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Artenvielfalt schreibt rote Zahlen - was muss sich in der Agrarbranche ändern?

Der „Faktencheck Artenvielfalt“ fasst den aktuellen Forschungsstand zum Rückgang der biologischen Vielfalt und deren Treiber zusammen. Doch es sind nicht nur die Landwirte, die umdenken müssen.

Lesezeit: 5 Minuten

Ohne Biodiversität geraten unsere Ökosysteme aus dem Gleichgewicht. Der Rückgang der Artenvielfalt zählt damit zu den wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit. Wissenschaftler haben nun einen „Faktencheck Artenvielfalt“ veröffentlicht.

Das Projekt wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Es ist der erste umfassende Bericht zur Bewertung der Artenvielfalt in Deutschland, greift den aktuellen Forschungsstand auf und bewertet wissenschaftliche Landzeitversuche.

Darum geht die Biodiversität zurück

Zu den Haupttreibern für den Rückgang der Biodiversität gehören danach ein fehlendes behördliches Monitoring, der Klimawandel, die Landnutzung, die Umweltpolitik, die gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) und das Wirtschaftswachstum. Auch die Art und Weise, wie Landwirtschaft betrieben wird, nimmt laut dem Bericht einen negativen Einfluss auf die Biodiversität. Landwirte werden allerdings von den Autoren explizit in Schutz genommen. Artenvielfallt müsse sich lohnen, schreiben sie. Deshalb sei ein politischer Wechselkurs unumgänglich.

Schnell gelesen

  • Besonders in Agrar- und Offenflächen sinkt die Artenvielfalt für viele Spezies weiter.

  • Agrarpolitische Instrumente sind bereits vorhanden, stehen sich aber häufig mit ihren Anforderungen im Weg.

  • Die größten Treiber für den Verlust der Biodiversität sind der Flächenverlust, Klimawandel, Schadstoffe und Stickstoffeinträge.

  • Eine Extensivierung und Diversifizierung der Landwirtschaft wird nach dem "Faktencheck Artenvielfalt" als geeignetes Tool betrachtet, um dem Artenrückgang entgegenzuwirken.

  • Umweltmaßnahmen und der Verzicht auf großflächige Effizienz muss sich für die Landwirte lohnen. Neue und bessere Anreize müssen geschaffen werden.

Aktueller Stand der Artenvielfalt

Laut der FFH-Richtlinie kommen in Deutschland 93 Lebensraumtypen vor. Davon sind  laut dem „Faktencheck Artenvielfalt“ 60 % unzureichend und in einem schlechten Erhaltungszustand. Auch der Trend der Lebensräume (z.B. Küsten, Binnengewässer, Wald oder Agrarland) sei negativ. So haben 40 % der Biotop-Typen der Roten Liste eine negative Entwicklung. Insgesamt ist ein Drittel der Arten laut dem Bericht bestandsgefährdet, also entweder stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Für das Agrar- und Offenland bedeutet das eine Verschlechterung im Trend der Roten Liste für alle kategorisierten Lebewesen, unter anderem Säugetiere, Vögel, Insekten, Pflanzen, Pilze und Mikroalgen. In Waldgebieten, Küsten und Binnengewässern konnte hingegen bei Säugetieren und Vögeln ein positiver Trend der Artenvielfalt beobachtet werden.

Treiber für den Artenrückgang

Der „Faktencheck Artenvielfalt“ fasst vier Haupttreiber für den Artenrückgang zusammen: Lebensraumverlust, Stickstoffeinträge, Schadstoffe (z.B. Pflanzenschutzmittel) und der Klimawandel. Der Lebensraumverlust ergibt sich einerseits aus der Ausweitung von Städten, aber auch durch die Flurbereinigung in der Landwirtschaft. Auch die Belastung von Gewässern und Naturschutzgebieten mit Schadstoffen wie Pflanzenschutzmitteln sind danach ein wichtiger Treiber für den Artenrückgang.

Die Stickstoffeinträge ergeben sich maßgeblich aus dem durchbrochenen Stickstoffkreislauf, bei dem der von den Pflanzen aufgenommene Stickstoff nicht wieder zurückgeführt, sondern in Form von Erntegut von den Feldern abgetragen wird. Die Konsequenz zum Erhalt der Flächenleistung sind Düngemittelapplikation mit Auswaschungen und Stickstoffeinträgen in andere Ökosysteme.

Politische Instrumente sind vorhanden – es fehlt an Abstimmung

Laut den Autoren gibt es bereits eine Reihe von Richtlinien und politischen Instrumenten, die in der Lage sind, dem negativen Trend der Artenvielfalt entgegenzuwirken. Auf nationaler Ebene ist das vor allem das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und die Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS). Anreize bieten auch Instrumente zur Förderung einer biodiversitätsfördernden Bewirtschaftung, etwa bei den Agrarumweltmaßnahmen und  Öko-Regelungen,.

Das Problem liegt laut den Forschern aber darin, dass sich einige Forderungen untereinander blockieren und die Richtlinien zu schlecht abgestimmt sind. Zudem stünden häufig andere politische Forderungen im Vordergrund, wodurch die Instrumente in den Hintergrund gelangten.  Auch würden die erfolgten Fördermaßnahmen in der Regel nicht auf ihre Wirksamkeit evaluiert. Für den Erhalt von Binnen- und Küstengewässern mangele es an Maßnahmenrichtlinien.

Auf die richtige Förderung kommt es an

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass es „politisch-rechtliche-Treiber“ sind, die eine positive Wirkung der Naturschutzpolitik auf die Artenvielfalt einschränken. Hier spielt aus ihrer Sicht die gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) eine wichtige Rolle.  Die Förderung von konventionell wirtschaftenden Betrieben führe nicht zu einer Verbesserung der Artenvielfalt, da diese weiterhin auf den Einsatz von Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel zurückgreifen.

Flächenkonkurrenz führt zum Artenrückgang

Auch die Konkurrenz um Flächen schränke die biologische Vielfalt weiter ein. Immobilien, Verkehrspolitik und die Versiegelung von Flächen für den Haus- und Straßenbau seien ein großer Treiber für den Verlust vieler Lebensräume. Auch die Energiepolitik beansprucht Fläche und verändert Lebensräume, z.B. durch den Bau von Wasserkraftanlagen oder der großflächige Anbau von Mais zur Gewinnung von Biogas.

 Ansätze für eine Trendwende

Anreize für einen politischen und gesellschaftlichen Umschwung ergeben sich laut dem Bericht aus dem Nutzen Artenvielfalt für die Menschheit. Gesunde Böden, eine klare Luft und vor allem eine ausreichende Nahrungsmittelproduktion sind abhängig von intakten Ökosystemen. Eine verstärkte Vermittlung der Bedeutung der biologischen Vielfalt, könnte, laut dem Faktencheck, daher einen Beweggrund für die Etablierung neuer Richtlinien sein.

Die Extensivierung der Land-, Gewässer- und Meeresnutzung bietet laut dem Bericht ein vielversprechendes Potenzial für eine Trendwende. Damit einher gehe auch die Erhöhung der strukturellen Vielfallt auf Agrar- und Offenflächen sowie die Reduzierung von Nährstoffeinträgen. Des Weiteren werden die Ausweitung von Schutzgebieten, die Renaturierung verlorener Habitate sowie Technologien zur Biodiversitätsförderung als wichtige Werkzeuge zum Erhalt der Artenvielfalt genannt.

Biodiversität muss sich für Landwirte lohnen

Die Menschheit ernähren, diverser Arbeiten, Arten schützen und am Ende noch mehr als einen Notnagel an Kapital übrig haben, so sieht das optimale Bild für die Landwirtschaft aus. Die Landwirtschaft und vor allem die Landwirte stehen jedoch vor immer größeren Herausforderungen. Die Flurbereinigung und der Einsatz von Mineraldüngern haben die Landwirtschaft effizienter und skalierbarer gemacht. Doch nicht zugunsten vieler Arten, die unter dem bereinigten System ihr Habitat verloren haben.

Ein Rückgang zu einer diversen, aber schonenden Landwirtschaft muss sich laut dem Bericht vor allem finanziell für die Landwirte auszahlen. Es brauche finanzielle Anreize und Kompensationsmodelle, um den erhöhten Arbeitsauswand entsprechend zu vergüten. Das helfe nicht nur den Landwirten, sondern allen Akteuren der Agrarbranche, auch den kleinsten Helfern in einer artenreichen Agrarlandschaft.

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