in Niedersachsen entschieden. „Der kleine Milchviehhof hatte einfach keine Zukunft“, sagt er.


Heute sind die Freunde beide 53 Jahre alt. Damals, mit 25 Jahren, schliefen sie ein Jahr lang in einem kleinen Zimmer im Dorf. Die erste Zeit über pendelten sie noch zwischen der lebendigen Studentenstadt Göttingen und dem verschlafenen Hohenberg-Krusemark hin und her. „Wir wurden hier mit offenen Armen empfangen“, sagt Herbert van Lengen. „Nach dem Melken abends um neun waren hier aber sogar beim Schützenfest schon alle Buden dicht.“ Im September ’92 hatten sie dann endlich alle rechtlichen Hürden genommen. Die beiden Freunde gründeten ihre Ostfriesen GbR. „Grabau und van Lengen GbR klang einfach nicht originell genug. Die Ostfriesen GbR bleibt hier in der Umgebung doch besser in Erinnerung“, sagt Hartwig Grabau lachend.


Abenteuer Landwirtschaft


Mit ihnen starteten fünf weitere Höfe im Dorf. Davon zwei Wiedereinrichter. Von den ursprünglichen 500 ha Ackerland und Wald der Großeltern, konnten die GbR-Partner gut 170 ha von der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) zurückpachten. Der Rest der Flächen war zum größten Teil aufgesiedelt.


Mit der zugeteilten Milchquote starteten Grabau und van Lengen dann ’93 mit den ersten sechs Jersey-Kühen und einem mobilen Milchtank in die Milchviehhaltung. „Die Jerseys waren dank der fettigen Milch ein guter Start. Die Probleme holten wir uns später ins Haus, als wir anfingen, Kühe für die große Herde zuzukaufen“, sagt Hartwig Grabau rückblickend.


Neustart im Osten


Denn nach und nach zogen nicht nur die Schwarzbunten von Hartwig Grabaus elterlichem Hof in die Altmark. Zusätzlich kauften die beiden Landwirte Milchviehherden mit je zwanzig bis dreißig Kühen aus Anbindehaltung im Westen auf. „Was wir nicht bedacht hatten, waren die Krankheiten, die damit in den Stall kamen. Ein BHV1-Ausbruch in der Herde hat uns ’94 besonders hart getroffen“, sagt van Lengen. Insgesamt gab es in den Startjahren der GbR viele Gründe, aufzugeben. „Die ersten Sommer waren trocken, dann kam die Nässe. Als wir ’94 den Tretmiststall eingeweiht haben, stand der Rohbau in einer Wassergrube“, sagt Herbert van Lengen. Nach dem Stallbau lebten beide fünf Jahre lang in einer kleinen Wohnung im Kuhstall. Weil das Futter vom Grünland in den trockenen Jahren nicht ausreichte, kauften sie Futter zu. Mit der Zeit verstanden sie, mit den neuen Böden und Witterungsbedingungen umzugehen.


Sie hielten durch, bauten ’98 das erste Wohnhaus rechts vom Hof, dann ’99 das zweite links vom Stall gelegen. 2010 gingen sie dann ihr vorerst letztes Bauprojekt an, eine kleine Biogasanlage mit 250 kW hinter dem Stallgebäude.


Stabil und stetig


„Seit 1995 ist unsere Kuhzahl stabil bei 145 Kühen. Wir drehen lieber an den kleinen Stellschrauben, um den Betrieb wirtschaftlich zu halten“, sagt Herbert van Lengen. So haben sie zum Beispiel immer wieder ihre Fruchtfolgen verändert, um die Flächen zwischen 20 und 80 Bodenpunkten optimal zu bestellen und mit der eigentlich typischen Sommer-Trockenheit umzugehen. „Mit Luzerne, Feldgras, Gerste, Roggen und Mais sind wir jetzt zufrieden“, sagt Grabau.


„Uns war immer wichtig, Entscheidungen zu treffen, die zur Betriebsgröße passen“, sagt Herbert van Lengen. Die Pachtpreise um den Hof gehen in den vergangenen Jahren durch die Decke. „Das steht in keinem Verhältnis mehr und wir müssen mit einem Betrieb ja gleich zwei Familien versorgen“, sagt der Landwirt. Nicht nur die zahlreichen Biogasanlagen in der Region machen den Boden knapp, auch die Baugrundstücke werden immer attraktiver. „Sobald wir den Anschluss an die Autobahn haben, sind es nur 30 Minuten bis Magdeburg“, sagt Hartwig Grabau. Auch im Dorf selbst gibt es kaum Leerstand. Im Gegenteil, im Kindergarten sind alle Plätze belegt. „Hier wohnen viele junge Familien, das bringt Leben ins Dorf“, sagt Grabau.


Auch an ihrem 1992 abgemachten System der Arbeitsteilung halten die Landwirte fest. An jedem zweiten Wochenende hat einer der beiden frei. Im Sommer machen beide zehn Tage Urlaub. „Ich weiß jetzt schon, an welchem Wochenende im Juni ich mich mit Freunden verabreden kann“, sagt Hartwig Grabau. Auch zu wissen, dass immer jemand auf dem Hof ist, der die Abläufe kennt, schätzt er an der GbR. „Unsere Privatleben halten wir aber komplett getrennt“, sagt Herbert van Lengen. Für ihn ist das der wichtigste Erfolgsfaktor in der fast 20-jährigen GbR-Geschichte.


Geteilte Last


„Wir arbeiten gut zusammen, Hartwig ist gern im Stall, ich bin der Ackerbauer. Große Entscheidungen treffen wir gemeinsam, in seinem Arbeitsbereich hat jeder freie Hand“, sagt er. „Seit zehn Jahren unterstützt uns zudem unser Mitarbeiter Ingo Dettmann.“ Auch die zwei Melkroboter haben den Alltag der GbR-Partner deutlich entlastet. Auf die heutige Milchleistung von 10983 Liter pro Kuh bei 3,98% Fett und 3,38% Eiweiß sind van Lengen und Grabau nach den vielen Jahren voller Probleme stolz.


Wie es in der Zukunft weitergeht? „Wir hatten mal überlegt, eine Milchtankstelle am Wanderweg vorm Hof anzubieten. Aber unser Standort ist dafür nicht geeignet“, sagt Herbert van Langen.


Ein Zuhause gefunden


Beide Männer haben in der Altmark ihre Familien gegründet. Die ersten erwachsenen Kinder sind schon fürs Studium vom Hof gezogen. „Ich bin hier angekommen. Vor allem, wenn ich im Frühjahr durch die kilometerweit blühenden Rapsfelder laufe, fühle ich mich richtig wohl“, sagt Hartwig Grabau.


Wer den Hof in den nächsten Jahren weiterführt? Das steht noch nicht fest. Hartwig Grabaus Töchter haben sich für einen anderen Berufsweg entschieden. Einer von Herbert van Lengens Söhnen könnte sich vorstellen, in die Landwirtschaft einzusteigen. „Im Moment ist es aber noch zu früh, solche Entscheidungen zu treffen“, sagt der dreifache Vater.


katharina.meusener@topagrar.com


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