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Agrarreform: Otte-Kinast warnt vor Vertrauensbruch an den Landwirten

Die von EU-Agrarkommissar Phil Hogan angepriesenen Vereinfachungen bei der Agrarreform nach 2020 sieht Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast mit Skepsis. „Wir sollen eine Strategie vorlegen, und dann wird jährlich kontrolliert, ob die Ziele erreicht worden sind. Ein solches Vorgehen erfordert Berichterstattung und bringt viel Bürokratie.“

Lesezeit: 10 Minuten

Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin, Barbara Otte-Kinast, über ihre Erwartungen an die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die drohenden Verschärfungen beim deutschen Düngerecht, ihr Vorgehen bei Tiertransporten und der Bedeutung der EU für die Landwirtschaft

AGRA-EUROPE: Frau Ministerin - Wie beurteilen Sie die Kommissionsvorschläge zur GAP 2020? Was finden Sie gut; wo haben Sie Bedenken?

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Otte-Kinast: Mit der GAP-Reform besteht die Chance, die EU-Agrarpolitik zu modernisieren. Ich sehe dabei die Herausforderung, gemeinsam eine Strategie für Deutschland zu erreichen. Gut finde ich, dass wir als Landesregierung eigene Möglichkeiten und Varianten wählen sollen können. Skepsis habe ich hinsichtlich des Bürokratieabbaus.

Auch EU-Agrarkommissar Phil Hogan hat sich das Thema Vereinfachung auf die Fahnen geschrieben. Haben Sie ein konkretes Beispiel, wo ihm das bei seinen Reformplänen Ihrer Ansicht nach nicht gelungen ist?

Otte-Kinast: Nehmen wir die Strategiepläne. Wir sollen eine Strategie vorlegen, und anschließend wird jährlich kontrolliert, ob die Ziele erreicht worden sind. Ein solches Vorgehen erfordert eine umfassende Berichterstattung und hat immer mit Bürokratie zu tun.

Was würden Sie stattdessen vorschlagen?

Otte-Kinast: Die Berichterstattung und das Monitoring zu den Strategieplänen muss so einfach und sinnvoll wie möglich ausgestaltet werden. Wie gesagt, wir brauchen eine einfachere GAP mit weniger Bürokratie auch für die Landwirte. Dazu benötigen wir mehr Handlungsspielräume in den Bundesländern, damit wir nicht bis ins Klein-Klein ständig überprüfen und rechtfertigen müssen.

Kommen wir zur Umsetzung der nationalen Strategiepläne. Hier haben die föderal organisierten Mitgliedstaaten - neben Deutschland auch Belgien oder Italien - Bedenken, dass bei diesen Plänen die Rolle der Regionen nicht hin reichend berücksichtigt wird. Teilen Sie die Bedenken der Kritiker und befürchten Sie, dass Hannover Kompetenzen in Richtung Berlin abgeben muss?

Otte-Kinast: Da habe ich keine Sorgen. Die Bundesländer werden hier auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

Gilt das auch mit Blick auf die Zweite Säule? Gerade der Bereich ländliche Entwicklung, der von den Bundesländern geregelt wird, soll stark gekürzt werden.

Otte-Kinast: Was die mögliche Kürzung der Mittel für die Zweite Säule angeht, habe ich natürlich meine Befürchtungen. Eine Kürzung heißt hier ganz konkret: Uns wird weniger Geld zur Verfügung gestellt, und wir können für die ländliche Entwicklung weniger Maßnahmen anbieten. Dabei ist gerade die Zweite Säule - wie Sie zu Recht angemerkt haben - länderspezifisch sehr wichtig. Mecklenburg-Vorpommern ist anders als Rheinland-Pfalz und Bayern anders als Niedersachsen. Und mit dem Geld aus der Zweiten Säule können wir individuell für unser Land spezielle Maßnahmen auf den Weg bringen. Und da habe ich natürlich jetzt die Sorge, dass das in Zukunft nicht mehr so viele sein werden.

Spricht man Kommissar Hogan auf die geplante Agraretatkürzung an, verweist er auf die mangelnde Bereitschaft der Mitgliedstaaten, ausreichend Geld für die EU bereitzustellen. Ferner verweist er darauf, dass die Mitgliedsländer die Mittel für die Zweite Säule auch kofinanzieren könnten. Sollte es so kommen, würden Sie sich als Landesregierung zusätzliche Gelder vom Bund wünschen?

Otte-Kinast: Natürlich müssen die Finanzmittel irgendwo herkommen. Berlin hat zusätzliche Mittel nicht ausgeschlossen. Wir als Bundesländer haben diese aber nicht. Eine stärkere Kofinanzierung ist meiner Ansicht nach pure Illusion. Da denke ich, würden wir uns etwas vormachen, wenn wir die Hoffnungen darauf ausrichten würden.

Kommen wir zu einem anderen Aspekt der GAP-Reform, den sogenannten Eco-schemes, die mit Geld aus der Ersten Säule gefüttert werden sollen. Was halten Sie davon?

Otte-Kinast: Hier habe ich die Hoffnung, dass wir in der Ersten Säule unter anderem Dinge unterbringen können, die bislang bei uns in Niedersachsen im Rahmen der Zweiten Säule gefördert worden sind. Mit Hilfe der Öko-Regelungen könnten wir gezielt stärkere Umweltmaßnahmen in der Ersten Säule verankern. Hierbei freut mich, dass das Konzept von Agrarumweltleistungen neu gedacht wird. Meiner Meinung nach besteht so auch wirklich die Chance, den Klima- und den Umweltschutz nach vorne zu bringen.

Von Agrarpolitikern aus ihrer Parteienfamilie, also der EVP, hat man eher den Eindruck, dass die Unterbringung der Eco-schemes in der Ersten Säule auf Ablehnung stößt. Wäre es nicht mit Blick auf die ja auch von Ihnen geforderte Vereinfachung der GAP sinnvoller, die Eco-schemes in die Zweite Säule zu verschieben?

Otte-Kinast: Ich habe kein Problem damit, es so zu belassen, wie es die EU-Kommission gegenwärtig vorgeschlagen hat, also in der Ersten Säule, denn unser Ziel ist es, die Umweltleistungen der gesamten Direktzahlungen zu verbessern.

Bleiben wir beim Umweltschutz und kommen zu einem Thema, dass der deutschen Politik und den Landwirten hierzulande akut unter den Nägeln brennt. Gemeint sind die von Brüssel geforderten Nachbesserungen an der Düngeverordnung. Sie gehören zu den Politikern, die die seit Mitte 2017 geltende Verordnung erst einmal wirken lassen wollen. Jetzt hat ihre Parteikollegin, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, angekündigt, den Brüsseler Forderungen zumindest in Teilen mit weiteren Verschärfungen nachkommen zu wollen. Gerade Niedersachsen mit seinen Veredlungszentren wäre besonders betroffen. Wie wollen Sie den Forderungen des Bundes begegnen, beziehungsweise welche Botschaft haben Sie an die EU-Kommission?

Otte-Kinast: Dass der Bund so handelt, wie er es tut, kann ich verstehen. Wenn ein Mitgliedsland verurteilt worden ist, ist es in der Pflicht und muss handeln. Bundesministerin Klöckner ist hier in keiner einfachen Situation.

Sie können das Vorgehen der Bundesregierung also nachvollziehen?

Otte-Kinast: Es hat mich grundsätzlich enttäuscht, weil wir mit der aktuellen Verordnung bereits ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht haben, das gerade mal gut ein Jahr in Kraft ist und von dem wir die Auswirkungen noch gar nicht kennen. Wir haben diese Verordnung in Niedersachsen sehr ernstgenommen. So sind wir beispielsweise derzeit im Verfahren der Ausweisung der phosphat- und nitratsensiblen Gebiete, und wir werden in diesen Gebieten verstärkt Maßnahmen zur Reduzierung der Nitratbelastung umsetzen. Die Landwirte und auch die Berater mussten ja das Gesetz auch erst einmal begreifen und umsetzen. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass die Betriebe das neue Düngerecht ernstnehmen. Als niedersächsische Agrarministerin kann ich Ihnen versichern, es tut sich bei uns seit einem Jahr ganz viel in diesem Bereich. Es gibt viele gute und kreative Ideen in Sachen Düngeraufbereitung. Und wir sind ergänzend dabei, den Nährstoffkreislauf zu bewerben, nämlich dass der Wirtschaftsdünger aus viehstarken Regionen gut aufbereitet in die Ackerbauregionen geht.

Dass Sie aber gerade in Niedersachsen noch große Probleme mit der Nitratbelastung des Grundwassers haben, räumen Sie jedoch ein?

Otte-Kinast: Wir haben in mehreren Regionen Niedersachsens zu viel Nitrat und Phosphat im Boden - das wissen wir. Wir sind aber alle guten Willens, das zu lösen. Aber jetzt kommt eine Verschärfung von Bundesebene, die den Landwirten viel Frust bereitet.

Wissenschaftliche Studien sind bereits vor einem Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass die mit der neuen Düngeverordnung beschlossenen Verschärfungen nicht ausreichen, um eine nennenswerten Reduzierung der Stickstoffüberdüngung zu bewirken. Sind die Nachbesserungen jetzt also wirklich so überraschend gekommen?

Otte-Kinast: Ich kann die Landwirte dennoch verstehen. Die Politik beschließt ein Gesetz und eine Verordnung. Dann ist diese Verordnung in Kraft. Nach einem Jahr ist das noch gar nicht alles gelebt und in die Praxis umgesetzt, aber dann wartet die Politik bereits mit den nächsten Verschärfungen auf. Das ist in gewisser Weise auch ein Vertrauensbruch. Wir haben es hier schließlich auch mit Wählern zu tun. Wir müssen als Politiker aufpassen, wie wir etwas kommunizieren und wie wir damit umgehen. Das ist schon ein sehr schwieriges Thema, und der Berufsstand wird sich das so sicherlich auch nicht gefallen lassen. Wir werden in Niedersachsen zunächst auf dem bisherigen Weg weitermachen. Die bereits umgesetzten Maßnahmen sollen jedoch erstmal ihre Wirkung zeigen können.

Kommen wir zu einem anderem, zuletzt ebenfalls im Fokus stehenden Thema, den Tiertransporten. Wie bewerten Sie die Anstrengungen von einigen Ihrer Länderkollegen, Lebendtiertransporte nach Drittstaaten einzuschränken oder gar ganz zu verbieten? Niedersachsen ist ein wichtiger Exporteur von Zuchttieren.

Otte-Kinast: Wir haben eine Reihe von Betrieben, die Zuchttiere vermarkten und die natürlich erwarten, die Tiere auch in Zukunft vermarkten zu dürfen. Für viele Betriebe ist das ein wichtiges Standbein. Und jeder, der diese Zuchttiere kauft, in welchen Ländern auch immer, sollte in meinen Augen ein gesundes Interesse daran haben, dass diese Tiere gesund vom Hänger kommen. Das setze ich erstmal voraus. Zudem werden von den Veterinärämtern diese Transporte abgefertigt. Sowohl der Gesundheitszustand als auch die Route werden von den amtlichen Veterinären überprüft. Dabei muss möglichen Verstößen natürlich nachgegangen werden.

Sie planen also kein Exportverbot?

Otte-Kinast: Die nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften enthalten gar nicht die Möglichkeiten für die Behörden, lange Schlachttiertransporte generell zu verbieten. Wir brauchen insbesondere umgehend eine bundes-, besser noch EU-weite Abstimmung anhand Informationen zu Transportrouten, damit es nicht zu einer Verlagerung der Abfertigung von Langstreckentransporten kommt. Niedersachsen setzt sich dafür ein, dass sich die Agrarministerkonferenz (AMK) mit grenzüberschreitenden Transporten befasst und dies auch auf europäischer Ebene vorangebracht wird.

Das Europaparlament hat vor kurzem eine Entschließung verabschiedet, in der unter anderem strengere Kontrollen der Tiertransporte gefordert wurden. Die Kommission wurde aufgefordert, entsprechende Vorschläge vorzulegen. Stimmen Sie diesen Forderungen der Europaabgeordneten zu?

Otte-Kinast: Das halte ich für ein wichtiges Anliegen. Ich plädiere vor allem für eine weitere Harmonisierung der Regeln zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Zudem erwarte ich vom Bund, dass klargestellt wird, welche Transportrouten als kritisch einzustufen sind. Wir müssen uns bundesweit klar positionieren und mit einer Stimme in Richtung Brüssel sprechen. Und dann muss man schauen, ob es Drittländer gibt, in die wir aus Tierschutzgründen vielleicht gar keine Zuchttiere mehr transportieren sollten.

Jetzt haben Sie über Zuchttiere gesprochen. Gelten dieselben Maßstäbe für Sie auch mit Blick auf das Schlachtvieh?

Otte-Kinast: Meine persönliche Meinung zum Transport von Schlachttieren ist, dass wir diese im eigenen Land schlachten sollten. Ein Tier zum Schlachten in andere Länder zu fahren, innerhalb oder außerhalb Europas, das geht für mich gar nicht. Das ist ein No-Go. Wir können hier in unserem Bundesland Niedersachsen die gesamte Weiterverarbeitung sicherstellen. Dafür braucht es keine langen Transporte.

Sie sind also auch gegen EU-weite Schlachttiertransporte?

Otte-Kinast: Wir haben in Niedersachsen gute Schlachthöfe. Warum sollen wir also die Tiere nicht in Niedersachsen schlachten?

Eine letzte, eher allgemeine Frage: Die Europawahlen stehen unmittelbar vor der Tür. Wie wichtig ist die Europäische Union Ihrer Ansicht nach für die Landwirtschaft?

Otte-Kinast: Für mich hat die EU einen sehr großen Stellenwert. Viele Landwirte schimpfen auf Brüssel beziehungsweise die EU und beklagen beispielweise zu viel Bürokratie. Ich würde mir noch mehr Kommunikation wünschen, und zwar von Brüssel in die einzelnen Länder hinein, damit wieder deutlicher wird, was das Großartige an der EU ist. Diese bedeutet nicht nur Reisefreiheit, sondern auch freie Märkte für unsere Produkte. Darüber hinaus gibt es auf der Welt bekanntlich auch noch andere Mächte, und deswegen tun wir gut daran, in Europa zusammenzuhalten. Deshalb sollten alle Wahlberechtigten Ende Mai zur Wahl gehen und für ein starkes Europa auf allen Ebenen eintreten.

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