Nach Monaten der Kritik von allen Seiten hat Brüssel endlich eingelenkt: Die Europäische Entwaldungsrichtlinie (EUDR) wird um zwölf Monate verschoben. Nicht nur Forstwirte dürften aufatmen, denn die Richtlinie hat Auswirkungen bis in den Futtertrog hinein.
Die EUDR hat bisher viel Kritik auf sich gezogen: Beklagt wird nicht nur die Schaffung eines neuen Bürokratiemonsters, das beispielsweise Importfuttermittel deutlich verteuere, sondern auch die von Vielen als ungerecht empfundenen neuen Pflichten für deutsche Lieferketten-Teilnehmer, obwohl der Wald in Deutschland seit Jahren wächst. Selbst Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte deshalb nachdrücklich eine Verschiebung der zudem als unausgereift geltenden Richtlinie um sechs Monate gefordert.
Mehr Vorbereitungszeit
Die EU-Kommission hat nun eine zwölfmonatige Einführungsphase vorgeschlagen. Sie reagiert damit nach eigener Darstellung auf „Rückmeldungen internationaler Partner über ihren Stand der Vorbereitungen“. Diesen soll mehr Zeit für die Vorbereitung eingeräumt werden. Sollte dies vom Europäischen Parlament und vom Rat gebilligt werden, würde das Gesetz am 30. Dezember 2025 für Großunternehmen und am 30. Juni 2026 für Kleinst- und Kleinunternehmen gelten.
Wie die Kommission betont, stellt der Verlängerungsvorschlag in keiner Weise die Ziele oder den Inhalt des Gesetzes in Frage. Dennoch wurden heute auch die Grundsätze der Methodik veröffentlicht, die sie für das EUDR-Benchmarking anwenden wird, um Länder als Länder mit niedrigem, Standard- oder hohem Risiko einzustufen. Laut EU-Kommission wird nach der angewandten Methodik eine große Mehrheit der Länder weltweit als „geringes Risiko“ eingestuft. Dies soll die Gelegenheit bieten, kollektive Anstrengungen dort zu konzentrieren, wo die Entwaldungsherausforderungen akuter sind. Ob Deutschland zu den Ländern mit „geringem Risiko“ gehört, war der Pressemeldung nicht zu entnehmen.
Lins: Umsetzung muss vereinfacht werden
Ungeachtet dessen begrüßt der Europaabgeordnete Norbert Lins (CDU) die Verlängerung der Umsetzungsfrist der EUDR: „Das Ziel der EUDR, die weltweite Entwaldung zu bekämpfen, ist absolut richtig und unterstützenswert. Wir müssen unsere Verantwortung für den Schutz der Wälder ernst nehmen. Dennoch sehe ich den dringenden Bedarf, die Umsetzung zu vereinfachen, da viele kleinere Betriebe durch übermäßige Bürokratie stark belastet werden.“
Nötig dafür ist nach Auffassung von Lins, dass die Verordnung sowohl wirksam als auch umsetzbar bleibt – ohne unnötige bürokratische Hürden für unsere Land- und Forstwirtschaft und die meist mittelständischen Betriebe innerhalb der Lieferkette hier in Baden-Württemberg und ganz Europa.
Özdemir: Deutschland ist Niedrig-Risikoland
Auch von Politikern in Deutschland wird der Vorschlag der EU-Kommission mit Erleichterung aufgenommen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir begrüßt das Brüsseler Entgegenkommen. Das gebe deutschen wie europäischen Unternehmen und Betriebe wie auch den Mitgliedstaaten und Produktionsländern Zeit, sich angemessen auf die Anwendung dieser so wichtigen Verordnung vorzubereiten. Özdemir nimmt auch zur Kenntnis, dass die EU-Kommission die Einstufung in Risikoklassen vornehmen will. Hierzu stellt er klar: „Deutschland ist ein Niedrig-Risikoland und muss auch als solches eingestuft werden.“
Konrad: „Bürokratiemonstrum“ EUDR jetzt kritisch überdenken
Auch von Politikern in Deutschland wird der Vorschlag der EU-Kommission mit Erleichterung aufgenommen. Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad, hält fest: „Aus Sicht der Freien Demokraten ist es wegweisend für Europa, dass Ursula von der Leyen erste Schritte unternimmt, um die Fehler ihrer bisherigen Amtszeit zu korrigieren und Europa wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Die Verschiebung der Entwaldungsverordnung ist dabei ein wichtiges Signal.“
Konrad will nun kritisch prüfen, ob „das Bürokratiemonstrum“ nicht gänzlich überdacht werden sollte. Gut gemeinte Maßnahmen müssen nach dem Verständnis der Liberalen praktikabel für Unternehmen sein und dürfen nicht die Wohlstandschancen der Länder gefährden, mit denen Europa Handel treibt. „Die Entwaldungsverordnung zeigt, wie eine übermäßige Bürokratisierung die eigentlichen Ziele verfehlt. Anstatt den Regenwald zu schützen, erschwert die Verordnung nachhaltige Waldbewirtschaftung durch unpraktikable Aufzeichnungspflichten“, verdeutlicht Konrad. Die Verschiebung der EU-Entwaldungsverordnung sollte dazu genutzt werden, dass die "Null-Risiko"-Kategorie umgesetzt wird, um die Vorgaben für Länder mit geringem Entwaldungsrisiko erheblich zu lockern.
Krüsken: Keine zusätzliche Bürokratie
Die Verschiebung der Entwaldungsverordnung (EUDR) ist nach Ansicht des Generalsekretärs des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, überfällig und gerade noch rechtzeitig gekommen. Die im Vorfeld verursachten Unsicherheiten müssen laut Krüsken jetzt Anlass sein, die Verordnung nochmal grundsätzlich zu vereinfachen und Ländern mit einem effektiven Schutz des Waldes keine zusätzliche Bürokratie aufzuerlegen. Mit der Verschiebung um ein Jahr ist der Zeitdruck für Änderungen in der Verordnung hoch“, so Krüsken weiter und ergänzt: „Darin wird sich auch die neue Kommission und das neue Parlament messen lassen müssen: Meint man es mit Vereinfachungen und dem Bürokratieabbau ernst oder bleiben es Lippenbekenntnisse?“
Raiffeisenverband: Verordnung praxisgerechter und rechtssicher machen
Der Geschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Dr. Philipp Spinne, hält die Verschiebung für zwingend und notwendig: „Die Umsetzung wäre aufgrund massiver Mängel und handwerkliche Fehler schlichtweg nicht umsetzbar gewesen.“ Wichtig sei nun, die Zeit sinnvoll zu nutzen und die Umsetzung praxistauglich und rechtssicher zu machen. Ein massiver bürokratische Aufwand muss verhindert werden. Dazu gehört für Spinne, Erzeuger, deren Rohstoffe aus Ländern mit geringem oder keinem Entwaldungsrisiko kommen, außen vor zu lassen.
Die EUDR-Verordnung wurde von der Europäischen Kommission entwickelt, um der globalen Entwaldung entgegenzuwirken, die hauptsächlich durch die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen für Rohstoffe wie Holz, Kakao, Kaffee, Palmöl und Soja verursacht wird. Mit der Verordnung verpflichtet sich die EU, den Import und Export dieser Rohstoffe strenger zu regulieren, um die weltweite Waldzerstörung zu reduzieren. Unternehmen, die diese Rohstoffe in die EU einführen, müssen nachweisen, dass ihre Produkte nicht von kürzlich entwaldeten Flächen stammen. Die Verordnung trat im Juni 2023 in Kraft, und ursprünglich war eine Frist von 18 Monaten für die Umsetzung vorgesehen.