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Connemann: „Wir haben Bauchschmerzen mit einer steuerlichen Lösung“

Für den geforderten Umbau der Tierhaltung sind noch viele politische Schritte nötig. Die CDU/CSU-Fraktion will mit dem Baurecht anfangen und hadert mit einer Finanzierung über eine Steuer.

Lesezeit: 7 Minuten

Wie geht es jetzt mit dem Umbau der Tierhaltung nach der Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie zur Umsetzung der Borchert-Vorschläge weiter? Zu welchen Entscheidungen werden sich Bundesregierung und Bundestag noch durchringen können? Ein Interview mit der Vizefraktionschefin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Gitta Connemann.

top agrar: Die Beratungen zu Änderungen um Baurecht für Tierwohlställe treten seit Monaten auf der Stelle. Kommt es jetzt, nachdem eine Machbarkeitsstudie die Borchert-Vorschläge unterstützt, zum Abschluss?

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Connemann: Wir würden uns dies sehr wünschen, mehr als das. Aus unserer Sicht sind Änderungen im Baurecht unverzichtbar. Landwirte wollen in Tierwohl investieren, können es aber derzeit nicht, ohne den Bestandsschutz zu verlieren. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart: Wer Ställe zu Tierwohlzwecken modernisieren will, muss den Bestandsschutz behalten. Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums dafür liegt auf dem Tisch. Der Bundestag hat darüber bereits einmal debattiert. Seit der Anhörung im September sind wir aber nicht weitergekommen. Denn die SPD tut sich schwer mit dem Gesetzentwurf. Aber wir bleiben am Ball. Denn die Bauern brauchen Planungssicherheit.

Der Gesetzentwurf fürs Baurecht hilft bisher nur gewerblichen Betrieben. Soll das so bleiben?

Connemann: Aus unserer Sicht sind Änderungen erforderlich. Der Gesetzentwurf hat das Ziel, mehr Tierwohl baurechtlich zu ermöglichen. Deshalb sollten die Erleichterungen auch für alle Anlagen gelten. Dafür müsste erstens das Datum raus. Wenn bestehende gewerblichen Anlagen für Tierwohlzwecke geändert werden sollen, muss das ohne Bebauungsplan gehen, egal ob sie vor oder nach dem 20. September 2013 genehmigt wurden. Zweitens sollten die Erleichterungen für alle Baumaßnahmen gelten, also auch für Ersatzbauten und Anbauten. Und drittens sollte dies für alle Betriebe gelten.

Eine Änderung des Baugesetzbuches wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu noch mehr Tierwohlställen.

Wollen Sie jetzt nur noch isoliert das Baurecht voran treiben, oder wird es noch einen großen Wurf mit Tierwohldefinition, Tierwohlfinanzierung und Kennzeichnung geben?

Connemann: Das eine tun, das andere nicht lassen. Der vorliegende Gesetzentwurf würde im ersten Schritt schon helfen - nicht nur den Landwirten, sondern auch den Kommunen. Denn die freuen sich über jeden Bebauungsplan, der nicht aufgestellt werden muss. Allerdings wäre das nur ein erster kleiner Schritt. Wir wollen weitergehen. Die Änderungen, die meine Fraktion vorschlägt, würden auf eine Tierwohlwohlverbesserungsgenehmigung hinauslaufen. Genau diese fordern jetzt auch die Länder. Der Bundesrat will eine neue Privilegierung im Baugesetzbuch für alle Tierhalter und für alle baulichen Maßnahmen zu Tierwohlzwecken, sofern dabei die Zahl der Tierplätze nicht erhöht wird. Recht hat er. Eine solche Änderung des Baugesetzbuches wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu noch mehr Tierwohlställen. Und es wäre ein wichtiges Signal an die Landwirte und die Landkreise, die händeringend auf eine Entscheidung warten.

Und diese Änderungen sind auch noch vor der Wahl zu erwarten?

Connemann: Die Änderungen kann man noch bis zum Sommer hinbekommen. Dafür müssen alle nur guten Willen zeigen. Im Bundesrat haben auch die SPD-geführten Länder dafür gestimmt. Das kann die SPD-Bundestagsfraktion eigentlich nicht ignorieren. Wenn sie sich einen Ruck geben würde, wäre die Einführung einer neuen Tierwohlverbesserungsgenehmigung noch vor der Wahl möglich. Sonst müsste es bei der kleinen Lösung bleiben.

Tierwohl muss allgemein definiert werden – nicht über Zentimeter oder Kilogramm.

Die SPD fordert aber für eine Zusage eine Definition von Tierwohl.

Connemann: Ohne Frage: wir brauchen eine Definition. Denn der Gesetzentwurf verwendet den Begriff Tierwohl. Aber was darunter genau zu verstehen ist, steht nirgendwo. Wie auch? Bislang tauchte der Begriff Tierwohl in Gesetzen nicht auf. Auch nicht im Tierschutzgesetz oder der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Es gibt deshalb keine geschützte Definition des Tierwohls. Hier ist eine Lücke. Die müssen wir schließen. Da sind wir uns einig. Es geht aber um das Wie und das Wo der Regelung. Die SPD will die Ergebnisse der Arbeitsgruppen der Borchert-Kommission abwarten, setzt also auf konkrete Kriterien nach dem Zentimetermaß – und das alles im Baugesetzbuch. Da gehört die Definition aber nicht hin. Und der Begriff muss allgemein definiert werden – nicht über Zentimeter oder Kilogramm. Bei einem so kleinteiligen Vorgehen besteht nämlich sonst die Gefahr, dass der Gesetzgeber ständig nacharbeiten muss. Deshalb brauchen wir eine allgemeine Definition. Wir haben gesetzliche Standards durch das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Darauf könnte aufgebaut werden, nach dem Motto: Die Standards für das Tierwohl werden durch Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung festgelegt. Eine Verbesserung würde vorliegen, wenn über diese Standards hinausgegangen wird oder Landwirte frühzeitige neue gesetzliche Vorgaben, wie derzeit in der Sauenhaltung, in ihren Ställen mit Leben füllen wollen. Ob diese Voraussetzung vorliegt, sollten die Kommunen vor Ort entscheiden. Denn sie haben mit ihren Veterinär- und Bauämtern die erforderliche Kompetenz.

Eine Entscheidung zur Finanzierung wäre wünschenswert.

Welche Aspekte der Borchert-Vorschläge wollen Sie vor der Wahl mindestens noch schaffen umzusetzen? Ist eine Entscheidung zur Finanzierung realistisch?

Connemann: Sie wäre auf jeden Fall wünschenswert. Wir müssen den Pflock in den Boden rammen. Und damit die Grundsatzentscheidung absichern: Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif. Die Mehrkosten werden umgelegt. Wer in mehr Tierwohl investiert, erhält einen Ausgleich für die höheren Kosten - gesichert. Der Bürger fordert mehr Tierwohl, der Verbraucher will es aber nicht bezahlen. Deshalb muss der gewollte Umbau der Tierhaltung von der Gesellschaft finanziert werden.

Sie haben sich kürzlich für die Finanzierung über eine Umlage ausgesprochen. Warum geben Sie sich mit den steuerlichen Lösungen, die die Machbarkeitsstudie geprüft hat, nicht zufrieden?

Connemann: Nicht nur wir haben Bauchschmerzen mit einer steuerlichen Lösung. Im Raum steht zurzeit die Erhöhung der Mehrwertsteuer, eine neue Verbrauchsteuer oder ein Zuschlag zur Einkommensteuer. Manche Kritik daran ist nachvollziehbar. Denn: Es wäre keine Zweckbindung möglich. Die Einnahmen könnten also auch für andere Zwecke im Haushalt eingesetzt werden. Die Frage, wieso langjährige Planungssicherheit hergestellt werden kann, ist bislang aus unserer Sicht nicht belastbar beantwortet. Eine neue Verbrauchssteuer wäre hoch bürokratisch und aufwändig. Die Produkte würden auch für Menschen mit kleinem Einkommen teurer. Ohnehin würden tierische Produkte teurer. Der Steuergesetzgeber würde also Fleischesser stärker zur Kasse bitten als Vegetarier oder Veganer.

Alternative Modelle wie eine Umlagefinanzierung sollten genauer geprüft werden.

Deshalb empfehlen wir Offenheit. Alternative Modelle wie zum Beispiel eine Umlagefinanzierung sollten genauer geprüft werden. Dies ist in dem Gutachten bislang nicht erfolgt. Die EEG-Umlage könnte Pate stehen. In Betracht käme aber auch eine Fondslösung. Die Initiative Tierwohl (ITW) hat hier Maßstäbe gesetzt. Möglich wäre auch eine Kombination beider. Übrigens: Die Machbarkeitsstudie hat keine steuerliche Lösung zur Finanzierung empfohlen, sondern ist schlichtweg zu dem Ergebnis gekommen, dass diese machbar wäre.

Was passiert mit dem Gesetz zum Tierwohlkennzeichen, das im Koalitionsvertrag stand und auch schon im Bundestag liegt. Haben Sie das Ziel, das noch zu verabschieden?

Connemann: Seit dem Koalitionsvertrag hat die Welt sich weiter gedreht. Der Handel hat gemeinsam mit der ITW eine Haltungsformkennzeichnung entwickelt. Diese ist inzwischen bundesweit bekannt und am Markt etabliert. Ein staatliches Tierwohllabel hätte also nur einen Mehrwert, wenn es verpflichtend wäre. Erforderlich wäre also eine verbindliche Haltungsform- und Herkunftskennzeichnung. Ich bin unserer Bundesministerin Julia Klöckner dankbar, dass sie dieses Thema in der deutschen Ratspräsidentschaft auf die Tagesordnung gesetzt hat. Es gab dafür viel Zustimmung von den anderen Mitgliedstaaten. Das Eisen muss jetzt geschmiedet werden.

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