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Die heutige Milchwirtschaft: Nutztiere statt Streichelzoo

Im Spiegel stand kürzlich ein interessanter Artikel über die moderne Milchviehhaltung. Darin stellen die Autoren dar, warum Milchviehbetriebe immer größer werden. Verantwortlich seien die Broker und Händler. Die Bauern müssen reagieren und ihre Nutztiere auf mehr Leistung optimieren.

Lesezeit: 4 Minuten

Im Spiegel stand kürzlich ein interessanter Artikel über die moderne Milchviehhaltung. Darin stellen die Autoren Jonathan Stock und Takis Würger anschaulich dar, warum Milchviehbetriebe immer größer werden.

 

So schildern sie zunächst die Situation von Milchbauer Jens Nielsen auf Sylt. Ihm hat die Molkerei gekündigt, weil sich die Abholung der Milch seiner 36 Kühe nicht rechnet. Heute verkauft er die Milch für 1,20 auf der Insel. Für 50 Cent steht die Molkereimilch dagegen in jedem Supermarkt. Damit ist sie nicht viel teurer als Mineralwasser. Um die Milch zu erzeugen, hat Nielsen übrigens in 33 Jahren gerade einmal 28 Tage Urlaub gemacht. Frau und Kinder haben den Hof inzwischen auch verlassen.

 

Auf der anderen Seite, im Südwesten Niedersachsens, wirtschaftet Ulrich Westup. Er managt 600 Milchkühe in großen Boxenlaufställen. Sie produzieren 6 Mio. Liter Milch im Jahr, 7.200 Liter pro Kuh. Am Computer hat er alle Daten im Blick: Futterberechnung, Fruchtbarkeit, Milchleistung. Die Bewegungsprofile lässt er in Frankreich auswerten und bekommt dann eine Mitteilung, welches Tier brünstig ist.   

 

Westrup bekommt laut dem Spiegel 38 Cent pro Liter ausgezahlt. Ein Cent mehr oder weniger macht gleich 60.000 Euro aus. Seine Aufgabe ist es daher, alle möglichen Stellschrauben zu optimieren: Melkmaschine, die Mischration oder die Gesundheit bzw. das Tierwohl der Kühe. Bei ihm bekommt eine Milchkuh im Durchschnitt zwei bis drei Kälber, gibt meist zwei Jahre lang Milch und geht mit viereinhalb Jahren zum Schlachter, weil die Leistung sinkt oder die Gesundheit nicht mehr mitspielt. Dennoch behandelt Westrup seine Tiere mit Respekt, so die Autoren weiter. Er liebt sie, wie ein Zimmermann seinen Hammer oder ein Bäcker seine Knetschüssel. Er liebt seine Tiere, aber was zählt, ist die Leistung.


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„Kleine Betriebe wirtschaften nicht kostendeckend“


Wie die Autoren weiter erklären, teilen sich die Edeka-, Rewe-, Aldi- und Schwarzgruppe 85 % des Lebensmitteleinzelhandels. Sie würden niedrige Preise bei den Molkereien durchdrücken. Und diese wiederum geben den Preisdruck an die Bauern weiter.

 

Das Problem sei nur, dass die meisten kleinen Milchbauernhöfe nicht kostendeckend wirtschaften und da nicht mithalten können. Im vergangenen Jahr hätten 3300 Milchviehbetriebe aufgegeben. Überleben könne nach Ansicht des Spiegels nur, wer groß wird, noch mehr Milch produziert, die Kosten senkt und seinen Kuhstall so reibungslos gestaltet wie Westrup. Es gibt dann keine Kuhherden mehr in freier Natur.

 

Wer sich darüber empören will, empöre sich über sehr viel: Die Lebensmittelbranche hat unsere Versorgung derart perfektioniert, dass Tiere in dieser Industrie gewöhnliche Produktionsmittel geworden sind wie in anderen Branchen Maschinen oder Rohstoffe, heißt es. In diesem Zusammenhang verweisen Stock und Würger auf die männlichen Hähnchen, die geschreddert werden oder das Abschleifen von Eckzähnen bei Ferkeln. Milch ist ihrer Meinung nach ein Beispiel dafür, dass Tiere eingesetzt werden wie eine Art Dieselmotor.


Das System zu Ende gedacht


Wie die Zukunft aussieht, könne man unterdessen schon heute in den riesigen Farmen in Nordamerika sehen, wie auf der Farm von David Landry mit 2300 Kühen. Er hat die meisten Arbeiten robotergesteuert und bekommt Infos auf sein Smartphone, wenn etwas nicht stimmt. Bei dieser Roboterarbeit habe der Farmer heute aber teilweise so Langeweile, dass er sich Hobbies gesucht hat. Die harte Handarbeit von früher will er nicht mehr zurück. „Die Milch hat mir ein gutes Leben ermöglicht“, so Landry. Die Milch ist seiner Meinung nach immer noch die gleiche, nur mit deutlich weniger Zellzahlen. Er ist überzeugt, dass seine Tiere ein würdevolles Leben haben. „Sie sind leise, sie haben Musik, den Kühen geht es gut“, lächelt er. Und rentabel sei es auch.

 

Laut den Spiegel-Autoren mag dies für den Laien unsympathisch wirken, dass Landry seine Kühe wie Maschinen behandelt. Aber er habe am Ende nur ein System zu Ende gedacht und optimiert, dessen Regeln auch in deutschen Ställen längst gelten. Bauern unterhalten keinen Streichelzoo, sie halten Nutztiere; und Nutztiere werden ausgetauscht, wenn sie keinen Nutzen mehr bringen.

 

Daran seien Menschen wie Ulrich Westrup und David Landry schuldlos. Man könnte sie als „profitgeile Agro-Industrielle“ beschimpfen, so Stock und Würger weiter. Aber das könne nur jemand sagen, der in seinem Leben nicht 17 Stunden am Tag auf einem Hof arbeitet. Wer die Milchhöfe besichtigt, begegne Männern, die viel und hart arbeiten, damit wir billige Milch trinken können. Bauern seien die Berufsgruppe mit den meisten Arbeitsstunden im Jahr. Und die für ihre Plackerei in der Regel nicht sehr gut entlohnt werden.

 

Nicht die Bauern seien schuld, dass die Milch im Tetrapak 50 Cent kostet. Es seien die Broker der Milchindustrie, die Käufer und Verkäufer, die Molkereibosse und Einzelhandelsmanager, die an ihrem Schreibtisch festlegen, wie viel ein Liter Milch kosten darf.

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