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Agrargipfel

Bauer Willi trifft Merkel – Das sind seine Fragen

Bauer Willi ist am Montag einer von 39 Vertretern des Agrarsektors, der beim Agrargipfel im Bundskanzleramt teilnehmen kann. Da der ganze Termin nur drei Stunden dauert, bleiben ihm nur wenige Fragen.

Lesezeit: 5 Minuten

Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt sich am Montag drei Stunden Zeit, um mit Bundesagrarministerin Julia Klöckner und 39 Vertretern aus Landwirtschaft und Verbandswesen über aktuelle Probleme - u.a. mit dem Agrarpaket - zu diskutieren.

Mit dabei ist auch der Agrarblogger Dr. Willi Kremer-Schillings, bekannt als Bauer Willi. Aufgrund der Vielzahl der Teilnehmer hat jeder die Möglichkeit für ein kurzes Statement. Dazu Kremer-Schillings: „Für meinen Redebeitrag habe ich mir deshalb eine (sicher unvollständige) Reihe von produktionstechnischen, wirtschaftlichen und vielleicht auch ethischen Zielkonflikten und Widersprüchen in der Landwirtschaft aufgeschrieben, zwischen denen die Politik eine Güterabwägung zu treffen hat. Das tut sie bisher auch schon, aber zunehmend einseitig, mit vermutlich fatalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen für Landwirte, Beschäftigte in den vor- und nachgelagerten Sektoren und die Verbraucher in unserem Land.“

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Laut dem Landwirt wird der „Agrargipfel“ sicherlich gänzlich anders verlaufen als ein Auto- oder Stahlgipfel. Die eingeladenen Organisationen (z. B. DBV, DLG, BÖLW, AbL und BDM) würden zum Teil nur Partikularinteressen vertreten und hätten deshalb eine z.T. unterschiedliche Sicht und Wertung der Dinge. „Es ist eben kein Milchgipfel, Schweinegipfel oder Ackerbaugipfel. Es geht ums Ganze“, sagt Bauer Willi.

Weil in der Landwirtschaft auf extrem unterschiedlichen natürlichen Standorten in verschiedenen Organisationsformen auch sehr unterschiedliche Erzeugnisse mit unterschiedlicher Konsumreife und Verwertungsmöglichkeit erzeugt werden, war und ist das Gestalten sinnvoller und breit akzeptierter Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft eine sehr schwierige und anspruchsvolle Aufgabe, schildert er weiter. „Ich hoffe, dass sich die Kanzlerin und die Fachministerinnen (Frau Schulze gehört dazu, ist aber nicht dabei!) dessen bewusst sind. Mir ist als Teilnehmer schon jetzt klar, dass für einen Konsens jeder der Diskussionsteilnehmer Zugeständnisse machen muss. Und für einen Konsens wird auch der eine Tag nicht reichen. Ein guter Kompromiss ist der, mit dem jeder unzufrieden ist.“

Allgemeine Zielkonflikte/Widersprüche

  • Globalisierung: In der freien Marktwirtschaft bilden sich Preise, von denen die Landwirte oft nicht mehr leben können –> Das macht Angst
  • LEH und Politik fordern immer höhere Standards: bei konstanten Preisen und gleichzeitiger Öffnung in Richtung Weltmarkt. –> Dieser Spagat zerreißt die Landwirte
  • Bio-Quote –> die Produktion ist schneller als der Absatz, Preise für Bio-Getreide, Bio-Schweine, auch Bio-Milch etc. unter Druck, Molkereien nehmen keine zusätzlichen Biomilchmengen mehr auf. Verkauf von Bio in konv. Schiene zu niedrigen Preisen. Konventionalisierung der Öko-Landwirtschaft.
  • Schnelle Anpassung an Klimawandel durch Züchtung möglich –> aber neue Züchtungsmethoden faktisch nicht möglich, Wettbewerbsverzerrung gegenüber Weltmarkt
  • Monopolisierung, Kartell des LEH –> keine faire Preisbildung für Erzeuger, keine Marktmacht.
  • Bürokratieabbau –> statt einfacher wird es immer noch komplizierter und unverständlicher, Vertrauensverlust in Politik, die nicht einhält was sie verspricht
  • 1,2 Mio. neue Wohnungen plus Infrastruktur –> Versiegelung der Landschaft, wo bleibt der Artenschutz? Oder ist dann nicht wichtig?
  • Investoren kaufen Land zur Kapitalsicherung –> Zugang für Landwirte faktisch nicht möglich

Zielkonflikte/Widersprüche Ackerbau

  • Mehr Bioenergie –> aber gesellschaftliche Kritik an Maisanbau, Gülle, Intensivtierhaltung. Was denn nun? Klimapaket und Agrarpaket passen nicht zusammen
  • Vielfältige Fruchtfolge –> nicht mehr möglich, wenn Herbizide z.B. für Leguminosen nicht mehr zugelassen sind. Raps wird schwieriger, demnächst Zuckerrüben fraglich wenn Herbizide fehlen.

    Ackerbaustrategie wird obsolet. Für Sonderkulturen kaum noch PSM. Alternative Früchte (z.B. Buchweizen, Leindotter, Lupinen) sind trotz anderslautender Meldungen am Markt kaum abzusetzen.
  • Mehr Humusaufbau für Klimaschutz –> reduzierte Bodenbearbeitung braucht Glyphosat als Notnagel ansonsten mehr Pflugfurche = CO2-Freisetzung, Mobilisierung von Nährstoffen (Auswaschung etc.) Humusaufbau ist nur mit N möglich, da Humus nicht nur C sondern auch N bindet. Weniger N führt zu weniger Humus, weniger Humus -> geringeres Nährstoffhaltevermögen, mehr Nährstoffe im Grundwasser -> weniger N = circulus vitiosus
  • Einschränkungen bei Pflanzenschutz –> Unsicherheit, kaum noch Planbarkeit, Gefahr von Resistenzbildung bei nur noch wenigen Wirkstoffen. Verdacht: konventionelle Landwirtschaft soll auf diese Weise bewusst „abgewürgt“ werden. Das frustriert.

Zielkonflikte/Widersprüche Tierhaltung

  • Verbot Anbindehaltung –> Allgäu dann ohne Vieh, wer betreibt die Almen? Kleinbäuerliche Familienbetriebe hören auf.
  • Mehr Weidehaltung gewünscht –> aber der Wolf soll bleiben. Das geht nicht. Tierhalter warten seit langem auf praktikable Lösungen. Keine Antwort.
  • Verbot der Legehennen-Käfighaltung –> Jetzt Freilandhaltung bio und konventionell, tierische Exkremente werden im Nahbereich des Stalles konzentriert abgesetzt, Grundwasserbelastung, höhere Tierverluste, Tierwohl fraglich
  • Forderung nach Verbot des Sauen-Kastenstandes –> mehr Erdrückungsverluste (von rund 2 % nach wissenschaftlicher Untersuchung im sogenannten Innopig-Projekt)
  • Verbot des Schwänzekupieren–> Schwanzbeißen, höherer Medikamenteneinsatz, mehr Tierverluste
  • Verbot der betäubungslosen Kastration –> höhere Sach- und Arbeitskosten, tote Ferkel nach Betäubung. LEH ist uneinig, Bauern ratlos.
  • Schweinehaltung mit Außenklimareizen –> höherer Futterverbrauch durch mehr Eigenwärmeproduktion der Schweine
  • Schweinehaltung auf Stroh –> Keimbelastung durch Mykotoxine im Stroh nach ungünstigen Erntejahren

Generell führen alle Forderungen nach mehr Tierwohl zu höheren Produktionskosten und höheren Tierverlusten (damit weniger Tierwohl), sagt Bauer Willi weiter. Die Landwirtschaft habe ja nicht ohne Grund die aktuell gängigen Haltungsverfahren entwickelt. Durch die starke internationale/globale Verflechtung der deutschen Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft führe dies zu Wettbewerbsnachteilen mit der Folge, dass die Einkommensziele für die Landwirtschaft (auch heute noch Teil des bundesdeutschen Agrargesetzes und des EWG-Vertrages) immer schwieriger zu erreichen sind.

Wird die Agrarproduktion reduziert, verringert sich auch die entsprechende Weiterverarbeitung und der Vorleistungs-Sektor schrumpft. Die ohnehin schon teilweise ausgezehrten ländlichen Räume werden weiter geschwächt. Da, wo sie noch stark sind, verlieren sie deutlich an Wirtschaftskraft und Attraktivität, erklärt der Rheinländer.

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