Am 6. Juni sprechen F.A.Z. und top agrar im Rahmen des Diskussionsformats „Lass uns reden“ mit Landwirten, Politikern und Wirtschaftsvertretern über die Landwirtschaft der Zukunft. Gemeinsam stellen wir uns die Frage „Salmonellen, Rückstände, Antibiotika & Co. – Wie sicher sind Lebensmittel von Deutschlands Bauern wirklich?“. Melden Sie sich jetzt an und seien Sie am 6. Juni ab 19 Uhr im Berliner o2 Basecamp live dabei oder verfolgen Sie die Diskussion kostenlos über unseren Livestream. Alle Informationen zum Podium sowie der Anmeldung finden Sie hier.
Vorab sprachen wir mit Georg Abel, Bundesgeschäftsführer der Verbraucher Initiative e.V. über das große Thema Lebensmittelsicherheit. Er beschäftigt sich innerhalb des Bundesverbandes schwerpunktmäßig mit den Themen Nachhaltigkeit, Label und Klima. Außerdem vertritt er den Verband in Beiräten der REWE Group und Nestle sowie in Gremien der Initiative Tierwohl und der QS.
top agrar: Was genau macht eigentlich die Verbraucher Initiative e.V.?
Abel: Seit 1985 beschäftigt sich der gemeinnützig anerkannte Bundesverband vor allem mit ökologischen, gesundheitlichen und sozialen Verbraucherthemen. Aus der damaligen Gründung im Wohnzimmer von einigen wenigen ist heute ein mitgliedergetragener Bundesverband geworden, der von Tausenden unterstützt wird und der mit seinen Themen Millionen erreicht.
Seit über 30 Jahren informiert der gemeinnützige Verband Verbraucherinnen und Verbraucher, u.a. mit regionalen Veranstaltungen, Kampagnen, monatlichen Themenheften, verschiedenen Internetseiten, Studien und Verbraucher-Communities.
Wie ist es um die Lebensmittelsicherheit in Deutschland bestellt?
Abel: Lebensmittel, die in Deutschland verkauft werden, müssen sicher sein. Für die Sicherheit ist der Lebensmittelunternehmer verantwortlich. Ob die rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, wird in behördlichen Lebensmittelkontrollen überprüft.
Es gibt umfangreiche Regelungen, die Verbraucher vor gesundheitlichen Belastungen schützen sollen. Dazu gehören: Die Pflicht zur Zulassung von Zusatzstoffen sowie Regelungen zu Belastungen durch Rückstände wie Pflanzenschutz- oder Tierarzneimittel. Die Überwachungseinrichtungen kontrollieren, ob Bestimmungen eingehalten werden.
Wo sehen Sie Schwachstellen? Wo hakt es aus Ihrer Sicht in der Lebensmittelkette am meisten?
Abel: Im Großen und Ganze sind ausreichend Regelungen vorhanden. Es kommt darauf an, die Einhaltung konsequent zu überprüfen. Das ist eine Schwachstelle, da die Überwachungsbehörden unterbesetzt sind. Die Regelungen für die Kennzeichnung und die Informationen für lose Ware sind aus Kunden- bzw. Verbrauchersicht nicht immer befriedigend, da sie auf Informationen und Auskunft des Personals angewiesen sind. Diese können qualitativ jedoch sehr unterschiedlich sein. Hier wäre beispielsweise verpflichtende schriftliche Informationen wünschenswert wie es sie bereits bei der Allergenkennzeichnung gibt.
Die Regelungen für die Kennzeichnung und die Informationen für lose Ware sind aus Kunden- bzw. Verbrauchersicht nicht immer befriedigend (...)."
Wie gut ist unser Kontrollsystem? Brauchen wir eine Reform der Lebensmittelkontrolle?
Abel: Die Instrumente sind da, das Problem ist die Umsetzung, z. B. aufgrund von personellen Problemen.
Über eine Umstrukturierung der Lebensmittelüberwachung wird immer wieder diskutiert und es gibt entsprechende Vorschläge. Hier sind umsetzbare und praktikable Lösungen gefragt, damit die Überwachung ihre Aufgaben tatsächlich in dem vorgesehenen und notwendigen Umfang wahrnehmen können.
Haben wir ein Problem mit Antibiotikarückständen in Lebensmitteln? Und wenn ja, wie bekommen wir dieses aus Ihrer Sicht in den Griff?
Abel: Laut der Ergebnisse des nationalen Rückstandskontrollplans und des Einfuhrüberwachungsplans 2020 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sind gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Rückstände und Kontaminanten in Lebensmitteln vom Tier sind nicht zu erwarten.
Eine dauerhaft unausgewogene Ernährung mit reichlich Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren und Zucker, die zudem wichtige Vitamine und Mineralstoffe in unzureichenden Mengen enthält, hat deutlich schwerwiegendere Auswirkungen auf die Gesundheit als eine gelegentliche bzw. mögliche Aufnahme von Antibiotika im Fleisch oder anderen tierischen Lebensmitteln.
Eine dauerhaft unausgewogene Ernährung hat deutlich schwerwiegendere Auswirkungen auf die Gesundheit als eine mögliche Aufnahme von Antibiotika im Fleisch."
Jeder Landwirt, der Tiere hält, muss halbjährlich melden, wie häufig er Antibiotika einsetzt. Diese Daten werden in der zentralen staatlichen HIT-Datenbank gesammelt. Schaut man sich diese Daten an, dann sinkt der Antibiotikaeinsatz. Sind wir somit nicht auf einem guten Weg?
Abel: Dies ist ein erfreulicher Trend, allerdings lassen sich die Probleme in der Tierhaltung nicht nur auf den Einsatz von Antibiotika reduzieren. Es gibt aber noch zahlreiche andere Ansatzpunkte, wenn es um Verbesserungen bei der Tierhaltung und mehr Tierwohl geht.
Besteht auch Handlungsbedarf mit Blick auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln?
Abel: Mögliche Belastungen mit Pflanzenschutzmitteln werden in verschiedenen Untersuchungen und Kontrollplänen überprüft und erfasst. Die Ergebnisse von Berichten und Untersuchungen zeigen, dass es kaum Überschreitungen der gesetzlich festgelegten Höchstmengen bei Gemüse und Obst aus Europa gibt.
Grundsätzlich gilt: ein reduzierter Einsatz ist anzustreben, nicht nur aus gesundheitlichen, sondern auch aus ökologischen Gründen (z. B. Insekten, biologische Vielfalt) und für den Klimaschutz, denn die Produktion von Pflanzenschutzmitteln setzt reichlich CO2 frei.
Die Ergebnisse von Berichten und Untersuchungen zeigen, dass es kaum Überschreitungen der gesetzlich festgelegten Höchstmengen (von Pflanzenschutzmitteln) bei Gemüse und Obst aus Europa gibt."
Kann der Verbraucher erkennen, wie sicher ein Lebensmittel ist?
Abel: Lebensmittel dürfen in Deutschland nur verkauft werden, wenn sie sicher sind und die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Ansonsten kann er anhand der Angaben auf der Verpackung prüfen, ob Zutaten und Stoffe enthalten sind, die er nicht verträgt oder meiden möchte.
Haben wir zu viele Siegel? Verspielen wir Vertrauen bei den Bürgern, weil keiner mehr durchblickt?
Abel: Ja.
Wie sicher ist eigentlich das Essen außer Haus, also in Restaurants oder ähnlichem?
Abel: Grundsätzlich gelten hier auch gesetzliche Regelungen und der Gastwirt ist für die Einhaltung und die Sicherheit verantwortlich. Was die Kennzeichnung betrifft, gibt es jedoch Lücken: kennzeichnungspflichtig sind Zusatzstoffe und Allergene, mehr erfährt der Verbraucher aber nicht über die eingesetzten Lebensmittel, abgesehen von freiwilligen Angaben. Auch hier gibt es nur stichprobenartige Kontrollen der Überwachungs- und Aufsichtsbehörden, das ist ein ähnliches Problem wie bei Lebensmitteln: es gibt zu wenig Personal.
Brauchen wir eine Hygieneampel für Restaurants?
Abel: Das wäre wünschenswert. Es würde dafür allerdings mehr Personal für die Überwachung benötigt, damit die Betriebe geprüft und die Ampeln vergeben werden könnten.