Die EU-Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof, weil die hierzulande angewendeten Erleichterungen für die Bauern bei der Mehrwertsteuer zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würden. Das EU-Recht erlaube nicht, eine Umsatzsteuer-Pauschalierung standardmäßig für alle Landwirte zu gewähren, heißt es.
Das Bundesfinanzministerium will laut der Tageszeitung taz aus Berlin aber an den Pauschalen festhalten. „Die Bundesregierung hält die für Land- und Forstwirte geltende pauschale Umsatzbesteuerung für vereinbar mit den europarechtlichen Vorgaben“, teilte das von dem SPD-Politiker Olaf Scholz geführte Ministerium der Zeitung mit. „Wir werden daher im anstehenden Verfahren vor dem EU-Gerichtshof die geltende Regelung gegen die Vorwürfe der Europäischen Kommission verteidigen.“ Das geltende Recht diene insbesondere dazu, das Steuer-Verfahren für die Landwirte und die Finanzverwaltung zu vereinfachen.
Pauschale falsch berechnet?
Gegenwind bekommt Scholz allerdings jetzt auch vom Bundesrechnungshof. Wie die taz unter Berufung auf die Rechnungsprüfer schreibt, nehmen zwei Drittel der Landwirte insgesamt jährlich über 200 Mio. Euro mehr Umsatzsteuer ein, als sie an den Staat weiterleiten. Grund sei, dass das Bundesfinanzministerium die Steuerpauschale falsch kalkuliert habe. „Dadurch fallen erhebliche Steuern aus, da viele Abnehmer die an die Pauschallandwirte gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer steuermindernd geltend machen können“, so der Rechnungshof.
„Pauschallandwirte“ stellen ihren Kunden 10,7 Prozent Mehrwertsteuer auf den Netto-Preis ihrer Produkte in Rechnung. Anders als die meisten normalen Unternehmen dürfen die Bauern das Geld behalten, dafür sich aber auch nicht die Mehrwertsteuer vom Finanzamt zurückholen, die sie selbst bei Käufen gezahlt haben. Das Verfahren soll ihnen Arbeit bei der Steuererklärung ersparen. Die EU gestattet den Mitgliedstaaten, solche Pauschalen einzuführen, um vor allem kleine Höfe zu fördern.
Deutschland räumt sie aber auf Antrag allen Betrieben ein. Zudem habe das Bundesfinanzministerium bei der Berechnung des Pauschalsatzes erst die Umsätze zu niedrig und dann die Belastung der Landwirtschaft durch Umsatzsteuerzahlungen zu hoch angesetzt, schreibt der Rechnungshof. In Wirklichkeit hätte zum Beispiel von 2013 bis 2015 der Pauschalsatz nur
9,4 Prozent betragen dürfen. Das sind 1,3 Prozentpunkte weniger als der derzeitige Tarif. „Diese 1,3 Prozentpunkte entsprechen einem Umsatzsteuerbetrag von über 200 Mio. Euro jährlich, den die Pauschallandwirte ihren Abnehmern zu viel berechnen und einnehmen“, so der Rechnungshof laut der taz.