Für Unverständnis bei zahlreichen Wissenschaftlern hat kürzlich eine Rede von Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich des Festaktes „50 Jahre Welthungerhilfe” gesorgt, in der er zur Sicherung der globalen Nahrungsmittelversorgung eine Eindämmung der Agrarspekulation forderte.
Wörtlich sagte Gauck: „Wenn schwankende Preise armen Menschen sprichwörtlich die Mittel zum Leben abschöpfen, ist Handeln aus politischer, sozialer und natürlich auch aus ethischer Notwendigkeit dringend geboten. Ich finde es darum gut, wenn deutsche Banken Verantwortungsbewusstsein zeigen und entsprechend ausgelegte Fonds prüfen und hoffentlich zurückziehen.“
Daraufhin erklärten 40 Agrarökonomen, Volks- und Betriebswirte, Wirtschaftsethiker und Juristen in einem offenen Brief an Gauck, diese Forderung entspreche der Kritik einiger zivilgesellschaftlicher Organisationen, nicht aber dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Eine unlängst vorgelegte Studie des Leibniz-Institutes für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO) zeige, dass das verstärkte Engagement von Finanzinvestoren auf den Terminmärkten für Nahrungsmittel eine wichtige Bedeutung für die Absicherung von Preisrisiken habe und die Produktionsbedingungen im Agrarsektor verbessere.
Die drastische Einschränkung dieser Finanzgeschäfte birge deshalb die Gefahr, dass die Agrarmärkte schlechter funktionierten. Das wäre für die Hungerbekämpfung kontraproduktiv, hoben die Forscher hervor. Eine pauschale Ablehnung von Agrarspekulationen sei „wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen”. Um den Hunger konstruktiv zu bekämpfen, müsse die öffentliche Debatte versachlicht und vorliegendes Wissen „korrekt interpretiert” werden. Es sei ein Dialog in Gang zu setzen, in dem die Erkenntnisse der internationalen Forschung Gehör fänden. (AgE)