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topplus Interview

„Die Landwirte in der EU müssen zusammenhalten“

Die FDP versucht sich seit der Rückkehr in den Bundestag agrarpolitisch zu profilieren. Die FDP Politikerin Carina Konrad ist Landwirtin und Bundestagsabgeordnete. Im Interview mit top agrar spricht sie darüber, was sie beim Tierwohllabel, bei der Düngeverordnung, bei der Pflanzenschutzmittelzulassung und bei der EU-Agrarreform anders machen will.

Lesezeit: 8 Minuten

top agrar: Welche agrarpolitischen Themen hat die FDP in ihrem ersten Jahr nach Rückkehr in den Bundestag nach vorne gebracht?

Konrad: Wir sind die Einzigen, die noch eine klare Kante zeigen, wenn es um die Zukunftsfähigkeit der Betriebe geht. Wir haben erstens die große Debatte, ob in Deutschland überhaupt noch Tiere gehalten werden sollen und wenn ja wie. Das Zweite ist die Diskussion über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die Politik der Groko bietet für uns als Opposition viel Angriffsfläche, sie ist aber für das Land und für die Landwirte fatal.

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Sie stehen dem staatlichen Tierwohllabel skeptisch gegenüber. Warum?

Konrad: Wenn wir mehr Tierwohl in die Fläche bekommen wollen, müssen wir mehr Ställe bauen. Jeder neue Stall dient dem Tierwohl. In der Praxis passiert aber das Gegenteil: Überall wo ein Stallneubau geplant wird, kommt erst mal eine Bürgerinitiative dagegen. Die Planungsverfahren sind unheimlich langwierig. Denjenigen, die in mehr Tierwohl investieren wollen, werden Steine in den Weg gelegt. In dieser Situation ein staatliches freiwilliges Tierwohllabel einführen zu wollen, ist für mich eine Scheindebatte. Es wird nicht wirken, weil der Handel schon lange mit einem eigenen einheitlichen Label vorgelegt hat.

Haben Sie das Vertrauen in den Handel, dass der Markt das für den Landwirt schon richtet?

Konrad: Die beteiligten Handelsunternehmen wollen damit natürlich auch ihre Marktanteile vergrößern. Ich glaube aber schon, dass das Handelslabel einen sehr großen Marktanteil gewinnen kann - auch in sehr kurzer Zeit. Aber die Handelspartner müssen sich darüber im Klaren sein, dass das letztendlich höhere Preise für Fleisch bedeuten muss. Wenn wir wirklich Wettbewerbsfähigkeit für die Betriebe in Deutschland erhalten wollen, dann müssen wir auf EU-Ebene ein verbindliches Label System installieren.

Braucht man dafür nicht zunächst ein nationales Label in Deutschland?

Konrad: Nein, ein auf Freiwilligkeit basierendes Label, wie von Frau Klöckner geplant, wird keinen ausreichenden Marktanteil hinbekommen. Wir müssen in der Masse etwas verbessern und in europäischen Strukturen denken. Alles andere wird sich wirtschaftlich nicht tragen und nur dazu führen, dass die Strukturen in der Tierhaltung noch weiter wegbrechen.

Die erneute Verschärfung der Düngeverordnung sorgt für große Unruhe in der Landwirtschaft. Welchen Weg halten Sie für richtig?

Konrad: Die Betriebe sind schon mit der Düngeverordnung von 2017 enorm belastet. Wir haben mit der Gülle, auf die die Düngeverordnung hauptsächlich abzielt, kein Mengen-, sondern ein Verteilungsproblem. Das wurde mit der Düngeverordnung 2017 aber nicht angegangen, sondern verschärft. Ackerbaubetriebe düngen lieber mineralisch, anstatt die Gülle aus den Veredelungsregionen aufzunehmen.

Wollen die Ackerbaubetriebe überhaupt mehr Gülle aus den Tierhaltungshochburgen aufnehmen?

Konrad: Die ganze Bürokratie, die in der Düngeverordnung in Bezug auf Gülle zusammengefasst ist, muss entschlackt werden, damit die Ackerbauern einfach organische Düngemittel einsetzen können. Außerdem müssen die Messstellen, also die Abgrenzung der roten Gebiete, überprüft werden. Ich glaube, dass wir mit der jetzigen Messstellenbasis gar nichts erreichen werden. Ich schließe nicht aus, dass es Maßnahmen geben muss auf Betrieben, die nachweislich ein Nitratproblem verursachen. Aber deshalb muss man nicht ein Nitratmonster über die ganze Republik stürzen.

Würden Sie das Risiko von Strafzahlungen in Kauf nehmen?

Konrad: Nein, die Bundesregierung sollte aber alle Wege prüfen, bevor es eine Verschärfung der Düngeverordnung geben muss. Auch die Debatte um die Ausbringzeiten müssen wir führen. Das Wetter lässt sich nicht parlamentarisch steuern. Da brauchen wir mehr Flexibilität.

Kommen wir zum Pflanzenschutz. Das BVL lässt Pflanzenschutzmittel derzeit nur befristet bis Ende 2019 zu. Was muss aus Ihrer Sicht gegen den Zulassungsstau unternommen werden?

Konrad: Wir brauchen den politischen Willen, die Zulassungen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen voran zu treiben. Wenn man auf der einen Seite sieht, dass viele Mittel wegfallen, dann müssen auf der anderen Seite auch neue Mittel zugelassen werden, um überhaupt noch sichere und gesunde Lebensmittel produzieren zu können. Mein Eindruck ist, dass Zulassungen zunehmend politisch motiviert sind. Das UBA, als eine an der Zulassung beteiligte Behörde, fordert für die Zulassung 10 Prozent Ausgleichsfläche, das ist fachlich nicht zu begründen und ein Eingriff ins Eigentum.

Welche Lösung erwarten Sie im Streit um die Ausgleichsflächen vom BMEL und BMU?

Konrad: Deutschland darf keine national abgekoppelten Entscheidungen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln treffen. Die Zulassungen müssen, so wie es die EU auch vorsieht, im zonalen Zulassungsverfahren so laufen, dass es keine Wettbewerbsnachteile für die deutschen Marktteilnehmer gibt. Ich erwarte, dass die Zulassungen in den vorgeschriebenen Zeiträumen ablaufen. Es ist wichtig, den Herstellern ein Signal zu geben, ob es sich überhaupt noch lohnt, in Deutschland Zulassungsanträge zu stellen.

Welche Maßnahmen favorisiert die FDP, um den Zielkonflikt von Pflanzenschutz und Artenschutz zu lösen?

Konrad: Der Zielkonflikt beim Artenschutz liegt zuerst in der Nutzung selbst. Aber Landwirte machen schon viel für den Artenschutz, etwa mit dem Greening auf 5 Prozent der Fläche. Nun steht der Vorwurf im Raum, dies hätte nichts gebracht. Damit schafft man kein Vertrauen. Wir müssen den Landwirten vor Ort aber Freiraum lassen, Maßnahmen auch regional und den Bedürfnissen entsprechend anzupassen. Man kann nicht von Berlin aus – und schon gar nicht von Brüssel aus – eine Agrarpolitik mit Vorgaben für eine Ökologisierung machen und glauben, dass sie überall richtig wirken.

Sind Sie dann bei der Reform der GAP eine Freundin der geplanten Regionalisierung, wo die Mitgliedstaaten mehr Spielraum bekommen sollen?

Konrad: Solange der mehrjährige Finanzrahmen nicht steht, sind viele Aussagen zur GAP Spekulation. Es kommen jetzt zunächst einmal die Europawahlen. Die geplante Regionalisierung sehe ich aber skeptisch, weil die Bürokratie und Verwaltungskosten damit steigen. Mir fällt der Glaube daran schwer, dass die Zurückverteilung der Aufgaben in die Mitgliedstaaten weniger Bürokratie und Verwaltung in Brüssel nach sich ziehen wird.

Favorisieren Sie einen bestimmten Anteil an Agrarzahlungen, der an Umwelt- und Klimaschutzleistungen gebunden werden soll?

Konrad: Das derzeitige Greening wird ersetzt werden durch Eco Schemes. Aufgaben, die bisher in der Zweiten Säule waren, sollen vermehrt in die Erste Säule umgeschichtet werden und dort zur Voraussetzung für die Direktzahlungen werden. Für einen Teil der Landwirte stellen die Direktzahlungen aber immer noch einen großen Teil des Einkommens dar. Es gibt dabei starke Unterschiede zwischen den Betrieben. Die Ökobetriebe sind am stärksten von den Direktzahlungen und den Ökoprämien abhängig. Als Liberale bin ich davon überzeugt, dass wir auf lange Sicht die Kosten, die wir haben, über den Markt erwirtschaften müssen. Das ist heute noch Utopie - das ist mir klar. Es muss aber das Ziel sein, unabhängiger von den Direktzahlungen zu werden und nicht länger als Bittsteller dazustehen.

Sie denken also an einen Abschied von den Direktzahlungen?

Konrad: Das kommt nicht von jetzt auf gleich. Es ist aber bereits seit Jahren ein schleichender Prozess. Der Brexit und die Herausforderungen, vor denen die EU insgesamt steht, werden das Agrarbudget in den nächsten Jahren verkleinern. Dazu kommt die gesellschaftliche Debatte um die sogenannte Subventionierung der Landwirtschaft. Deshalb rechne ich damit, dass künftig weniger Geld auf den landwirtschaftlichen Betrieben ankommen wird. Deshalb muss jeder Euro so effizient wie möglich ausgegeben werden.

Statt einer Kappung der Direktzahlungen favorisiert die Bundesregierung die Förderung der ersten Hektare. Wie finden Sie diese Maßnahme?

Konrad: Ich sehe das skeptisch. Mit der zusätzlichen Förderung der ersten Hektare wird bereits ein großer Teil der Direktzahlungen umverteilt. Auch mit der Kappung werden Betriebsteilungen angereizt, damit wird das Geld nur auf mehr Betriebe verteilt. Die Betriebe wachsen dennoch, der Strukturwandel wird sich dadurch nicht bremsen lassen. Wichtiger wäre es, den Fokus auf die Junglandwirte zu richten und diese stärker zu fördern, und das vor allem, wenn sie in Tierwohl und moderne Ställe investieren wollen.

Wie sähe denn für Sie die ideale EU-Agrarreform 2020 aus?

Konrad: Ich würde mir wünschen, die wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen innerhalb der EU stärker aufzulösen. Ein Beispiel sind die gekoppelten Zahlungen, wie es sie derzeit noch in elf Mitgliedstaaten für Zuckerrüben gibt. Die GAP darf nicht dazu führen, dass die EU-Staaten weiter auseinanderdriften, sondern die EU und auch die Landwirte in der EU müssen zusammenhalten. Wir sind Handelspartner und haben einen gemeinsamen Binnenmarkt. Deshalb müssen auch überall gleiche Spielregeln gelten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Carina Konrad ist stellvertretende Vorsitzenden des Agrarausschusses im Bundestag. Die Agraringenieurin ist seit dem Jahr 2015 Mitglied der FDP und wurde im September 2017 über die Landesliste Rheinland-Pfalz zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt. Konrad bewirtschaftet mit ihrer Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchvieh im Hunsrück.

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