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Abbau des EU-Agrarbudgets gilt in Brüssel als beschlossene Sache

Nach dem Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag in Brüssel über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021 bis 2027 kristallisiert sich immer stärker heraus, was die europäischen Landwirtschaftsverbände partout nicht wahrhaben wollen: An Kürzungen als Folge des Brexit führt kaum noch ein Weg vorbei.

Lesezeit: 7 Minuten

Nach dem informellen Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag in Brüssel über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021 bis 2027 kristallisiert sich immer stärker heraus, was die europäischen Landwirtschaftsverbände partout nicht wahrhaben wollen: An Kürzungen der Agrar- und Strukturfonds als Folge des Brexit nach 2020 führt kaum noch ein Weg vorbei.


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Verantwortlich dafür ist nicht nur der EU-Austritt Großbritanniens, der ein Haushaltsloch von mindestens 80 Milliarden Euro in die kommende siebenjährige Finanzperiode reißt, sondern vor allem auch die Weigerung von EU-Nettozahler-Staaten, mehr als 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ab 2020 nach Brüssel überweisen zu wollen.


EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der EU-Ratspräsident Donald Tusk bestätigten bei der Abschlusspressekonferenz am Freitagabend unisono, dass eine Modernisierung des EU-Budgets und neue politische Prioritäten im neuen Jahrzehnt mit Abstrichen bei den Agrar- und Kohäsionsfonds in einzelnen Mitgliedstaaten verbunden seien.


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Der Debütant beim Treffen im neuen farbenfrohen Europagebäude am Schuman-Platz, der seit Dezember im Amt befindliche österreichische Ministerpräsident Sebastian Kurz, machte bei seinem ersten Auftritt auf dem Brüsseler Parkett klar, dass nicht länger Deutschland und Frankreich allein die Zukunft der EU strukturieren. Im Namen der vier Nein-Sager Nettozahler-Staaten (Dänemark, Niederlande, Schweden und Österreich) gab Kurz schon bei Ankunft die neue Marschrichtung vor:


„Wir haben eine sehr klare Position. Wir wollen eine starke Europäische Union aber wir vollen auch ein Europa, das sparsam mit den Steuergeldern ihrer Bürger umgeht und die versucht schlanker zu werden, um mehr Budget zur Verfügung zu haben für die großen Fragen wie Sicherheitspolitik, wo wir an einem Strang ziehen müssen. Was wir nicht wollen ist eine zunehmende Belastung der Nettozahler, denn die Nettozahler leisten jetzt schon einen sehr, sehr großen Beitrag“.


Was der 32jährige jüngste Regierungschefs Europas der Alpenrepublik mit einem hohen Ökolandwirtschaftsanteil aussparte, scheute sich sein niederländischer Amtskollege nicht auszusprechen: „Einsparungen sehe ich vor allem bei dem derzeit größten Ausgabenposten des laufenden EU-Budgets, den Agrarausgaben, die derzeit 39 Prozent ausmachen und bei den Strukturfonds mit einem 34prozentigen Anteil im laufenden Budget“. Die EU müsse sich als Ergebnis des Brexits mit dem Gedanken vertraut machen, dass eine kleinere EU einen kleineren EU-Haushalt bedeute. Für Rutte haben Investitionen in Innovationen und die Bewältigung der Migration Vorrang.


15 Prozent Einsparungen im EU-Agrarhaushalt sind nicht länger tabu


Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der beim EU-Gipfel sein europapolitisches Vermächtnisprojekt einer Verschmelzung der beiden Posten des Kommissionspräsidenten und des EU-Ratspräsidenten als Vertreter der Mitgliedstaaten als EU-Zukunftsprojekt am Widerstand der EU-Staatsoberhäupter am Freitag begraben musste, las den 27 Staatschefs ungeschminkt die Leviten, welche Auswirkungen eine anhaltende Verweigerung eines Haushaltskompromisses zur Folge hätte. 


„Zeit ist Geld. Jeder einzelne Monat, den sich die Einigung über den EU-Haushalt verzögert, wird 5.000 Arbeitsplätze in der Forschung und bis zu 600 000 Erasmus-Plätze im Jugendaustausch Europas allein im Jahr 2021 kosten“. Juncker betonte nachdrücklich, dass die Befürworter einer Schrumpfung des EU-Haushalts von derzeit 1,13 % auf 1 % des Bruttonationaleinkommens der EU-27 sich darüber im Klaren sein sollten, dass ein solcher Einschnitt entweder eine Kürzung der Kohäsions- und Agrarfördermittel um 15 % oder Einsparungen von 45 % in anderen Politikfeldern zur Folge hätte. Die Zukunftsängste von Landwirten und Sorgen der Lebensmittelproduzenten erwähnt der Luxemburger mit keinem Wort.


EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hatte im Vorfeld des Brüsseler Treffens mit Besuchen in fast allen 27 EU-Hauptstädten für ein Anheben des Deckels der Transferzahlungen aus den Mitgliedsländern von derzeit 1,13 Prozent auf mindestens 1,3 Prozent geworben. In den meisten Nettozahler-Mitgliedsstaaten - außer Deutschland im Regierungsschwebezustand einer großen Koalition – hatte sich der oberste Kassenwart Europas und Emissär des Luxemburger Juncker, eine Abfuhr geholt.


Deutscher Bundestag muss dem neuen EU-Budget ab 2020 ebenfalls zustimmen


Die Europapolitikerin Angela Merkel hatte sich bei der Regierungserklärung zu Europa im Bundestag tags zuvor Kritik für ihre EU-Großzügigkeit gegenüber Brüssel anhören müssen. „Die EU wird kleiner, doch Deutschland will mehr zahlen?“, fragte der AfD-Chef Alexander Gauland und machte sich das Argument des Niederländers Rutte zu eigen. In einem Positionspapier der Polderregierung in Den Haag heißt es unmissverständlich: „Eine kleinere EU, bedeutet einen kleineren EU-Haushalt“.


Für den 52jährigen Rutte ist die Richtschnur für die anstehenden Haushaltsverhandlungen, die erst am 2. Mai, wenn Kommissar Oettinger einen Gesetzesvorschlag für den siebenjährigen EU-Haushalt vorlegen wird, richtig Fahrt aufnehmen werden klar. „Die Niederlande können eine Erhöhung ihres Bruttobeitrags zum EU-Haushalt nicht akzeptieren“. Setzt sich diese Position durch, würde das Szenario von EU-Haushaltskommissar Oettinger, die Brexit-Lücke durch 50 Prozent „fresh money“ aus den Mitgliedstaaten kompensieren zu wollen, wie eine Seifenblase zerplatzen. Überdies, 80 Prozent für die neuen Prioritäten aus den Eigenmittel via Mitgliedsstaaten abzuschöpfen, wäre dann ebenso Makulatur.


Europäisches Parlament fordert Verdopplung der Eigenmittelzahlungen aus den Mitgliedsstaaten ab 2020


Nur das Europäische Parlament ist beim Tauziehen um den nächsten EU-Haushalt auf der Seite der EU-Kommission. Der Haushaltsausschuss des Europäischen Parlamentes (EP) hatte sich am Donnerstag de Woche für die Anhebung des Bruttoinlandsprodukt-Anteils der Mitgliedstaaten von 1,9 Prozent also nahezu eine Verdoppelung des bisherigen Anteils ausgesprochen. Damit liegen die Positionen weit auseinander und eine Kompromissformel, die einen vollständigen Bestand der derzeitigen rund 50 Milliarden Euro für die europäische Landwirtschaft per anumm sichern würde, ist derzeit nicht absehbar.


Der agrarpolitische Sprecher CDU/CSU-Fraktion im EU-Parlament, Albert Deß, beschwört die Staats- und Regierungschefs, den Agrarhaushalt im Widerstreit der Positionen nicht zum Steinbruch zu missbrauchen: „Die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hängt entscheidend von den Verhandlungen über den künftigen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) ab. Dabei geht es um die Zukunft einer leistungsfähigen und nachhaltigen europäischen Landwirtschaft“.


Abgeordnete aus allen Fraktionen im Agrarausschuss kritisierten die Pläne der Kommission, die EU-Finanzmittel für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) für die Zeit nach 2020 kürzen zu wollen. „Die Gemeinsame Agrarpolitik braucht eine Reform, aber auch eine angemessene Finanzierung, um die Ernährungssicherheit für EU-Bürger weiter zu gewährleisten“, erklärte Albert Deß. Der Brexit dürfe die Weiterentwicklung der GAP im Einklang mit ihren grundlegenden Zielen nicht beeinträchtigen.


„Die GAP soll sich weiterhin auf ein angemessenes Finanzierungsniveau verlassen können. Das gilt sowohl für den jetzigen als auch für den nachfolgenden Mehrjährigen Finanzrahmen, unabhängig davon, wann der britische Rückzug wirksam wird“, so Deß. „Neue EU-Prioritäten wie Verteidigung, Migration, Forschung oder Bekämpfung des Terrorismus sind neue Aufgabengebiete, dafür müssen die Mitgliedstaaten zusätzliche Finanzmittel bereitstellen“, fordert der konservative Agrarpolitiker trotz aller Unkenrufe.


Grüne und Öko-Wirtschaft fordern Gelder an öffentliche Leistungen zu koppeln


Der Grünen-Sprecher für Agrarpolitik im Bundestag, Friedrich Ostendorff, forderte substanzielle Verbesserungen mit dem neuen EU-Budget zu verwirklichen:„Der zukünftige EU-Haushalt muss einen wesentlichen Beitrag zu einer wirklich nachhaltigen und zukunftsfähigen Landwirtschaft und Ernährung leisten. und substantielle Verbesserungen in der Agrar- und Ernährungspolitiknach sich ziehen. Wir brauchen die Finanzmittel in der jetzigen Höhe, aber für deutlich mehr Artenschutz, mehr Umweltmaßnahmen und mehr Klimaschutz. Und wir brauchen mehr Mittel für den Umbau der Tierhaltung und eine noch deutlichere Umschichtung zu den kleineren Betrieben“.


Auch Jan Plagge, Vorstand des Bio-Dachverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) plädiert für eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik: „Für ein wirklich nachhaltiges Landwirtschafts- und Ernährungssystem muss die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 darauf ausgerichtet werden, öffentliches Geld nur noch in öffentliche Leistungen zu investieren“. Bauern sollten dann unterstützt werden, wenn sie ihre Tiere auf die Weide lassen, Insekten und Vögeln Raum zum Leben bieten oder Arbeitsplätze in der Region schaffen. Nur wenn dauerhaft mindestens 20 Prozent des Forschungsbudgets in die Öko-Forschung fließe, könne das große Potential von Bio entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausgeschöpft werden.


„Wie die EU das gemeinsame Steuergeld im Agrarbereich nach 2020 verteilt, wird darüber entscheiden, ob die Klimakrise bekämpft, das Artensterben gestoppt und die ländlichen Räume gestärkt werden“. Bei den Verhandlungen um den MFR müsse die Bundesregierung in Brüssel darauf dringen, dass Bio höchste Priorität eingeräumt werde, wenn es um die Zukunftsgestaltung der Landwirtschaft in Europa gehe.

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