Angesichts der schlechten Getreideernte im vergangenen Jahr befürchtet der Präsident des Bundesverbandes der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA), Bruno Fehse, eine recht knappe Versorgung der Mühlen in den kommenden Monaten. Er rechne damit, „dass es sehr eng wird“, so Fehse am vergangenen Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Sollte die bisher verzögerte Entwicklung der Bestände nicht durch günstige Witterungsbedingungen im Frühjahr aufgeholt werden, ist nach seiner Einschätzung zudem 2011 von einem späteren Erntebeginn auszugehen.
Zurückhaltung herrscht laut Fehse derzeit beim Abschluss von Vorkontrakten. Erst wenn zuverlässigere Informationen zu Aussaatflächen und Auswinterungsschäden sowie dem Stand der Frühjahrsarbeiten zur Verfügung stünden, komme das Geschäft wieder in Schwung. Absehbar sei, dass weltweit mit einer Ausweitung der Anbaufläche und der Steigerung der Anbauintensität sowie folglich unter normalen Witterungsverhältnissen mit einer steigenden globalen Ernte zu rechnen sei.
Das aktuelle Preisniveau von Ex-Ernte-Preisen für B-Weizen von 190 Euro/t bis 215 Euro/t netto, für Futtergerste von 160 Euro/t bis 200 Euro/t sowie für Rapssaat von 410 Euro/t bis 445 Euro/t hält der BVA-Präsident vor diesem Hintergrund für eine attraktive Planungsbasis. Die Preisgebote für die Ernte 2012 seien etwas niedriger. „Wir raten den Landwirten bei diesen jetzt angebotenen Preisen, für die Ernte 2011 Teilmengen abzusichern“, sagte Fehse. Die Kurse lägen jetzt auf einem guten Niveau und sollten genutzt werden. Er warnte vor dem Verzicht auf Abschluss von Vorverträgen. Das Risiko bleibe besser beherrschbar, wenn man die Getreidevermarktung über vier bis fünf Etappen verteile.
Spekulation auf weiter steigende Kurse
Mit der restlichen Lagerware spekulieren die Landwirte indes laut BVA-Einschätzung auf weiter steigende Kurse. Das Angebot an freier Ware falle daher äußerst bescheiden aus, während die Nachfrage der Verarbeiter, also von Mühlen und Exporteuren, vorhanden sei. Die noch verfügbaren Lagerbestände bezifferte Fehse auf rund 20 % der Weizenerntemenge, während Rapssaat bis auf Restbestände weitgehend ausverkauft sei. Anders als in den Vorjahren stehe damit der regen Nachfrage nur noch ein vergleichsweise kleines Angebot gegenüber.
Aus heutiger Sicht gebe es kaum Potential für deutlich fallende Preise. Die Getreidebilanzen aller Kulturen seien bestenfalls ausgeglichen. Aussichten auf eine Entspannung am Getreidemarkt sieht der BVA-Präsident daher nicht vor der nächsten Ernte. Abweichungen von einem normalen Witterungsverlauf sowie Verzögerungen oder Probleme im Aufwuchs der neuen Ernte führten an den Getreidemärkten sofort zu Preissteigerungen. Dagegen würden positive Meldungen über die neue Ernte weitgehend ausgeblendet, bis diese tatsächlich eingebracht sei. (AgE)