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Leipzig

Bauerntag: „Nur die Landwirte können die Probleme lösen“

Das schwierige Spannungsfeld aus Artenschutz und Ernährungssicherung wurde beim Deutschen Bauerntag in Leipzig deutlich. Das lag vor allem an einem weitgereisten Gast.

Lesezeit: 4 Minuten

Der Gast hatte so manche Flugmeile auf sich genommen und er brachte freundlich im Ton seine Verwunderung zum Ausdruck: Theo de Jager, Landwirt aus Südafrika und Präsident des Weltbauernverbandes, zeigte sich beim Bauerntag in Leipzig verblüfft über manches Thema und manche Entwicklung, die den Alltag seiner hiesigen Berufskollegen prägen.

Nach seiner Ansicht ist die deutsche Agrarbranche weltweitführend bei Wissenschaft und Technologien – ohne Verfahren wie CRISPR/Cas selbst nutzen zu dürfen. Er zeigte seinen Respekt für die Vielzahl an Umwelt- und Tierwohlthemen, die die Landwirte in Deutschland diskutieren – erinnerte aber auch daran, dass diese Fragen in weiten Teilen Afrikas von Fragen der Ernährungssicherung überlagert werden. Und er äußerte seine offene Skepsis über den deutschen Ansatz, Wölfe und Weidetiere zeitgleich in ein und denselben Regionen ansiedeln zu wollen.

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Lufthoheit zurückgewinnen

Prof. Dr. Werner Wahmhoff, ehemaliger stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, rückte die Biodiversitäts- und Klimaschutzherausforderungen für die deutschen Landwirte in den Mittelpunkt. Nach seiner Ansicht ist die Branche dringend gefordert in der hochemotionalen Diskussion die Lufthoheit zurück zu gewinnen. Sein Appell: „Übernehmen Sie das Heft des Handelns. Nur die Landwirte können die Probleme lösen.“

Wahmhoff empfahl den Landwirten, Biodiversität als einen integralen Bestandteil einer auf Ertrag bedachten Produktion zu verstehen. „Schauen Sie hin, wo die Gesellschaft hinschaut“, appellierte er an die Landwirte. Der Erhaltungszustand der zehn Wildvogelarten in der Agrarlandschaft sei beispielsweise ein wichtiger Leistungsindikator mit dem die Branche Erfolge beim Artenschutz konkret nachweisen könne. „Das F.R.A.N.Z.-Projekt zeigt, was alles möglich ist“, gab sich Wahmhoff überzeugt und beklagte gleichzeitig die ausbaubaren Förderanreize für die Betriebe. „Die Entscheidung für guten Naturschutz fällt auf der Fläche“, so der Umweltexperte „und das erfordert mehr Flexibilität und Entscheidungsfreiheit für die Unternehmer.“

Gründergeist gefragt

Prof. Dr. Rainer Kühl von der Uni Gießen hieb in die gleiche Kerbe. Der Ökonom forderte eine offene Diskussion über Ziele, Nutzen und Maßnahmen beim Thema Biodiversität. „Was will man erreichen? Wie viel ist ein Hamster wert? Und brauchen wir einen, zwei oder zehn?“, listete der Wissenschaftler eine Auswahl an Fragen auf. Gleichzeitig verwies er auch auf die ökonomischen Zwänge der Betriebe und erhielt lauten Beifall für die Klarstellung, dass Landwirtschaft weder eine ideologische Spielwiese noch die Idylle einer übersättigten Gesellschaft sein könne.

Er appellierte an die Landwirte, trotz mancher überzogenen Kritik offen für neue Konzepte zu bleiben. „Probieren Sie auf fünf Hektar ihrer Betriebsfläche doch ruhig mal etwas aus“, gab sich der Wissenschaftler überzeugt. Gleichzeitig riet er den Landwirten dringend davon ab, sich in einer Opferrolle zu laben. Die Lösung liege im Gegenteil. Denn geht es nach dem Agrarökonomen, steht der Branche eine Portion mehr Gründergeist und Gründungsmut gut zu Gesicht.

„Wir fahren auf Sicht“

Dr. Dirk Köckler, Vorstandsvorsitzender der Agravis Raiffeisen AG, beklagte eine fehlende Berechenbarkeit der Politik. „Handwerklich haben wir die Marktvolatilitäten im Griff“, ordnete der Agrarhändler ein, „bei vielen Fragen des internationalen Handels fahren wir aber auf Sicht.“ Die Rechnung sei dabei denkbar einfach: Unsicherheit gefährdet Investitionen und treibt den Strukturwandel, machte der Genossenschaftsvertreter deutlich.

Vorsicht bei Mercosur

Bauernpräsident Joachim Rukwied lenkte ebenfalls den Blick auf Handelsfragen. Er verwies auf die hohen Standards der hiesigen Produzenten, die es finanziell zu berücksichtigen gelte. Mit Blick auf die derzeitigen Verhandlungen zum Mercosur-Abkommen nannte er es ein „Unding“, wenn der europäische Markt stärker für Produkte aus Südamerika geöffnet würde. Hoffnungen, der Staat oder die öffentlichen Haushalte könnten einen Ausgleich für höhere Standards der hiesigen Landwirte zahlen, hielt der Landwirt aus Baden-Württemberg für unrealistisch. Stattdessen sieht er den Handel und die Genossenschaften gefordert, die höheren Kosten durch eine bessere Wertschöpfung auszugleichen.

800 Mio. Hungernde zu viel

In der Pflicht sah sich der DBV-Präsident nicht nur bei den angesprochenen Themen zum Schutz der Biodiversität und des Klimas, sondern auch zu den Herausforderungen der Ernährungssicherung. Weltbauernpräsident Theo de Jager hatte zuvor an die 800 Mio. hungernden Menschen auf der Welt erinnert. „Wir müssen unseren Beitrag zu Ernährung der Weltbevölkerung leisten“, legte sich Rukwied fest und stellte klar: „800 Mio. Hungernde sind 800 Mio. zu viel.“ Rukwied erntete lauten Beifall im Saal und zustimmendes Nicken vom weitgereisten Gast aus Südafrika.

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