Interview

Steiniger: "Die Politik hat zu viel Vertrauen in der Landwirtschaft verspielt"

Johannes Steiniger ist neuer Agrarsprecher der CDU/CSU-Fraktion. Er hat noch nicht selbst gemolken, aber Berührungspunkte mit der Landwirtschaft. Im top agrar-Interview skizziert er seine Motivation.

Lesezeit: 8 Minuten

Der Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger ist seit Mai 2025 neuer Agrarsprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Im exklusiven top agrar-Interview erläutert er seine Ziele als Agrarpolitiker in den kommenden Jahren. Er will das Vertrauen der Landwirte und Winzer in die Politik zurückgewinnen. Er spricht sich für eine Rotationsbrache im krisengebeutelten Weinbau aus und plädiert für eine Ausnahme des Mindestlohns für Saisonarbeitskräfte. Steiniger fordert faire Wettbewerbsbedingungen in Freihandelsabkommen und erklärt, welche große Bedeutung Heimat und regionale kultureller Identität nicht nur für ihn haben.

"Heimat ist dort, wo der Metzger deinen Namen kennt"

Herr Steiniger, Sie sind seit kurzem Agrarsprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Was verbindet Sie persönlich mit der Landwirtschaft?

Steiniger: Ich komme aus der ländlich geprägten Pfalz und beschäftige mich von daher seit vielen Jahren mit unserer regionalen Landwirtschaft: vom Wein- über den Obst- und Gemüseanbau bis hin zum pfälzischen Ackerbau.

Politisch waren mir landwirtschaftliche Themen seit meiner Wahl in den Bundestag 2013 immer wichtig. Im Finanzausschuss habe ich in den vergangenen acht Jahren unter anderem das komplette landwirtschaftliche Steuerrecht betreut. Ganz persönlich kenne ich den norddeutschen Milchviehbetrieb meiner Cousine gut. Insofern freue ich mich riesig auf meine neue Funktion als landwirtschaftspolitischer Sprecher.

 

Haben Sie schon einmal selbst gemolken?

Steiniger: Tatsächlich noch nicht direkt – aber dabei gewesen bin ich schon als kleines Kind bei Besuchen bei der Verwandschaft in Schleswig-Holstein.

Ich beschäftige mich als Vorsitzender der Lebenshilfestiftung Bad Dürkheim auch im Ehrenamt mit Landwirtschaft. Wir unterstützen einen Demeterhof und haben unter anderem haben den Umbau eines Kuhstalls mitfinanziert. Das schafft einen besonderen Bezug zur Landwirtschaft.

Johannes Steiniger ist ein deutscher Politiker der CDU und seit 2013 Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Geboren 1987 in Bad Dürkheim, absolvierte Steiniger ein Lehramtsstudium in Heidelberg und engagierte sich intensiv in der Jungen Union sowie in der CDU vor Ort. In seiner politischen Laufbahn engagierte er sich insbesondere in der Finanz-, Sport- und Bildungspolitik sowie in agrarpolitischen Themen im ländlichen Raum ein. Seit Mai 2025 ist Steiniger agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Wie nehmen Sie die Stimmung der Winzer und Landwirte in Ihrer Heimatregion wahr?

Steiniger: Selbstkritisch muss man feststellen, dass die Politik nicht nur unter der Ampel, sondern auch schon davor viel Vertrauen im Berufsstand verspielt hat. Unsere Aufgabe ist jetzt, dieses Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Das geht nur, wenn wir Politik mit den Landwirten und nicht gegen sie machen.

Speziell in der Pfalz kommt noch die Krise im Weinbau hinzu. Die Preise sind derzeit im Keller. Einzelne Betriebe nehmen deshalb ganze Weinberge aus der Bewirtschaftung. So etwas habe ich in 20 Jahren noch nicht gesehen.

Wir müssen für dieses Thema Antworten finden; insbesondere für die Frage, wie wir Flächen zeitweise aus der Bewirtschaftung nehmen können und trotzdem die Pflanzrechte erhalten bleiben. Ich halte deshalb viel vom Vorschlag einer Rotationsbrache.

 

Was treibt die Pfälzer Bauern sonst noch um?

Steiniger: Heiß diskutiert wird natürlich bei uns das Thema Mindestlohn. Ich verstehe auch warum. Gerade im Sonderkulturbereich Obst, Gemüse, Wein sind wir nun einmal sehr arbeitsintensiv. Die Arbeiten können Sie in der Regel nicht mit Maschinen erledigen. Deshalb sind Saisonarbeitskräfte unverzichtbar und wir müssen sehen, wie wir da die Arbeitskosten in den Griff bekommen.

 

Eine erneute Anhebung des Mindestlohns dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Wie sollen die Saisonbetriebe denn da entlastet werden?

Steiniger: Ich finde, dass man insbesondere bei ausländischen Saisonkräften damit argumentieren kann, dass diese nur wenige Wochen im Jahr in Deutschland leben, hier fleißig arbeiten und dann in ihre Heimat zurückkehren. Eine Ausnahme für Saisonarbeitskräfte beim Mindestlohn wäre aus meiner Sicht notwendig. Wir müssen sicherstellen, dass weiterhin Obst, Gemüse und Wein in Deutschland angebaut werden.

Sie sind 37 Jahre alt. Wie schätzen Sie die Situation der Landwirte Ihres Alters in Deutschland ein?

Steiniger: Viele dieser Junglandwirte sind auf dem Hof aufgewachsen, haben ihr Leben lang in der Landwirtschaft gearbeitet und wollen dieses Generationenprojekt auch gerne fortsetzen. Gleichzeitig fragen sich etliche dieser jungen Leute zurecht, ob sie sich das heute noch antun wollen. Bürokratie, das EU-Regelwerk und die hohen Kosten sind sicherlich Hemmschuhe.

Die Politik steht in der Pflicht, die Rahmenbedingungen günstig zu gestalten und den Politikwechsel auch in der Agrarpolitik umzusetzen.
Johannes Steiniger

Letztlich ist das aber eine individuelle Entscheidung. Die Politik steht in der Pflicht, die Rahmenbedingungen günstig zu gestalten und den Politikwechsel auch in der Agrarpolitik umzusetzen. Nicht zuletzt, indem endlich wieder positiv über die Landwirtschaft gesprochen wird. Immerhin sind das die Leute, die dafür sorgen, dass die Supermärkte voll sind.

Ich finde, dass Minister Rainer hier zu Beginn seiner Amtszeit den richtigen Ton gesetzt hat: Ein klares Bekenntnis zu unserer Landwirtschaft.

Was sind Ihre zentralen Ziele für die deutsche Landwirtschaft in dieser Legislaturperiode?

Steiniger: Große Überschrift: Vertrauen zurückgewinnen und die Rahmenbedingungen für Bauern und Winzer in Deutschland verbessern.

Natürlich haben wir auch die konkreten Ziele, wie die zeitnahe Wiedereinführung der Agrardiesel-Rückvergütung. Das haben wir im Koalitionsvertrag versprochen und das werden wir auch umsetzen.

Auch das Thema Bürokratieabbau müssen wir schnellstmöglich angehen. Dafür haben wir ein eigenes Ministerium, aber ich glaube, da ist auch das Landwirtschaftsministerium gefragt. Die 194 Vorschläge der Bundesländer sind eine gute Grundlage. Nun muss es an die Umsetzung gehen.

 

Was machen Sie mit den Ämtern und Behörden, die Überwachung, Dokumentation und Kontrolle in der Praxis umsetzen? Letztlich ist das doch die Grundlage ihrer Arbeit. Können wir erwarten, dass man hier begeistert beim Bürokratieabbau mitmacht?

Steiniger: Sie sprechen da einen wichtigen Punkt an. Wir können hier in Berlin viel entscheiden. Wenn es in der Kreisverwaltung oder der Unteren Naturschutzbehörde anders ausgelegt wird, hilft es den Unternehmern vor Ort nicht.

Das ist aus meiner Sicht auch eine politische Führungsaufgabe. Indem man vom Kanzler angefangen über den Minister bis zum Landrat vor Ort sagt: „Wir sind in einer herausfordernden Lage in unserem Land. Wir wollen, dass die Wirtschaft wieder wächst. Wir wollen, dass wir gute Rahmenbedingungen für Landwirte haben.“

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir galt die Tierhaltungskennzeichnung als wichtiger Schritt, die deutsche Tierhaltung zu stärken. Die Bundesregierung hat nun den Start auf März verschoben. Gut oder schlecht für unsere Tierhalter?

Steiniger: Das ist eine sehr gute Nachricht, denn das Gesetz ist schlicht noch nicht praxisreif. Wir hören aus der Praxis, dass es enorme Probleme mit der Umsetzung gibt. Soweit ich weiß, sind nur 60 % der Bauern registriert und wir haben sechzehn unterschiedliche Datenbanken in den Ländern. Im Koalitionsvertrag haben wir uns deshalb mit der SPD darauf geeinigt, dass wir das Gesetz grundlegend reformieren möchten. Dafür brauchen wir natürlich auch Zeit.

Nach wie vor ist die Finanzierung des Tierwohlumbaus und der höherwertigen Haltungsbedingungen nicht geklärt. Von Bundeshaushalt über Mehrwertsteueranhebung bis zu GAK gibt es viele Vorschläge. Welche Idee schwebt Ihnen vor?

Steiniger: Bei steuerlichen Regelungen bin ich sehr skeptisch. Die machen die Lebensmittel noch teurer. Ich bin auch lange genug Finanzpolitiker, um zu wissen, dass solche Gelder nie vollständig zweckgebunden eingesetzt werden.

Muss Infrastruktur immer in Form von Brücken oder Straßen gedacht werden? Ist nicht auch die Versorgungssicherheit letztlich eine wichtige Infrastrukturfrage?
Johannes Steiniger

Ich denke, es müssen Haushaltsmittel oder ein ganz anderer Ansatz sein. Denken Sie an das Infrastruktursondervermögen. Muss Infrastruktur immer in Form von Brücken oder Straßen gedacht werden? Ist nicht auch die Versorgungssicherheit letztlich eine wichtige Infrastrukturfrage? Ich behaupte, die Verteidigungsfähigkeit eines Landes hängt auch damit zusammen, ob sich dieses Land selbst mit Lebensmitteln versorgen kann.

 

In Brüssel hat längst der Kampf um den Mehrjährigen Finanzrahmen begonnen. Die Begehrlichkeiten sind groß und manch einer fragt sich, ob der EU-Agrarhaushalt in seiner Höhe Bestand haben wird.

Steiniger: Es sollte das Mindestziel sein, dass der GAP-Haushalt in seiner jetzigen Höhe erhalten bleibt. Das läge auch im Eigeninteresse der EU. Schließlich sind die Agrarpolitik und der gemeinsame Markt ein Grundpfeiler der Union.

 

In Deutschland gibt es enorme agrarstrukturelle Unterschiede zwischen Nord und Süd oder Ost und West. Wie kann Agrarpolitik die daraus resultierenden unterschiedlichen Interessen unter einen Hut bringen?

Steiniger: Indem die Politik diese Unterschiede anerkennt und auch die Vorteile, die daraus resultieren. Diese Heterogenität macht die deutsche Landwirtschaft resilienter. Die Politik ist gut beraten, das bei der Rahmensetzung im Blick zu behalten und nicht allen Regionen die eine Einheitslösung überzustülpen.

 

Export ist für die deutsche Agrarwirtschaft wirtschaftlich wichtig. Dennoch werden Freihandelsabkommen von vielen Landwirten als Risiko für den eigenen Betrieb wahrgenommen. Was sagen Sie diesen Menschen?

Steiniger:  Das ist eine berechtigte Sorge – und keine einfache Frage. Gesamtwirtschaftlich halte ich viel vom Freihandel. Die Landwirtschaft ist allerdings ein anderer Betriebszweig als beispielsweise die Autoindustrie.

Gesamtwirtschaftlich halte ich viel vom Freihandel. Die Landwirtschaft ist allerdings ein anderer Betriebszweig als beispielsweise die Autoindustrie.
Johannes Steiniger

Wir müssen darauf achten, dass unsere heimische Produktion nicht durch unfaire Wettbewerbsbedingungen unter Druck gerät – etwa wenn in anderen Ländern mit viel geringeren Löhnen gearbeitet wird oder Umweltstandards nicht vergleichbar sind.

Ihr Arbeitsfeld umfasst nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch das Thema Heimat. Was bedeutet Heimat für Sie?

Steiniger: Heimat ist dort, wo der Metzger deinen Namen kennt. Ich finde, das passt sehr gut. Heimat ist da, wo dich die Leute kennen, wo sie dich grüßen und wo du dich einfach zuhause fühlst.

In der Pfalz haben wir zum Beispiel unsere tolle Weinkultur, das größte Weinfest der Welt, das es seit sechshundert Jahren gibt. Genauso die zahllosen Vereine, in denen sich viele engagieren. Das alles stiftet Identität und Zusammenhalt – und genau das gilt es zu bewahren.

 

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