Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat angesichts des Ukraine-Krieges dazu aufgerufen, die EU-Agrarpolitik zu hinterfragen. „Nicht nur Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch unsere Liefer- und Logistikketten müssen neu gedacht werden“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstagausgabe). Die Versorgungssicherheit für Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel müsse dabei im Mittelpunkt stehen, so Rukwied.
Können wir es uns noch leisten, Flächen stillzulegen? - DBV-Vize Hemmerling
Der Vize-Generalsekretär des Bauernverbandes, Udo Hemmerling, geht in der NOZ noch einen Schritt weiter: „Der `Green Deal` oder die Farm-to-Fork-Strategie haben Szenarien wie den jetzigen Krieg offenbar nicht berücksichtigt“, sagte er. Abhängig von der weiteren Entwicklung des Krieges, müssten die Beschlüsse auf den Prüfstand gestellt und Fragen geklärt werden, etwa: „Können wir es uns noch leisten, Flächen stillzulegen?“, so Hemmerling.
🇺🇦 Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, verurteilt den Krieg in der #Ukraine aufs Schärfste: https://t.co/lF7J2CWy7X pic.twitter.com/TMI425maKl
— Deutscher Bauernverband e. V. (@Bauern_Verband) February 28, 2022
Am Montag stellte sich der Bauernverband demonstrativ hinter die Maßnahmen der Bundesregierung und der EU, die in den letzten Tagen in Folge des Ukraine Krieges getroffen wurde. „Die deutschen Bauern stehen solidarisch an der Seite des ukrainischen Volkes und sind in Gedanken bei unseren Berufskolleginnen und -kollegen und deren Familien, die massiv unter den russischen Angriffen leiden. Als Deutscher Bauernverband tragen wir die gegen Putin gerichteten Maßnahmen der Bundesregierung mit, auch wenn es für unsere Branche zu großen Herausforderungen kommen könnte“, sagte Bauernpräsident Rukwied.
Letzte Woche hatte Rukwied schon darauf hingewiesen, dass der Konflikt die Landwirtschaft sehr besorge und eine weitere Verknappung von Dünger in Folge des Krieges auch auf die Erntemengen in Deutschland und der EU wirken werde.
FDP-Agrarsprecher fordert Aussetzen des Green-Deals
Auch die FDP fordert nun die Aufgabe von Zielen aus dem Green Deal. „Der Green Deal mit seiner Farm-to-Fork-Strategie gehört ausgesetzt. In Zeiten von Inflation und Krieg in Europa muss die Ernährungssicherung bei der Landwirtschaftspolitik Vorrang besitzen“, sagte der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Gero Hocker. Mit dem Green Deal mache sich die EU-Kommission daran, Europa auch bei der Ernährung der eigenen Bevölkerung in eine schlechte Lage zu bringen, argumentiert er weiter. Ein Herunterfahren der Produktion etwa durch Anwendungseinschränkungen von Pflanzenschutzmitteln war für ihn „auch vorher schon falsch“, so Hocker. „In der aktuellen Krise wird nun noch deutlicher, wie gefährlich unnötige Beschränkungen der eigenen Landwirtschaft im Ernstfall sein können“, sagte er weiter. Die EU dürfe sich nicht von autoritären Staaten wie Russland auch noch bei der Nahrungsmittelversorgung abhängig machen.
Weitreichende Veränderungen und Sanktionen in Berlin und Brüssel
Der Bundestag war am Sonntag zu einer Sondersitzung zusammen gekommen. „Wir werden wir mehr tun, um eine sichere Energieversorgung unseres Landes zu gewährleisten“, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am Sonntag an.
Zudem hat die EU in der Nacht nach Angaben aus Brüssel und Berlin die angekündigten schwerwiegenden Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft gesetzt. Sie umfassen ein Verbot von Transaktionen der Bank in Bezug auf die hohen russischen Währungsreserven in Euro. Zudem wird das Vermögen der Bank in der EU beschlagnahmt. Außerdem ist in Kürze der Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift geplant.
Debatte über Selbstversorgungsgrade läuft
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), Ophelia Nick (Grüne), hatte am Freitag bekräftigt, dass es wegen des Kriegs in der Ukraine kurzfristig keine Versorgungsengpässe mit Lebensmitteln in der EU geben werde. Trotzdem müsse der Selbstversorgungsgrad bei einigen Lebensmitteln angehoben werden, schrieb sie auf Twitter.
Es war wichtig, schnell abzuklären, ob es #Versorgungsenpässe gebe kann, was derzeit nicht der Fall ist. Das ist gut. Trotzdem muss der #Selbstversorgungsgrad bei einigen Lebensmitteln angehoben werden. In Gedanken bei der #Ukraine. #WeStandWithUkraine @topagrar @cem_oezdemir https://t.co/UJWSJ36ser
— Ophelia Nick (@OpheliaNick) February 25, 2022
Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte zuvor eingeschätzt, dass Ausfälle bei der Getreideproduktion und beim Handel mit der Ukraine und Russland vor allem Hauptimporteure außerhalb Europas treffen werde. Die Aussicht auf Unterbrechung der Exporte aus der Region werde allerdings für zusätzliche Unsicherheiten, begleitet von Preisanstieg und erhöhter Preisvolatilität auf den internationalen Märkten sorgen. Damit könne es zu höheren Lebensmittelpreisen auch in der EU kommen.
Weitere Informationen zu den Auswirkungen auf den Agrarsektor finden Sie in unserem Liveticker zum Ukraine-Krieg.