Die EU-Kommission hat ihre Arbeit am endgültigen Vertragswerk zum Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten offenbar fast beendet. Das hat der Stellvertretende Generaldirektor der Generaldirektion für Handel (DG TRADE), Leopoldo Rubinacci, am Dienstag (24.6.) bei einer Anhörung im Handelsausschuss des Europaparlaments durchblicken lassen.
Kommission will Gas geben
Laut dem Kommissionsvertreter soll der Entwurf des Rechtstextes noch vor dem Ende des laufenden Monats von der Brüsseler Behörde verabschiedet werden. Nicht äußern wollte sich Rubinacci indes zu der Frage, ob das Abkommen aufgespalten werden soll oder nicht.
Die Kommission könnte das Freihandelsabkommen in zwei Teile – einen wirtschaftlichen (Handels-) und einen politischen Teil – aufspalten, um eine schnellere und einfachere Ratifizierung zu ermöglichen und den Widerstand einzelner Mitgliedstaaten zu umgehen.
Rubinacci unterstrich die Bedeutung der Vereinbarung. Auch und gerade beim Freihandelsabkommen mit dem Mercosur-Block gehe es nicht nur um Wirtschaft. Angesichts der steigenden Anzahl an weltweiten Konflikten liege es im Interesse der EU, verlässliche Partner zu finden.
Mercosur nicht „auf Kosten der Landwirtschaft
Nicht gelten lassen will Rubinacci den Vorwurf, das Abkommen erkaufe bestimmten Wirtschaftszweigen Marktzugang auf Kosten der Landwirtschaft. Ausgehandelt worden sei ein ausgeklügeltes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessen innerhalb der Agrar- und Ernährungswirtschaft. In diesem Zusammenhang erinnerte der Kommissionsbeamte auch an die Bedeutung des Außenhandels mit Agrarwaren und Lebensmitteln. Die EU sei in diesem Bereich sehr stark und habe keinen Anlass zur Sorge.
Das EU-Mercosur-Abkommen
Ende 2024 haben sich die EU-Kommission und die südamerikanischen Mercosur-Staaten haben sich auf ein Freihandelsabkommen geeinigt. Zur Europäischen Union gehören 27 Mitgliedstaaten, zum Mercosur gehören neben Brasilien und Argentinien auch Paraguay und Uruguay.
Sowohl das Europaparlament als auch die EU-Mitgliedstaaten müssen dem Deal noch zustimmen.
Brasilianischer Botschafter: Haben Zugeständnisse gemacht
Bei den Verhandlungen hätten die südamerikanischen Länder im Agrarbereich „bedeutende Zugeständnisse“ gemacht. Das sieht zumindest Brasiliens Botschafter in Brüssel, Pedro Miguel da Costa e Silva so. Die europäische Agrarwirtschaft profitiere von Zollsenkungen, erklärte der Diplomat im Handelsausschuss des Europaparlaments.
Für sensible Produkte gebe es Einfuhrquoten und nur „sehr eingeschränkten“ Marktzugang für die Südamerikaner. Hinzu komme der bislang umfassendste Schutz von geografischen Herkunftsangaben.
Entschieden entgegen trat da Costa e Silva Vorwürfen, die Erzeuger in den Mercosur-Staaten würden von unfairen Wettbewerbsvorteilen durch niedrigere Produktionsstandards profitieren. „Einige unserer Standards sind strikter als die europäischen“, so der Botschafter. Im Norden Brasiliens müssten die Landwirte zum Beispiel 20% ihrer Fläche aus der Produktion nehmen, in der Amazonasregion seien es sogar 80%. „Das geht über alle Auflagen für die europäischen Landwirte weit hinaus“, unterstrich da Costa e Silva.
Nicht stichhaltig ist aus Sicht des Brasilianers zudem die Kritik an fehlender Nachhaltigkeit in den südamerikanischen Ländern. Zwar gebe es ein Problem mit Entwaldung, räumte da Costa e Silva ein. Dabei dürfe jedoch die Ausgangslage nicht vergessen werden: Natürliche Lebensräume umfassten 65% von Brasiliens Staatsgebiet und damit ein Areal, das 30% größer als die gesamte EU sei.
Rückendeckung aus der Weinwirtschaft
Große Erwartungen an das Abkommen hat der Europäische Dachverband der Weinwirtschaft. „Wir unterstützen die Vereinbarung zu 100%“, brachte es Generalsekretär Ignacio Sánchez Recarte auf den Punkt. Nach seinen Angaben setzt die Weinbranche darauf, mit zusätzlichem Absatz in Südamerika Probleme wie Überproduktion und rückläufigen Konsum zu bewältigen, die zuletzt durch den Handelskonflikt mit den USA noch verschärft wurden.
Unvollständiges Bild der Agrarbranche
Der stellvertretende Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins, erinnerte daran, dass das Abkommen in zahlreichen anderen landwirtschaftlichen Sektoren abgelehnt wird.
Hier seien die Abgeordneten in der Pflicht, Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Laut Lins wäre es jetzt zudem an der Zeit, bereits bestehende EU-Regelungen noch mal einer Prüfung zu unterziehen. Er nannte in diesem Zusammenhang die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR).
Bauernverbände dagegen
Bereits im Vorfeld der Anhörung hatten mehrere europäische Branchenverbände gemeinsam mit den EU-Ausschüssen der Bauernverbände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (Cogeca) moniert, dass kritische Branchenvertreter nicht eingeladen worden seien. Durch das „selektive Framing“ drohe ein unvollständiges Bild des Abkommens gezeichnet zu werden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Es bestehe die Gefahr, dass die realen und drängenden Anliegen der europäischen Agrar- und Ernährungswirtschaft ignoriert würden. Vom Abkommen am stärksten betroffen wären laut den Verbänden die Erzeuger von Zucker, Rindfleisch, Geflügel, Mais, Eiern und Bioethanol.