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Brüssel will seine Schubladen für alle EU-Bürger gläsern machen

Die EU-Kommission zieht Lehren aus der Kritik an Glyphosat-Studien, an denen die Hersteller angeblich mitgearbeitet haben sollen, und geht auf Teil-Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative (ECI) “Ban Glyphosate“ ein.

Lesezeit: 7 Minuten

Die EU-Kommission zieht Lehren aus der Kritik an Glyphosat-Studien, an denen die Hersteller angeblich mitgearbeitet haben sollen, und geht auf Teil-Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative (ECI) “Ban Glyphosate“ ein. Sie will künftig alle wissenschaftlichen Studien im Bereich der Lebensmittelsicherheit, die von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (Efsa) für Genehmigungen von der Industrie herangezogen werden, öffentlich zugänglich machen.

 

Das vor sechs Jahren von der EU-Kommission eingeführte Demokratieprinzip der Europäischen Bürgerinitiative (European Citizen Initiative, ECI) soll reformiert und noch bürgerfreundlicher werden. Dies beschloss die EU-Kommission am Mittwoch.


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EU-Bürger sollen in Zukunft leichter auf Informationen, Studien und Entscheidungspapiere zugreifen können, die für die Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln, die Risikobewertung von Herstellungsverfahren in der Nahrungsmittelkette, die Bewertung von Lebensmittelzusatzstoffen, gentechnisch veränderten Organismen (GVO) oder Futtermittelzusatzstoffen zu Grunde gelegt werden.

 

Die EU-Kommission regt weiter an, ein EU-weites Register der in Auftrag gegebenen Studien zu erstellen und die mit einer Zulassung befassten Unternehmen zu durchleuchten, um sicherzustellen, dass keine für sie nachteiligen Studien zurückgehalten werden. Alle von der Industrie im Rahmen einer Risikobewertung eingebrachten Daten und Erhebungen sollen ebenso „automatisch und unmittelbar für die Bürger zugänglich sein“ schlägt die Brüsseler Behörde in ihrer Transparenzinitiative vor.


Auch auf Studien, die von der Industrie zur Stützung ihrer Produktzulassungsanträge vorgelegt werden, soll die Öffentlichkeit künftig Zugriff haben. Die seit 2002 geltende EU-Verordnung über das Allgemeine Lebensmittelrecht soll daher grundlegend überarbeitet werden.

 

Zur Erinnerung: Das war der Aufreger


Das Ringen und Gezerre um die vom US-Hersteller Monsanto beantragte Zulassungsverlängerung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat in der Europäischen Union (EU) hatte 2017 für heftige Kontroversen zwischen der Pflanzenschutzmittelindustrie und dem Europäischen Dachverband der Landwirte (Copa Cogeca) auf der einen Seite sowie Umweltverbänden, dem Ökolandbau und der Europäischen Bürgerinitiative “Ban Glyphosate” auf der anderen Seite geführt.


Der Streit entzündete sich vor allem um die wissenschaftliche Seriosität der von Monsanto geheim gehaltenen Zulassungsdokumente. Während Monsanto und Copa Cogeca sich für eine weitere Genehmigung von zehn Jahren ausgesprochen hatten, forderten Gegner ein Totalverbot von Glyphosat und allen gesundheitsgefährdenden Pestiziden auf europäischen Äckern.

 

Trotz EU-weiter Proteste und mehr als 1,3 Millionen Unterschriften für ein europaweites Glyphosat-Verbot, wurde die Zulassung im November 2017 um fünf Jahre verlängert. Dies war nicht zuletzt auf das Stimmverhalten von Ex-Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zurückzuführen. Er hatte in einem Überraschungscoup die über Jahre von der Bundesregierung geübte Enthaltungspraxis durch eine Zustimmung für fünf weitere Jahre der Weiterzulassung von Glyphosat im Fachausschuss in Brüssel zugunsten der Antragsteller eine Mehrheit und den Durchbruch verschafft.


Efsa soll selbst Studien in Auftrag geben können

 

Das Europäische Parlament (EP) hingegen, das sich gegen eine Verlängerung ausgesprochen hatte, setzte im März dieses Jahres den PEST-Ausschuss als Sonderausschuss für das Genehmigungsverfahren der EU für Pestizide ein. Damit reagierte das Parlament auf die Kritik von Wissenschaftlern an der Methodologie der Risikobewertung für Glyphosat und will für die Zukunft Genehmigungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln auf eine neue Grundlage stellen und transparenter machen.

 

Die EU-Kommission will der Efsa als entscheidendem Fachorgan in Zukunft die Möglichkeit verschaffen, selbst zusätzliche Studien in Auftrag zu geben. Beim Genehmigungsverfahren von Glyphosat waren vorwiegend Industriestudien zu Rate gezogen worden, deren Rohdaten geheim gehalten wurden und nicht von Kritikern auf ihre wissenschaftliche Validität hin überprüft werden konnten. Damit soll in Zukunft Schluss sein. Anstatt Industrieunternehmen und ihren Forschungslabors allein die wissenschaftliche Bewertung zu überlassen, will die EU in Zukunft selbst unabhängige wissenschaftliche Expertise einholen.

 

Transparenz und Risikokommunikationen einen neuen Stellenwert einräumen


„Damit reagieren wir auf die Sorgen der Bürger - wir erhöhen die Transparenz bei der Entscheidungsfindung, erleichtern den Zugang zu den einschlägigen Informationen und stellen sicher, dass eine vertrauenswürdige, wissenschaftlich fundierte Risikobewertung weiterhin das Fundament für die Entscheidungen in diesem sensiblen Bereich bildet, sagte der Erste Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans vor der Presse.


„Die wissenschaftlich untermauerte Risikobewertung, die wir in der EU durchführen, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, ist eine der strengsten weltweit. Indem wir die Bestimmungen über die Transparenz klarer machen und die Risikokommunikation im gesamten Verlauf wirksamer gestalten, machen wir die Risikobewertung jetzt noch robuster. Dank dieser Reform können die Bürgerinnen und Bürger künftig unmittelbar die wissenschaftlichen Studien einsehen, mit denen ein Zulassungsantrag gestützt wird“, erläuterte EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis.

 

Für die „Ban Glyphosate“-Bürgerinitiative kommen die guten Vorschläge und Absichten für die Zukunft jedoch zu spät. „Wir fanden keine Rechtfertigung, das Pestizid Glyphosat zu verbieten“, bekräftigte Timmermans die getroffene Glyphosat-Verlängerungsentscheidung.

 

Entsprechend unzufrieden zeigte sich Greenpeace Europe in seiner Erklärung zur Transparenzinitiative: „Die Veröffentlichung von Testresultaten für ein Zulassungsverfahren von Pestiziden ist das Minimum für ein geregeltes Verfahren“ unterstrich Greenpeace-Sprecher Mark Breddy. Pflanzenschutzmittelherstellern sollte es in Zukunft nicht erlaubt werden, für ihren eigenen Antrag Studien zur Untermauerung ihrer Position vorzulegen, weil sie rein Interessen geleitet seien. Ein Hauptanliegen der ECI „Ban Glyphosate“ sei es eben gewesen, dass künftig nicht mehr die beteiligte Industrie die Verlängerung ihrer Produkte selbst managt, sondern unabhängige öffentliche Körperschaften damit befasst würden.

 

Melior: „EU-Kommission hat aus umstrittener Wiederzulassung von Pflanzenschutzmitteln gelernt“


Die SPD-Europaabgeordnete Susanne Melior begrüßte die Vorschläge zur Überarbeitung der Grundlagenverordnung zu Lebensmittelrecht und Lebensmittelsicherheit. Darin geht es vor allem um mehr Transparenz bei wissenschaftlichen Studien und eine bessere Kommunikation über die Risikobewertung bei der Zulassung von Lebensmitteln, die in der Europäischen Union auf den Markt gebracht werden.

„Die Europäische Kommission hat aus den Erfahrungen um die umstrittene Wiederzulassung von Pestiziden gelernt und will nun mehr Klarheit in die wissenschaftliche Bewertung von Lebensmitteln bringen. Das ist absolut im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU. Die Sicherheit auf dem Teller muss stets gewährleistet sein“, sagte Melior als Mitglied im EP-Ausschuss für Lebensmittelsicherheit.

 

Ebner: „Glyphosat -Transparenz ist gut, unabhängige Studien sind besser“


„Die Vorschläge der EU-Kommission sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem aber noch weitere folgen müssen. Mehr Transparenz ist unbedingt wichtig. Die Zulassungsverfahren müssen aber insgesamt völlig neu organisiert werden. Studien und deren Bewertung dürfen nicht länger von den Herstellern selbst gemacht werden. Solche Studien müssen stattdessen öffentlich vollkommen herstellerunabhängig vergeben werden, finanziert über Gebühren“, sagte der Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Harald Ebner in Berlin. Nur so lasse sich das verlorengegangene Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen.


#Dafür müssten sich die neuen Ministerinnen Julia Klöckner und Svenja Schulze in Brüssel einsetzen. „Die deutsche Bundesregierung trägt hier eine besondere Verantwortung“. Denn ihr Ex-Minister Christian Schmidt habe den europäischen Glyphosat-Ausstieg Ende November vereitelt, der nach der umstrittenen Risikobewertung - die von seiner eigenen Behörde stammte - bereits zum Greifen nahe gewesen sei.


Rukwied: „Wissenschaftliche Bewertung muss Basis sein“


Den Vorschlag der EU-Kommission zur Überarbeitung der wissenschaftlichen Bewertungsverfahren im Lebensmittelrecht und auch bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sieht der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, positiv. „Transparente, wissenschaftliche Bewertungsprozesse müssen auch in Zukunft die Basis für die Zulassung für Pflanzenschutzmitteln und im Lebensmittelrecht insgesamt bleiben“. Es sei wichtig, das Vertrauen in die Verfahren und die Wissenschaft insgesamt zu stärken.

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