Die deutschen Agrarökonomen sollten sich offensiver in agrarpolitische Debatten einschalten, um Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das ist bei einer Podiumsdiskussion zum Abschluss der Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues (GEWISOLA) am vergangenen Freitag in Berlin deutlich geworden.
Die Leiterin des Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft, Prof. Hiltrud Nieberg, sieht bei ihrer Zunft zumindest die Teilverantwortung dafür, dass die Direktzahlungen trotz jahrelanger wiederholter Kritik aus der Wissenschaft mit der soeben beschlossenen Reform erneut festgeschrieben worden seien. „Möglicherweise haben wir unsere Erkenntnisse nicht hinreichend genug deutlich gemacht“, gab die Institutsleiterin zu bedenken.
Auch nach Einschätzung von Dr. Peter Wehrheim von der Europäischen Kommission ist es den Agrarökonomen in den jüngsten Reformdiskussion nicht gelungen, mit ihren Position an die politischen Entscheidungsträger durchzudringen.
Sowohl Wehrheim als auch Nieberg verwiesen auf den gestiegenen Einfluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen auf den agrarpolitischen Entscheidungsprozess. Dabei sei erstaunlich, dass diese Organisationen die Direktzahlungen nicht abschaffen, sondern für ihre Zwecke umorientieren wollten und damit eine grundlegende Reform maßgeblich verhindert hätten.
Verteidigung des Agrarbudgets verhindert Neuausrichtung
Der Vorsitzende der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG) und frühere Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Martin Wille, bescheinigte den Agrarökonomen, den „Kampf gegen den Agrarprotektionismus“ gewonnen zu haben. Allerdings sei es ihnen bislang nicht ausreichend gelungen, ihre Einsichten über den Agrarbereich hinaus zu vermitteln.
Wille appellierte an die Wissenschaftler, stärker als bisher den Dialog mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen zu suchen und dabei Aufklärung zu betreiben, beispielsweise hinsichtlich der Diskussion um bäuerliche versus industrielle Landwirtschaft. Als ein Versäumnis der Agrarökonomen sieht Wille die Vernachlässigung von Fragen der Verteilungsgerechtigkeit.
Prof. Peter Feindt von der Universität Wageningen betonte, es sei leichter, einmal geschaffenen Institutionen eine veränderte Zielrichtung zu geben, als sie abzuschaffen. Einigkeit bestand darin, dass das gemeinsame Interesse der Akteure in Politik, Verwaltung und Verbänden an einem hohen Agrarbudget grundlegende Reformen verhindert. (AgE)