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Erfurt

Mehr Trumpen? Rukwied äußert sich zu Kritik an seiner Person

Beim Deutschen Bauerntag in Erfurt sprachen Mitglieder, aber auch Rukwied selbst, Defizite in der Verbandskommunikation an. Er würde ja gerne "trumpen", wenn es nicht derart kontraproduktiv sei.

Lesezeit: 9 Minuten

In Erfurt sprach der für vier weitere Jahre bestätigte DBV-Präsident Joachim Rukwied am Freitag auf der 88. Mitgliederversammlung des Verbandes vor 500 Delegierten in seiner Grundsatzrede alle derzeitigen Probleme und Herausforderungen an. Dabei äußerte er sich teilweise ungewöhnlich deutlich, was sich manche Mitglieder schon viel eher gewünscht hätten.

In seiner Rede ging Rukwied zum Beispiel auf die Kritik am Verband und seiner Person ein. So habe die schwierige Lage auf den Märkten und Höfen dazu geführt, dass auch er als Präsident kritisch hinterfragt wird. „Der Kritik muss ich mich stellen, wir sind aber ein Vorstandsteam und führen den Verband gemeinsam“, stellte Rukwied klar.

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Zudem gebe es oft Situationen mit wenig Wahlmöglichkeit, wo sich das Präsidium bei manchen Entscheidungen für das kleinere Übel entscheiden müsse. Dabei würden auch Fehler gemacht. „Manche Mitglieder werfen mir vor, ich sei empathielos und habe keine Emotionen. Ich solle mal draufschlagen, pointiert angreifen, so wie Donald Trump. So einfach ist das aber nicht. Letztes Jahr haben wir dann ein bisschen`getrumpt´, Sie erinnern sich an die Pressemitteilung mit dem Offenbarungseid. Der Staatssekretär vom BMEL hat das als Generalangriff gewertet. Das verfolgte uns den Rest seiner Amtszeit“, schilderte Rukwied.

Er verdeutlichte, dass der DBV immer wieder mal Kante zeige. Beim Thema Bauernmilliarde habe er Lust gehabt zu trumpen, so sehr ärgerte ihn das Thema als Bauer. Im Kollegenkreis hielt man ihn zurück, es wurde eine sachliche, kritische Bewertung, in der der DBV die Bauernmilliarde begrüßt. „Das war ein Fehler, auch weil Ministerpräsident Söder die gleiche Wortwahl benutzte, was mich sehr geärgert hat“, so der Präsident weiter. Das sei falsch gewesen und der Schnelligkeit geschuldet.

Rukwied stellte auch klar, dass trumpen allein nichts nützt, da es nachher darum geht, parteiübergreifend Mehrheiten zu finden. Da müsse man einen Umgang finden, so dass man anschließend noch sachlich weiter miteinander arbeiten kann.

DBV hielt Bauerndemos für zu riskant

In seiner Rede ging Rukwied auch auf die Demonstrationen von Land schafft Verbindung (LsV) ein.

Diese hätten die Wut und die Wucht auf den Höfen deutlich gemacht. Im DBV-Vorstand habe man die Demos aber für zu riskant gehalten und daher nicht teilgenommen. Es bestand Sorge vor einer Eskalation. „Die Demos haben dann aber richtig Drive und Rückenwind gebracht“, so der DBV-Vertreter anerkennend. Bedauerlicherweise sei das jetzt verblasst.

Stattdessen sehe er Entwicklungen hin zur Radikalisierung, etwa durch fragwürdige Symbole. Die ausländischen Vertreter hätten ihm in Brüssel ihre Irritationen mitgeteilt, was da in Deutschland los sei. Rukwied stellte klar, diesen Tendenzen die Stirn zu bieten, der DBV stehe fest zur Demokratie und zu Europa! „Wir dürfen nicht zulassen, dass wir in die radikale Ecke gedrängt werden.“

Was will der DBV anders machen?

Für die kommende Amtszeit versprach Rukwied, den Verband und die Mitarbeit wieder attraktiv zu machen und auf junge Leute zuzugehen. Notwendig sei eine Verjüngung von oben nach unten. „Wir müssen auch offen werden für Frauen. Frauen in den Gremien bereichern uns und bringen andere Sichtweisen hinein. Wir werden daher auch fragen, ob die Satzungen noch zeitgemäß sind. Wir sind offen für einen Wandel“, versicherte der Präsident.

Selbstkritisch sieht er auch die eigene Verbandskommunikation. Dem DBV sei bewusst, dass man da besser werden müsse, allerdings seien die Mittel begrenzt. „Wir hinterfragen uns auch, was wir besser machen müssen, vor allem, um auch junge Menschen zu erreichen“, sagte er und erinnerte an die neuen WhatsApp-Gruppen, in denen sich der Bauernverband engagiert. Sein Appell: „Bitte bringen Sie Ideen ein. Unsere Pressearbeit ist schon top, aber wir haben noch Luft nach oben, gerade in der internen Kommunikation untereinander.“

Kritik aus dem Saal: „Seelen unserer Betriebe mitnehmen“

Aus dem Kreis der Delegierten meldete sich Ulrich Löhr, Landvolk-Vorsitzender Braunschweiger Land. Er habe diese Deutlichkeit in den vergangenen Jahren vermisst. Der DBV habe stattdessen zuviel erklärt und so in der Krise die Seelen der Betriebe nicht erreicht und viele Mitglieder verloren. So sei es LsV gewesen, die die Wut von den Höfen in die Städte getragen hätten. „Ich hätte mir von Ihnen Herr Rukwied mehr Empathie gewünscht. Ich verstehe ihren schweren Stand, gerade bei einer Agrarministerin, die keine Kritik verträgt. Dennoch hätte ich mir manchen Spruch von heute eher gewünscht“, so Löhr.

Als Vorbild nannte er Gewerkschaften, die es doch auch schaffen, auf der Straße mit Westen laut zu protestieren und anschließend im Hotel die ganze Nacht mit der Gegenseite Lösungen auszuhandeln. „Wer gehört und bekannt werden will, muss sich erstmal unbeliebt machen. Man muss dann auch mal einen rauslassen und damit leben, dass Frau Klöckner 14 Tage nicht anruft“, sagte der Landvolkvertreter.

Rukwied entgegnete, die Kritik sein angekommen. Er müsse halt tagtäglich abwägen, wie pointiert er auftreten könne. Seine Devise: „Pointiert, aber immer rational abgewogen.“

Die Delegierte Andrea Rahn-Farr, Vorsitzende Bauernverband Wetterau-Frankfurt wünschte sich in ihrer Wortmeldung, dass künftig Personen aus der zweiten Reihe der Landesbauernverbände für den DBV-Vorsitz wählbar sein müssten. Rukwied zeigte sich in dem Punkt offen und verwies auf die kommenden Satzungsdiskussion in den nächsten Jahren.

"Branchenkommunikation Milch muss gelingen!"

Klaus-Peter Lucht, Vizepräsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, sprach die Branchenkommunikation Milch an, die Rukwied nicht erwähnt hatte. So forderte der Milchviehhalter eindringlich, dass diese einfach gelingen müsse. "Wir brauchen die 80 %, und auch wenn wir nur 76 % erzielen, müssen wir sie trotzdem umsetzen", so Lucht.

Schweinehalter in schlimmster Krise seit Jahrzehnten

In seiner Grundsatzrede machte der Präsident weiter deutlich, in welch schwieriger Lage sich die deutschen Landwirte derzeit befinden. „Die Schweinehaltung befindet sich gerade in der größten Krise seit Jahrzehnten.“ Die corona-bedingten Ausfälle bei Schlachtungen seien verheerend, die Afrikanische Schweinepest breite sich immer weiter aus, die Schlacht- und Ferkelpreise im freien Fall.

Besonders verärgert zeigte er sich in Erfurt über die Preisrücknahme der Schlachtbranche, die nicht nur völlig verfrüht gekommen sei, sondern vom Markt her gar nicht erforderlich war. Gleichzeitig habe die Branche an den Verbraucher ein Signal gesendet, dass Fleisch teurer werden müsse. Für Rukwied eine beispiellose Provokation und ein Affront an alle Bauern in dieser Lage. "So kann man nicht miteinander umgehen!"

Auch die von der Schlachtbranche in die Welt gesetzte Schlachtauslastung von 95 % hält er für unwahr. Nach DBV-Informationen nehmen die Schlachthöfe derzeit gerade einmal 75 % der Tiere ab, was den Schweinestau weiter befeuere. Hier habe der Verband aktiv Druck gemacht, damit die Schlachthöfe offenbleiben und die volle Kapazität erreichen. Von der Politik sei nun parallel eine schnelle, wirksame und unbürokratische Unterstützung für die Schweinehaltung in Deutschland notwendig.

Von top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann auf das Streitthema Ferkelkastration bei ausländischen QS-Betrieben angesprochen, stellte Rukwied klar, dass er hier eine klare Haltung habe: Der Verband fordert eine Zeitschiene, wann die Regeln für alle angeglichen sein müssen. Es dürften keine Abstriche von den QS-Vorgaben gemacht werden!

Immer neue Vorgaben

Auch in anderen Betriebsausrichtungen sei die Lage mehr als angespannt, sei es wegen der erneuten Trockenheit, des niedrigen Milchpreises oder der Ausbreitung des Wolfs.

Rukwied betonte, dass auch geplante gesetzgeberische Maßnahmen die wirtschaftliche Situation in den Betrieben weiter zuspitzen würden. Die nicht fachgerechte Verschärfung der Düngeverordnung, das geplante Aktionsprogramm Insektenschutz oder die Tierschutznutztierhaltungsverordnung werden viele Betriebe ins Aus drängen. „Die Summe dieser Veränderungen ist in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht umsetzbar“, mahnt der Bauernpräsident.

Tierhaltung muss auch zukünftig das Rückrat der deutschen Landwirtschaft sein. Das sehe ich in Gefahr!

Die Bauern seien grundsätzlich zu Veränderungen bereit. Der Bauernverband unterstütze beispielsweise die Vorschläge der Borchert-Kommission zum Umbau der Tierhaltung in Deutschland. Doch noch sei völlig unklar, wie dieser Umbau finanziert werden solle. „Damit dürfen die Bauern nicht alleingelassen werden“, fordert Rukwied.

Besonders die Tierschutznutztierhaltungs-Verordnung wird seiner Befürchtung nach den Strukturwandel massiv beschleunigen. Die verantwortung dafür trage die Politik. "Da wurde ein fauler Kompromiss mit viel zu kurzen Übergangsfristen geschlossen", empörte sich der Landwirt.

Zukunftskommission Landwirtschaft

In diesem Zusammenhang prangerte er eine aus seiner Sicht falsche Zusammensetzung der Zukunftskommission Landwirtschaft an, weil die Bauern da nur zu 25 % vertreten würden. Das sei schon grenzwertig, sagte Rukwied. Dennoch würden die Vorschläge aus dem Bereich Landwirtschaft zu 95 % die Handschrift des DBV tragen, auch wenn letztlich nur einige Punkte Eingang in die Politik finden würden.

Für die Zukunft der Betriebe sind zudem die anstehenden Entscheidungen in Brüssel von großer Bedeutung. Der Deutsche Bauernverband habe hier mit dazu beitragen können, den Mittelfristigen Finanzrahmen (MFR) weitgehend in seinem Volumen zu halten, um so auch die weitere Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sicherzustellen. „Es ist uns gelungen das Budget nahezu stabil zu halten, das sage ich ganz selbstbewusst“, so der Bauernpräsident, der in seinem Amt als Copa-Präsident in den vergangenen drei Jahren aktiv an diesen Verhandlungen mitwirkte.

Was das Mercosur-Freihandelsabkommen angeht, so sieht der Verband aktuell keine politische Mehrheit für den Entwurf, und das sei auch richtig so. Entschlosseneres Handeln wünscht sich Rukwied auch bei Stalleinbrüchen. Es sei die Pflicht der Politik, hier ihrer Verantwortung gerecht zu werden und das Eigentum der Bauern zu schützen.

Zum Wolf berichtete Rukwied über eine große Allianz, die von der Nordsee bis nach Südtirol reiche., Alle Bauernverbände hätten die eine Position, dass der Schutz der Weidetiere vor der Wolfsentwicklung stehen müsse. Inzwischen gebe es erste Erfolge beim Wolfmanagement. In dem Zuge schilderte er die vielen Vorteile der Weidehaltung.

In seiner Ansprache an die knapp 500 Delegierten rief Rukwied den gesamten Berufsstand trotz der extrem angespannten Lage zum Zusammenhalt auf.

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