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"Debatte über mangelnde Kontrollen im Tierschutz versachlichen"

Die Agrarökonomen Oliver Mußhoff und Norbert Hirschauer mahnen Landwirte, Studierende, Wissenschaftler und Journalisten, die emotionale Debatte über die vermeintlich unzureichenden Kontrollen im Tierschutz zu versachlichen.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Agrarökonomen Oliver Mußhoff und Norbert Hirschauer mahnen Landwirte, Studierende, Wissenschaftler und Journalisten, die emotionale Debatte über die vermeintlich unzureichenden Kontrollen im Tierschutz zu versachlichen.


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In einem Gastbeitrag für top online schreiben Mußhoff, Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Göttingen, und Hirschauer, Professor für Unternehmensführung im Agribusiness an der Universität Halle-Wittenberg, erst wenn man wisse, worüber man uneinig sei, könne man sich sinnvoll streiten. Die aktuelle Diskussion laufe auf einen kontraproduktiven emotionalen Schlagabtausch hinaus.


Zum Hintergrund


In der vergangenen Woche (27. Januar) ist in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) ein Artikel mit dem Titel „Ein Aufklärer, den sie Denunziant nennen“ erschienen. Vorausgegangen war ein ebenfalls in der FAZ erschienener Kommentar („Tierhalter härter kontrollieren!“) der beiden Göttingen Wissenschaftler Prof. Dr. Achim Spiller und Theresa Bernhardt.


Dieser Beitrag hat in der Agrarbranche und bei den Lesern von top agrar online aufgrund seiner zuspitzenden Formulierungen für viel Widerspruch gesorgt. Von den Landwirten wurde er teilweise als pauschalisierende Verurteilung oder gar Kriminalisierung der gesamten Branche verstanden. Dementsprechend kam es zu hochemotionalen Äußerungen von Branchenvertretern und Landwirten in agrarbezogenen Internetforen und auch in den Kommentaren zu entsprechenden Meldungen bei top agrar online.


Vor diesem Hintergrund hat die Fachschaft der Agrarstudierenden der Universität Göttingen am 22.01.2017 einen offenen, sehr kritischen Brief an Prof. Spiller verfasst, der den Vorwurf der pauschalen Verurteilung aufgriff und Belege einforderte (top agrar online berichtete).


Aufgrund des offensichtlichen Diskussionsbedarfs fand am 23.01.2017 an der Universität Göttingen eine öffentliche Veranstaltung statt, in der Prof. Spiller mit Studierenden, Universitätsangehörigen und weiteren Interessierten diskutierte. Diese Veranstaltung wurde von allen Beteiligten als sachlich und diszipliniert angesehen, konnte aber naturgemäß nicht alle Streitpunkte ausräumen (vgl. Meldung auf top agrar online). Der oben genannte Beitrag in der FAZ facht die emotionale Diskussion nun erneut an.


Mußhoff und Hirschhauer bedauern das. „Eine sinnvolle Debatte erfordert, dass sich die „Lager“ auf die Sachebene begeben und rational argumentieren. Voraussetzung hierfür ist zunächst, zwei in der bisherigen Diskussion leider vermischte Fragen auseinanderzuhalten: Geht es um die Frage, ob jemand bestimmte (z.B. industrielle) Verfahren der Tierproduktion ablehnt, auch wenn sie im Rahmen des gesetzlich Zulässigen sind? In diesem Fall müsste man dann über die gesetzlichen Regelungen selbst diskutieren. Oder geht es um die Frage von Verstößen gegen bestehende Regelungen? Letzteres scheint trotz der Vermischung der Argumente im Vordergrund des aktuellen Streits zu stehen“, stellen sie fest.


Lesen Sie das Plädoyer der Wissenschaftler für mehr Sachlichkeit in voller Länge.    

 

Debatte über Tierschutz schlägt hohe emotionale und publizistische Wellen

– Ein Versuch zur Versachlichung der Diskussion


Von Oliver Mußhoff und Norbert Hirschauer


Aus unserer Sicht läuft die aktuelle Debatte trotz des positiven Verlaufs der Diskussionsveranstaltung an der Universität Göttingen Gefahr, in einen unproduktiven Schlagabtausch zwischen zwei „Lagern“ abzugleiten; die eine Seite äußert den Vorwurf der „lobbyistischen Beschönigung von Missständen in der Tierhaltung“, die andere den Vorwurf der „pauschalisierenden Kriminalisierung des Berufsstandes“.


Die Emotionalität zusätzlich verstärkt hat aus unserer Sicht der Artikel von Herrn Grossarth in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27.01.2017, in dem er die Haltung der Göttinger Fachschaft in die Nähe einzelnen Reaktionen im Internet rückt. So schreibt er unter Verweis auf Internetkommentare, die Professor Spiller Denunziantentum vorwerfen, zum Boykott seiner Vorlesungen aufrufen oder ihn auffordern, seinen Hut zu nehmen: „Wutbürger, mag man meinen. Müssen universitär ausgebildete, lesefähige jungagrarische Nachwuchseliten nicht sorgfältiger argumentieren?“


Auf die sachliche und gute Diskussion zwischen Herrn Spiller und den etwa 300 Anwesenden am 23.01.2017 geht Herrn Grossarth dagegen leider nicht ein.


Als interessierte aber nicht direkt in diese Auseinandersetzung involvierte Agrarwissenschaftler finden wir diese Entwicklung im höchsten Maße bedauernswert. Zwar kann man die Emotionen bei den gesellschaftlich hochsensiblen Themen „Tierschutz“ und „Einsatz von Tierarzneimitteln“ (insbesondere Antibiotika) durchaus verstehen. Insgesamt scheint es im vorliegenden Fall aber jetzt auf einen kontraproduktiven emotionalen Schlagabtausch hinauszulaufen.


Eine sinnvolle Debatte erfordert, dass sich die beiden „Lager“ auf die Sachebene begeben und rational argumentieren. Voraussetzung hierfür ist zunächst, zwei in der bisherigen Diskussion leider vermischte Fragen auseinanderzuhalten: Geht es um die Frage, ob jemand bestimmte (z.B. industrielle) Verfahren der Tierproduktion ablehnt, auch wenn sie im Rahmen des gesetzlich Zulässigen sind? In diesem Fall müsste man dann über die gesetzlichen Regelungen selbst diskutieren. Oder geht es um die Frage von Verstößen gegen bestehende Regelungen? Letzteres scheint trotz der Vermischung der Argumente im Vordergrund des aktuellen Streits zu stehen. Da sich beide Seiten zumindest darüber einig zu sein scheinen, dass es in einem gewissen Umfang „schwarze Schafe“ und damit Regelverstöße unter den Landwirten gibt, ist zur Versachlichung zu klären, worüber man eigentlich streitet oder worüber es zu streiten lohnt:


1.    Streitet man über den unterstellten/geglaubten Anteil schwarzer Schafe unter den Tierhaltern? Wenn das der Fall ist, müssen die ggf. unterschiedlichen Einschätzungen zum Umfang des Problems konkret benannt und die entsprechenden empirischen Hinweise und Belege auf den Tisch gelegt werden. Hierbei würde eine Differenzierung nach Teilbranchen (Geflügelmast, Eierproduktion, Schweinemast, Rindermast etc.) helfen zu erkennen, ob bzw. in welchen Bereichen man eine unterschiedliche Einschätzung des Problems hat. Statt ungenau von „schwarzen Schafen“ zu sprechen, müsste dabei auch zwischen der Häufigkeit und der Schwere von Verstößen unterschieden werden.


2.    Streitet man darüber, ob im Vergleich zum Status quo überhaupt zusätzliche/andere Maßnahmen benötigt werden, um die Situation zu verbessern? Anders gefragt: Sieht eine Seite das bestehende Kontroll- und Sanktionssystem in Verbindung mit dem Berufsethos der Tierhalter als ausreichend an und die andere Seite nicht? Dies könnte eine spannende Streitfrage sein, sogar wenn man bzgl. des Umfangs der Verstoßproblematik zu ähnlichen Einschätzungen gekommen ist.


3.    Oder streitet man „lediglich“ darüber, welcherisikobasierten Präventionsmaßnahmen eingeführt werden sollten, um in Zukunft den Anteil von Regelverstößen in bestimmten Risikobereichen zu vermindern? Möglicherweise besteht ja Einigkeit darüber, dass etwas getan werden sollte, auch wenn man sich über den Umfang der Verstoßproblematik uneinig ist. Die Branche selbst muss ja das größte Interesse daran haben, möglichst frei von schwarzen Schafen zu sein. Man muss dann allerdings immer noch darüber diskutieren, welche Maßnahmen unter Berücksichtigung ihrer Kosten und erwarteten Wirkungen sinnvoll sind: die Erhöhung der staatlichen Kontrollintensität, Whistleblowing-Regelungen, verstärkte Sanktionierung, Name-and-shame Ansätze, verbesserte Eigenkontrollen der Brache oder Beratungs- und Aufklärungsmaßnahmen? Oder noch ganz andere Maßnahmen?


Erst wenn man weiß, ob bzw. worüber man sich uneinig ist, kann man sinnvoll streiten.

Oliver Mußhoff ist Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Göttingen.

Norbert Hirschauer ist Professor für Unternehmensführung im Agribusiness an der Universität Halle-Wittenberg.

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