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topplus Rukwied zu Insektenschutzpaket

„Das ist Gift für alle freiwilligen Leistungen der Bauern“

Bauernpräsident Rukwied lässt kein gutes Haar am Insektenschutzpaket der Bundesregierung. Er fordert im Interview mit top agrar eine grundsätzliche Überarbeitung.

Lesezeit: 7 Minuten

top agrar: Welche Auswirkungen hat das Aktionsprogramm Insektenschutz auf die Landwirtschaft?

Rukwied: Das Programm sieht massive Einschnitte und Auflagen für einen größeren Teil der landwirtschaftlichen Flächen vor. Die geplanten Maßnahmen und Verbote für die Landwirtschaft und die fehlende Ausgewogenheit bei der Berücksichtigung aller Gefährdungsursachen für die Insektenbestände sind ein fatales Signal gegen Kooperationen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Wir erleben einen enormen Vertrauensverlust und müssen davon ausgehen, dass der Agrarumweltförderung viele Grundlagen entzogen werden. Wir schätzen im Moment, dass landwirtschaftliche Flächen in einer Größenordnung von mehr als 2,3 Millionen Hektar von der vollständigen Umsetzung des Programms betroffen sein würden. Die Bewirtschaftung könnte dort nur mit zum Teil erheblichen Einschränkungen erfolgen.

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Welcher Teil der Vorschläge aus dem Insektenschutzprogramm macht Ihnen am meisten Sorgen?

Rukwied: Inakzeptabel ist für uns, dass die Bundesregierung hier die Gewichte in der Agrarumweltpolitik verschiebt und auf Ordnungsrecht statt Kooperation setzt. Landwirtschaft hat einen Flächenanteil von 54 Prozent, trägt aber 100 Prozent der geplanten ordnungsrechtlichen Auflagen. Im Detail besonders problematisch sind die geplanten Auflagen in den meisten Schutzgebietskategorien des Bundesnaturschutzgesetzes, die Vorgaben für Randstreifen an Gewässern und der gesetzliche Biotopschutz für artenreiches Grünland und Streuobstwiesen.

Bisher gleicht das Insektenschutzprogramm einer Absichtserklärung. Die Rechtstexte liegen noch nicht vor. Ab wann müssen sich die Landwirte auf Einschränkungen einstellen?

Rukwied: Das Programm ist ein von der Bundesregierung verabschiedeter Arbeitsplan für die kommenden Jahre. Das hat nicht sofort Gesetzesrang, aber es hat natürlich politische Verbindlichkeit und es stellt die Weichen. Ich finde es ungeheuerlich, die Landwirte mit möglichen Ausnahmeregelungen und einer noch nicht erfolgten Umsetzung zu beschwichtigen. Der Bundestag ist gefordert, im weiteren politischen Prozess eine kritische Überprüfung vorzunehmen und sicherzustellen, dass die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz nicht gefährdet wird. Insektenschutz geht nur mit den Bauern. Diese Verordnung muss grundsätzlich überarbeitet werden.

"Pauschale Verbote gefährden die Akzeptanz in behördliche Zulassungsverfahren."

Stellen Sie sich jetzt auf ein Glyphosat Verbot ab Anfang 2024 ein oder erwarten Sie noch ein Umschwenken?

Rukwied: Die geltende europäische Zulassung läuft Ende 2023 aus und dann wird auf europäischer Ebene neu entschieden. Die Bundesregierung kann jetzt alleine gar kein Verbot ab 2024 beschließen. Wir stehen zu einem verantwortungsbewussten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und fordern die Bundesregierung auf, das Ziel des Nationalen Aktionsplans für eine nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln umzusetzen, eine breite Wirkstoffpalette zu sichern. Auch die Landwirtschaft stellt sich einer fachlich orientierten Minderungsstrategie im Pflanzenschutz, wie wir es in der Ackerbaustrategie des Zentralausschusses der Deutschen Landwirtschaft gemeinsam mit Kammern, DLG, DRV und dem Zentralverband Gartenbau formuliert haben. Pauschale Verbote gefährden aber die Akzeptanz in behördliche Zulassungsverfahren.

Bisher gibt es keine bundesweit einheitlichen Gewässerabstände. Das Insektenschutzprogramm schlägt 10 bzw. 5 Meter vor. Der IVA hat kürzlich 5 Meter angeboten. Was hält der DBV davon? Wieviel Meter halten Sie für machbar?

Rukwied: Gesetzlich vorgeschriebene, pauschale Gewässerrandstreifen sind ein weitreichender Eingriff in die Bewirtschaftung, führen zu einer Wertminderung der Flächen und schließen vor allem die Förderung über Agrarumweltprogramme und Wasserkooperationen aus. Durch das API werden schätzungsweise mehr als 150.000 Hektar hierfür zusätzlich zu den bereits in einigen Ländern bestehenden Auflagen in Anspruch genommen. Auch das widerspricht dem Weg der Kooperation mit der Landwirtschaft. Schon heute gibt es im Pflanzenschutzrecht und in der Düngeverordnung wirkstoffspezifische Regelungen zu Abständen an Gewässern. Stattdessen sollte die Möglichkeiten der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) genutzt werden, Pufferstreifen an Gewässern als Ökologische Vorrangfläche oder zukünftig als Eco-Scheme anzulegen. Wir brauchen hierfür endlich mehr Flexibilität bei der Anlage der Pufferstreifen in der GAP, dann werden diese von den Bauern auch umgesetzt.

Vom Verbot für Herbizide und einigen Insektiziden in Schutzgebieten bietet das BMEL Ausnahmen an. Was sollten die Ausnahmen alles umfassen?

Rukwied: Grundsätzlich: Landwirtschaft, egal ob ökologisch oder konventionell benötigt Pflanzenschutzmittel, um Qualität und Erträge absichern zu können. Mittels Ausnahmeregelungen kann das nicht funktionieren. Dahinter steht außerdem ein grundsätzliches Problem: Die Agrar- und Umweltpolitiker von Bund und Ländern stehen bei den Bauern seit der Ausweisung der Schutzgebiete im Wort, die Umsetzung von FFH- und Vogelschutzgebieten über Vertragsnaturschutz und nicht über eine Einschränkung der guten fachlichen Praxis vorzunehmen. Der Vertragsnaturschutz bleibt für uns das Mittel der Wahl.

"Landwirte sind bereits weiter, als es in der Politik oftmals wahrgenommen werden will."

Das BMU will artenreiches Grünland, Streuobstwiesen, Trockenmauern und Steinriegel als Biotop unter Schutz stellen und dort Herbizide und einige Insektizide verbieten. Was würde das für die Bewirtschafter bedeuten?

Rukwied: Die Folge wäre eine absolute Veränderungssperre und der Wegfall wesentlicher Förderungen aus der Agrarumweltpolitik. Die Veränderungssperre kann sogar bedeuten, dass eine bisher beweidete Fläche nicht gemäht werden kann, da sich hierdurch die Artenzusammensetzung verändern könnte. Wütend macht uns Bauern aber, dass sie über Jahre diese Flächen erhalten und gepflegt haben oder zum Beispiel bei artenreichem Grünland durch die Bewirtschaftung erst haben entstehen lassen. Nun wird das mit diesem Schutzstatus bestraft. Das ist Gift für alle freiwilligen Leistungen der Landwirte im Naturschutz, wenn ihr freiwilliges Engagement zu gesetzlichen Verboten führt. Dazu kommt nicht nur ein Einkommens- sondern auch ein erheblicher Vermögensverlust.

Die UBA-Vorgabe 10% Ausgleichsflächen schon bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln festzuschreiben, hat kürzlich ein Gericht für rechtswidrig erklärt. Nun sollen Ausgleichsflächen bei der Anwendung von diesen Mitteln Vorschrift werden. Halten Sie das für rechtlich haltbar?

Rukwied: Wir sehen unsere Rechtsauffassung durch das aktuelle Gerichtsurteil bestätigt. Es ist nicht Aufgabe der Pflanzenschutzmittelzulassung, sondern der Agrarumweltpolitik, Biodiversität zu fördern und Lebensräume für Pflanzen und Tiere zu schaffen. Das Kompensationsflächenmodell sollte daher ad acta gelegt werden und stattdessen gemeinsam Strategien für praxistaugliche und wirtschaftlich tragfähige Naturschutzmaßnahmen in der Fläche vorangebracht werden. Die Landwirte sind hier bereits weiter, als es in der Politik oftmals wahrgenommen werden will.

Lassen sich die Produktionseinschränkungen aus dem Insektenschutzprogramm über Förderprogramme ausgleichen?

Rukwied: Hier gibt es sehr enge Grenzen. Generell gilt der Grundsatz: Was gesetzlich vorgeschrieben ist, darf nicht mehr gefördert werden. Daher muss das Programm noch einmal grundsätzlich auf den Prüfstand. Zusätzlich würden die vorgesehenen Fördergelder nicht ansatzweise reichen, die enormen Einschränkungen zu kompensieren.

Welche Förderprogramme sollten dafür wie ausgebaut werden?

Rukwied: EU, Bund und Länder sind gefordert, diese zusätzliche Aufgabe des Insektenschutzes auch mit zusätzlichen Fördergeldern zu finanzieren. Es können nicht immer mehr Aufgaben mit immer weniger Geld erfüllt werden. Auf jeden Fall sollten die Länder zukünftig noch stärker darauf achten, dass Gelder der zweiten Säule auch tatsächlich bei den Bauern ankommen.

Ein Punkt des Insektenschutzprogramms ist auch die Reduktion des Flächenverbrauchs bis 2050 auf netto Null. Halten Sie das für realistisch?

Rukwied: Absolut notwendig, aber mit einer unverbindlichen Absichtserklärung wenig realistisch. Es macht keinen Sinn, das Ambitionsniveau beim Flächenverbrauch zu erhöhen, obwohl man das aktuelle Ziel schon nicht erreicht. Geradezu grotesk ist es, wenn man im Aktionsprogramm gleichzeitig der Landwirtschaft weitere Flächen entziehen will. Auch im Aktionsplan Insektenschutz fehlen jegliche neuen Ansätze zur Senkung des Flächenverbrauchs durch Siedlungen und Verkehr. Der Kampf gegen den Flächenverbrauch ist zu wichtig, um nur als Alibi im Programm zu fungieren. Wir Bauern fragen uns grundsätzlich, warum der Fokus erneut ausschließlich auf die Landwirtschaft gelegt wird und in allen anderen Sektoren lediglich Prüfaufträge vorgeschlagen werden.

Die Fragen stellte top agrar Berlin Korrespondentin Stefanie Awater-Esper

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