Die Bundesregierung dämpft erneut Erwartungen nach großformatigen Änderungen am Gesetzentwurf für das Tierhaltungskennzeichengesetz. Vor allem die Forderung nach einer Ausdehnung der geplanten verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung auf ausländische Produkte weist sie zurück.
Es seien rechtliche Bedenken, die gegen eine Kennzeichnungspflicht für Waren sprechen, die ganz oder auch nur teilweise außerhalb Deutschland hergestellt werden, schreibt die Bundesregierung in ihrer in dieser Woche vom Kabinett beschlossenen Gegenäußerung auf Forderungen der Bundesländer. Diese hatten dem Entwurf zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz im Bundesrat zwar zugestimmt, aber dazu noch knapp 60 Änderungsvorschläge eingebracht.
EU-Herkunftskennzeichnung soll Wettbewerbsprobleme lösen
Lösen will Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) die Wettbewerbsungleichheit auf dem Fleischmarkt mit der Herkunftskennzeichnung. „Ich kenne auch die Sorge, dass ausländische Erzeuger einen Vorteil haben könnten, weil sie ihre Produkte nicht kennzeichnen müssen. Deshalb kämpfe ich in Brüssel dafür, dass neben dem Tierhaltungskennzeichen auch eine Herkunftskennzeichnung kommt“, sagte er in dieser Woche im Interview mit top agrar.
Sein Ministerium habe in diesen Tagen die Zusage bekommen, dass die EU-Kommission Anfang des Jahres eine Vorlage für eine Ausweitung der europäischen Herkunftskennzeichnung präsentieren werde, so Özdemir.
Weitere Verhandlungen zur Finanzierungsfrage
In der offiziellen Gegenäußerung auf die Länderkritik teilt die Bundesregierung die Forderung des Bundesrates nach einem Finanzierungskonzept für den Umbau der Tierhaltung. Nachdem mit der Bereitstellung von 1 Mrd. € im Bundeshaushalt eine Anschubfinanzierung ermöglicht werde, werde eine Koalitionsarbeitsgruppe über eine weitergehende Finanzierung beraten, heißt es dort.
„Wir fangen hier zum Glück nicht bei null an, die Ergebnisse der Borchert-Kommission sind bekannt. Ich rate allen dazu, dort nochmal einen Blick reinzuwerfen. Ich persönlich bräuchte nicht so viel Zeit für die Frage der Finanzierung“, sagte Özdemir dazu im Interview mit top agrar.
Zeitplan für Öffnung des Tierhaltungskennzeiches offen
Offen zeigt sich die Regierung gegenüber der Kritik der Länderkammer, die Kennzeichnung zunächst auf frisches Schweinefleisch und den Abschnitt der Mast sowie die Vermarktung über den Lebensmitteleinzelhandel zu beschränken. Laut Gegenäußerung soll die verpflichtende staatliche Kennzeichnung „schrittweise auf Vermarktungswege, Haltungsabschnitte, Produkt- und Tierarten ausgeweitet werden“. Allerdings wird nicht weiter ausgeführt, wann und wie das erfolgen soll.
Priorität hat laut Agrarminister Özdemir zunächst die Notifizierung des vorhandenen Gesetzentwurfs zur Tierhaltungskennzeichnung bei der EU. Danach könne es zügig weitergehen mit der Gastronomie und verarbeiteten Produkten, anderen Tierarten und dem gesamten Lebenszyklus, erläuterte Özdemir.
Erleichterungen für höhere Haltungsstufen beim Baurecht
Die Regierung betont zudem die Notwendigkeit, Anpassungen im Bereich immissionsschutzrechtlicher Regelungen vorzunehmen, um den Um- und Neubau tierwohlgerechter Ställe zu erleichtern. Parallel zum Gesetz sollen demnach „verlässliche und klare Vollzugsregelungen zur TA Luft“ beschlossen werden. Ziel sei es, die Erleichterung von Emissionsminderungsverpflichtungen für qualitätsgesicherte Haltungsverfahren mit den Kriterien für die Haltungsformen Frischluft, Auslauf/Freiland und Bio in Einklang zu bringen.
Den Fokus beim Baurecht auf die höheren Haltungsstufen begründet Agrarminister Özdemir mit dem Ziel der Lenkungswirkung. „Wir wollen ermutigen und den Landwirten helfen, auf artgerechtere Haltungsformen umzusteigen, die den gesellschaftlichen Vorstellungen einer tiergerechten Haltung entsprechen“, sagte er gegenüber top agrar. Dazu sollen die Finanzierung, ein geändertes Baurecht und die Anpassungen bei der TA Luft als Paket dienen.
Regierung räumt bewusste Abkehr vom Borchert-Konzept ein
Nicht einverstanden ist die Regierung mit der Forderung der Länderkammer, dass der Umbau der Tierhaltung auf der Grundlage der Vorschläge der Borchert-Kommission erfolgen müsse. Sie argumentiert, dass sich die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks von 2020 an dem damals vorgesehenen Konzept eines freiwilligen Tierwohlkennzeichens sowie den Stufen 2 bis 4 vom Haltungsformkennzeichen des Lebensmitteleinzelhandels orientiert hätten. Der nunmehr geplanten staatlichen Tierhaltungskennzeichnung liege ausdrücklich kein Stufenmodell zugrunde.
Mit Material von AgE