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Jetzt auch Dönerarbeiter infiziert

Ausbeutung in Fleischbranche: EU droht mit Vertragsverletzungsverfahren

Wegen ungleicher Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeiter in deutschen Schlachthöfen plant EU-Arbeitskommissar Schmit schärfere Regeln. Laumann bedauert Vernichtung kleiner Schlachtbetriebe in 70ern.

Lesezeit: 6 Minuten

Wegen der Ungleichbehandlung ausländischer Arbeiter in der Schlachtindustrie droht EU-Arbeits- und Sozialkommissar Nicolas Schmit Deutschland, per Richtlinie mehr Gerechtigkeit zu erzwingen oder notfalls ein Vertragsverletzungsverfahren anzustreben.

Wie Schmit dem Spiegel sagte, müssten Saisonarbeiter in der EU gleichberechtigt zu allen anderen Arbeitskräften behandelt werden. Laut EU-Entsenderichtlinie gelte gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.

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Das Problem sei allerdings, dass die betroffenen Arbeiter meist gar nicht unter die EU-Entsenderichtlinie fielen, da sie nicht bei einem ausländischen, sondern bei einem inländischen (Sub-)Unternehmen angestellt seien. Für Schmit sei das eine fragwürdige Vorgehensweise, weshalb die Kommission Leitlinien plant, um in diesem Bereich die Lage für die Mitgliedsländer zu klären. Sollte die Praxis weiterhin zur Umgehung der EU-Sozialstandards führen, "dann werden wir prüfen müssen, ob wir gegebenenfalls mit einer Richtlinie dagegen vorgehen", so Schmit gegenüber dem Spiegel. Sie müsste dann von den Mitgliedsländern in nationales Recht umgesetzt werden.

Laut der Bundesagentur für Arbeit haben in der Schlachtung und Fleischverarbeitung Ende September 2019 etwa 22.400 Rumänen, 8.300 Polen, 3.300 Ungarn und 2.500 Bulgaren gearbeitet. Sie verdienen im Schnitt mehrere Hundert Euro weniger im Monat als die rund 84.500 deutschen Vollzeitbeschäftigten.

Laumann: Verschwinden kleiner Schlachthof-Strukturen seit den 70ern war ein Fehler

Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann hat sich für einen Umbau der Schlachtbranche ausgesprochen. Es könne nicht sein, dass einige große Konzerne den Markt beherrschen. Der CDU-Politiker fordert daher weitreichende Änderungen in der Branche.

Das System der industriellen Schlachtung und der Arbeitsverhältnisse, die dort herrschten, könne keine Zukunft haben, sagte Laumann laut einer Mitteilung der Evangelischen Kirche.

Laumann habe erklärt, dass für bundesweite Veränderungen entsprechende neue gesetzliche Regelungen erforderlich seien. Das heutige System sei schlecht und habe mit einer humanen Arbeitswelt nichts zu tun. Laumann machte deutlich, dass die Etablierung industrialisierter Schlachtung Folge des in den 1970er Jahren begonnenen Verschwindens von mittelständisch geprägten Schlachthof-Strukturen gewesen sei. Diese Entwicklung sei auch mit Blick auf die damit verloren gegangene regionale Vermarktung von Tieren ein Fehler gewesen.

Auch Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) plädierte für einen "echten Neuanfang" bei der Fleischproduktion, der von Landwirten und Verbrauchern mitgetragen werden müsse. "Die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen sind unmöglich und nicht so, wie wir sie in Deutschland erwarten würden", sagte sie.

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Auch Sachsen will regionale Schlachtereien

Zuvor hatte bereits Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther angeregt, die Fleischindustrie wieder zu regionalisieren. Der Grünen-Politiker sagte dem MDR, unabhängig von Corona sei die Landesregierung schon seit Längerem an dem Thema dran und erarbeite Konzepte. Ziel sei es, wieder Schlachthöfe in Sachsen zu haben oder auch mobile Schlachtungen nutzen zu können. Entsprechende Projekte wolle der Freistaat noch in dieser Legislaturperiode fördern.

Den Angaben des Grünen-Politikers zufolge gibt es in Sachsen nur einen größeren Schlachthof bei Belgern. Ansonsten werde im Freistaat de facto nicht mehr geschlachtet. Vor allem Familienbetriebe in der Landwirtschaft mit eigener Vermarktung fordern schon länger einfachere Möglichkeiten für Hausschlachtungen, nicht zuletzt im Interesse des Tierwohls mit dem Verzicht auf lange Viehtransporte.

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79 Infizierte bei Döner-Hersteller in Moers

Am Donnerstag kam die Nachricht, dass es bei einer Dönerproduktion in Moers (NRW) rasant steigenden Corona-Infektionen gibt. 79 Mitarbeiter seien bereits in dem Betrieb positiv auf das Coronavirus getestet worden, teilte der Kreis Wesel laut WDR mit.

Derzeit seien 80 Tests ausgewertet, 120 kämen noch, daher könne die Zahl auch noch steigen. Die Firma arbeitet allerdings nicht mit Werkverträgen oder bringt Mitarbeitende in Sammelunterkünften unter, betont der Kreis.

Im PHW-Schlachthof Geestland in Wildeshausen (Niedersachsen) sind unterdessen 1.115 Mitarbeiter getestet. Die Zahl der infizierten Arbeiter stieg am Donnerstag auf 45. Seit Mittwoch kamen somit weitere zehn bestätigte Infektionen hinzu. Betroffen seien fünf Festangestellte und 40 Werkvertragsarbeiter, teilte Geestland mit. Nur einer dieser 45 Mitarbeiter wohne in einer Gemeinschaftsunterkunft, alle anderen in Privatunterkünften.

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Entwarnung bei Danish Crown Essen

Bei Danish Crown im niedersächsischen Essen (LK Cloppenburg) ist eine Nachtestung der am Vortag positiv getesteten Schlachthofmitarbeiter unterdessen negativ ausgefallen. Bei der ersten Testung handelte es sich um eine sogenannte Indiztestung, deren Ergebnisse oft nur auf die Möglichkeit einer Infektion hinweisen. Ein regulärer Test des Gesundheitsamts auf eine Infektion ist dann negativ ausgefallen, informiert der Kreis.

Aus Vorsorgegründen bleiben die besagten drei Schlachthofmitarbeiter, die im Landkreis Cloppenburg wohnen, trotzdem auf Anweisung des Gesundheitsamtes in häuslicher Quarantäne. Gleichzeitig werden die Tests des gesamten Schlachthofpersonals und des amtlichen Personals des Landkreises fortgesetzt.

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Tönnies-Arbeiter in Beckum und im Kreis Gütersloh nicht auffindbar

Der WDR berichtete Donnerstag außerdem noch über verschwundene Tönnies-Arbeiter. Mehr als 20 Menschen seien nicht mehr in zwei Unterkünften in Beckum. Jetzt besteht die Vermutung, dass sich einige Arbeiter nicht daran halten und stattdessen Richtung Heimatand abgereist sind.

Auch im Kreis Gütersloh sollen Wohnungen von Tönnies-Werksarbeitern leer sein. Das Deutsche Rote Kreuz, das mit mobilen Teams unterwegs ist, hat in rund 18 % der Fälle Arbeiter nicht in ihren Unterkünften angetroffen. Sie könnten abgereist oder auch einkaufen gewesen sein, was laut Quarantäneverordnung nicht erlaubt ist.

Die Versorgung der Arbeiter in Quarantäne würde in Beckum übrigens nicht gut funktionieren. Eigentlich wollte sich Tönnies darum kümmern, berichtet der WDR. Inzwischen habe sich aber das Rote Kreuz eingeschaltet und versorge die Menschen mit Essen und dem Nötigsten.

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Autos versucht anzuzünden

Wie explosiv die Stimmung vor Ort ist, zeigte sich auch an einem Zwischenfall in Beckum. Dort sollen vier Unbekannte versucht haben, zwei Autos von Schlachthofarbeitern anzuzünden, meldet die Polizei. Die unter den Fahrzeugen gelegten Feuer konnten laut Polizei rechtzeitig gelöscht werden, sodass größere Schäden an den beiden Wagen mit rumänischem Kennzeichen verhindert worden seien.

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Fleischhandwerk 2037 verschwunden

Eine offensive und mutige Strukturpolitik, die durch eine Regionalisierung in der Ernährungswirtschaft das Lebensmittelhandwerk sowie Kleinst-, kleine und mittlere Betriebe mit nachvollziehbaren Strukturen stärkt, fordret auch der Bundesverband der Regionalbewegung.

Die Konzentrationsprozesse, die in den letzten Jahrzehnten innerhalb der Ernährungswirtschaft und vor allem auch in der Fleischwirtschaft stattgefunden haben, zeigten mittlerweile gravierende Auswirkungen. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes sprechen für sich: Allein in den 20 Jahren von 1998 bis 2018 hätten 49 % der Betriebe, d.h. beinahe jeder zweite Fleischerhandwerksbetrieb in Deutschland, geschlossen. Wenn dieser Rückgang weiter so dramatisch anhält wird es laut dem Verband schon 2037 keine Handwerksfleischer mehr geben.

Mit dem Verlust der Kleinst-, kleinen und mittleren Handwerksbetriebe würden wertvolle Nahversorgerstrukturen verloren gehen, heißt es weiter. Laut Heiner Sindel, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes der Regionalbewegung e.V. bedarf es einer offensiven und mutigen Strukturpolitik, die eine Regionalisierung in der Ernährungswirtschaft fördert und damit gute Rahmenbedingungen nicht nur für wenige Industrie-Riesen, sondern für die vielen regionalen kleinstrukturierten Betriebe der bäuerlichen Landwirtschaft und des Lebensmittelhandwerks schafft.

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