Wie unterschiedlich die Positionen zur europäischen Agrarpolitik sind, zeigte sich zuletzt wieder im Bundestag. Während der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Friedrich Ostendorff, die "alte Agrarpolitik" am Ende sieht und eine "Agrarwende 2.0" forderte, warnte der CDU-Abgeordnete Josef Rief vor einer Kürzung der Direktzahlungen und zusätzlichen bürokratischen Lasten für die landwirtschaftlichen Betriebe. Rief stellte fest, dass für jeden zweiten Landwirt die Direktbeihilfen bis zu 50 % seines Einkommens ausmachten. Die CSU-Agrarpolitikerin Marlene Mortler ergänzte, gebraucht werde in Zukunft mehr denn je eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Auch der FDP-Agrarexperte Dr. Edmund Geisen hält angesichts der Herausforderungen wie Klimaschutz, Welternährung, Energieversorgung und Erhalt der Artenvielfalt eine EU-Agrarpolitik für erforderlich, die die moderne, effiziente und nachhaltig wirtschaftende Landwirtschaft stärkt. Eine nach der Produktionsweise differenzierte Subventionspolitik mit staatlicher Gängelung, wie von SPD und Bündnisgrünen gefordert, sei für die FDP definitiv keine Lösung, betonte Geisen.
Der Agrarsprecher der SPD-Fraktion, Dr. Wilhelm Priesmeier, verwies auf den Grundsatz "öffentliches Geld für öffentliche Güter". Er forderte ein Weg von der Belohnung dafür, an sich selbstverständliche fachliche Vorgaben einzuhalten, und ein Hin zu einer Entlohnung konkreter gesellschaftlicher Leistungen. Für die Fraktion Die Linke stellte Steffen Bockhahn fest, man lehne jeden Versuch kategorisch ab, die Direktzahlungen von der Größe der bewirtschaftenden Fläche abhängig zu machen. Bockhahn plädierte stattdessen für eine zielgenauere Bindung der Beihilfen an soziale und ökologische Leistungen. Ostendorff warf der Regierungskoalition vor, wenig Mut zu zeigen und den Ewiggestrigen das Wort zu reden. Kritik übte der Grünen-Politiker an der Ernennung von Peter Bleser zum Parlamentarischen Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium. Es sei falsch, dass gewählte Vertreter der Bürger gleichzeitig interessengeleitete Aufsichtsratsvorsitzende in sehr großen Genossenschaften seien, meinte Ostendorff. Bleser steht dem Aufsichtsrat der Raiffeisen Waren-Zentrale Rheinland (RWZ) vor.
Kritik in die gleiche Richtung musste sich Ostendorff dann selbst von der CSU-Abgeordneten Mortler gefallen lassen. Sie warf dem Grünen-Politiker vor, Klientelpolitik für 5 % der Bauern zu machen. Ostendorff sei ein "Nestbeschmutzer" und betreibe Kulturkampf, sagte Mortler. Die Union stehe für eine moderne und innovativ ausgerichtete Landwirtschaft. Diese müsse im Einklang mit Wissenschaft und Forschung stehen; ihr sollten die neuesten Erkenntnisse zugrundeliegen. Die Landwirtschaft müsse darauf ausgerichtet sein, Ressourcen zu sparen und so zur Optimierung beizutragen. Es sei eben keine Frage von Klein oder Groß, sondern eine Frage von Können und Wissen, sagte die CSU-Politikerin. Rief warnte, sollten die Direktzahlungen gesenkt werden, würden weitere Höfe aufgeben. "Wollen Sie wirklich, dass der ländliche Raum ausblutet", so die Frage des CDU-Abgeordneten an die Opposition. Auch widersprach er der Ansicht, die ökologische Landwirtschaft werde zu wenig gefördert. Schon jetzt erhalte jeder ökologisch wirtschaftende Betrieb in Baden-Württemberg eine um 190 Euro durchschnittlich höhere Förderung pro Hektar als der konventionelle Hof.