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Dialog

„Der Wertewandel in der Bauernschaft hat begonnen“

2020 soll ein Jahr des Dialogs zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft werden. Das plant Landwirtschaftsministerin Klöckner. Für Landwirt Benedikt Bösel ist die Landwirtschaft weiter als die Politik.

Lesezeit: 5 Minuten

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner tourt 2020 mit ihrem Forum „Stadt.Land.Du“ durch Deutschland. Vom Frühjahr bis zum Spätsommer sollen bei mehreren Veranstaltungen Landwirte und Bürger miteinander ins Gespräch kommen. Landwirt Benedikt Bösel aus Brandenburg antwortete Klöckner bei der Auftaktveranstaltung in Berlin im Januar so:

„Ende 2016 habe ich unseren Betrieb übernommen. Er liegt eine Stunde östlich von Berlin und hat sandige Böden und kaum Niederschlag. Was kam, waren zwei Dürrejahre in Folge. In dieser Phase ist mir klargeworden, dass die Digitalisierung und Technologie alleine nicht die Lösung sind, sondern oft nur die Symptome bekämpfen anstatt die Ursachen anzugehen. Das bedeutet wir versuchen die negativen Auswirkungen unseres Produktionsmodells lediglich zu verringern, anstatt zu überlegen wie wir das System verändern können, um negative Auswirkungen gar nicht erst entstehen zu lassen.

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Was macht man also? Das Wetter können wir nicht verändern: das Einzige was wir beeinflussen können ist der Boden und die Bodengesundheit. Nur ein gesunder Boden nimmt in kurzer Zeit große Mengen Wasser auf. Das ist wichtig, weil die Folgen der Klimakrise ja aus extremeren Witterungslagen bestehen. Es kann sehr trocken sein, es kann aber auch viel zu viel regnen. Und der gesunde Boden kann das Wasser auch speichern und festhalten, und dann zur Verfügung stellen, wenn es gebraucht wird.

"Digitalisierung und Technologie sind alleine nicht die Lösung". - Bösel

Das ist eines der Fälle, wo bspw. die Pflanzenzüchtung der Komplexität des Ökosystems nicht gerecht werden kann: denn wir können nicht gleichzeitig auf „Tolerant gegen Dürre“ und „Tolerant gegen zu viel Regen“ züchten.

Deswegen haben wir uns weltweit umgeguckt nach innovativen Landnutzungsmodellen mit denen wir den Boden aufwerten und die Bodengesundheit wiederherstellen können und wir dadurch unseren Betrieb widerstandsfähig machen: denn, es gibt keine bessere Versicherung als einen gesunden Boden!

Bei unserer Suche haben wir gesehen: es gibt diese Lösungen schon und sie werden weltweit von Landwirten und Landwirtinnen seit vielen Jahren sehr erfolgreich praktiziert. Diese laufen unter der Bezeichnung: Regenerative Landwirtschaft. Aktuell setzen wir auf unserem Betrieb unter anderem folgende Formen der regenerativen Landwirtschaft um:

  • Ganzheitliches Weidemanagement (Kühe als Teil der Fruchtfolge, die von Untersaaten auf Zwischenfrüchte rotieren, denn die Kuh ist kein Klimakiller!)
  • Agroforst (schmale Baumstreifen, die in einen Acker gepflanzt werden, das können Edelhölzer, schnell wachsende Baumarten sowie Nuß- und Obstbäume sein)
  • Kompostierungsverfahren um präzise Bakterien und Pilze im Boden zu kultivieren

Was verbindet diese Ansätze? Wir wollen über eine multifunktionale Landnutzung den Boden verbessern, Biodiversität erhöhen, Kreisläufe schließen und am Ende einen höheren Ertrag und eine bessere Profitabilität erzielen – und das langfristig.

"Regenerative Landwirtschaft zieht keine Gräben, sie funktioniert sowohl bei Bio als auch bei konventionell." - Bösel

Eines muss ich hier ganz klar sagen: Es geht nicht um einen verklärten romantischen Blick. Es geht um die reale Chance Wertschöpfung im ländlichen Raum zu generieren und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel zu produzieren. Und das Schönste ist: Regenerative Landwirtschaft zieht keine Gräben, sie funktioniert sowohl bei Bio als auch bei konventionell UND speichert Kohlenstoff im Boden!

Um diese innovativen Konzepte umzusetzen habe ich damals dutzende Förderanträge geschrieben (auf Länder-, Bundes und EU-Ebene). Diese wurden alle abgelehnt, oft mit der Begründung, dass dies „keine Innovation“ sei. Dazu kommt, dass es aktuell zum Beispiel für Agroforst nicht mal eine Förderung gibt, für die man sich bewerben könnte.

Deswegen musste ich es selber finanzieren und habe mein Auto und meine Aktien gegen Kühe und Bäume getauscht. Heute in der Praxis merke ich, dass man in der Umsetzung dieser Form einer gesellschaftlich geforderten Landwirtschaft derzeit durch Regelungen und Auflagen extrem eingeschränkt wird. Das bedeutet, dass wir auf unseren Flächen auf Förderung verzichten mussten und oft im Graubereich unterwegs sind.

Gleichzeitig merke ich durch die Resonanz aus unserem Dorf und hier in Berlin wie groß das Interesse für diese Landnutzungsformen ist. Und welche Anziehungskraft insbesondere für junge Menschen davon ausgeht.

"Ich wünsche mir, dass auch alternative Formen der Landnutzung politisch gefördert werden". - Bösel

Ich habe gerade meine Version einer zukunftsfähigen Landwirtschaft geschildert. Aber es gibt viele Versionen, abhängig von Standortbedingungen und betrieblichen Umständen. Digitalisierung, Präzisionslandwirtschaft und Pflanzenzüchtungen werden für Einige eine Lösung sein, für Manche aber nur ein Teil der Lösung, für Andere gar nicht. Wir brauchen aber Lösungen für alle Landwirtinnen und Landwirte. Für mich ist es die Kombination von Technologie mit Regenerativer Landwirtschaft.

Ich wünsche mir, liebe Frau Bundesministerin, dass auch alternative Formen der Landnutzung sowie systemische und ökologische Innovation, Gehör finden und politisch gefördert werden. Ich glaube, in der Gesellschaft und der Bauernschaft hat der Wertewandel hin zu nachhaltigen, naturnahen Lösungen begonnen, nun muss die Politik folgen.“

Zur Person:

Benedikt Bösel betreibt einen Ackerbaubetrieb mit 1100 ha im Landkreis Oder-Spree in Brandenburg, der seit 2004 nach Naturland-Richtlinien bewirtschaftet wird. Auf seinem Betrieb betreibt er unterschiedliche Formen der regenerativen Landwirtschaft wie Agroforst und ganzheitliches Weidemanagement. Er ist Vorsitzender der AgTech Plattform im Bundesverband Deutsche Startups und Vorstand der Soil Alliance – Verein für regenerative Landwirtschaft.

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