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Dünge-VO: „Von fehlender Planungssicherheit zu sprechen, ist unehrlich“

Das Bundesumweltministerium (BMU) wehrt sich gegen den Vorwurf, die erneute Verschärfung der Düngeverordnung missachte die Planungssicherheit. Allen Beteiligten am Düngekompromiss von 2017 sei klar gewesen, dass er unsicher war, sagt der BMU-Staatssekretär, Jochen Flasbarth, im Interview mit top agrar. Nun lobt er die Zusammenarbeit mit dem BMEL.

Lesezeit: 8 Minuten

top agrar: Warum sind erneut Verschärfungen in der Düngeverordnung nötig?

Flasbarth: Es hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gegeben, laut dem Deutschland gegen die EU-Nitratrichtlinie verstößt. Die EU-Kommission war auch nach unserer Novelle der Düngeverordnung von 2017 noch nicht zufrieden. Wir müssen nachliefern, sonst riskieren wir Strafzahlungen. Wir sind uns bei der Bewertung der Lage mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) einig und haben in einer ausgesprochen guten und kollegialen Zusammenarbeit nun einen guten Lösungsansatz gefunden. Die Gespräche mit der EU-Kommission sind aber noch nicht abgeschlossen.

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Warum bekommen alle Landwirte neue Vorschriften und nicht nur diejenigen, die in den belasteten, roten Gebieten wirtschaften? Die Streichung des Kontrollwerts von 60 kg N betrifft alle.

Flasbarth: Die Kommission hat schon lange Kritik am deutschen Konzept aus Kontrollwert und Nährstoffvergleich geübt und hat es nie vollkommen verstanden. Deshalb hat das BMEL nun vorgeschlagen, beides zu streichen und zur flächenscharfen Berichterstattung zu wechseln. Das halte ich auch für richtig. Für die roten Gebiete haben wir jetzt vier neue Maßnahmen aufgelegt, die zwingend erfüllt werden müssen. Das sind eine Stickstoffdüngung von 20 Prozent unter Düngebedarf, ein verpflichtender Zwischenfruchtanbau vor Sommerkulturen, ein Verbot der Herbstdüngung bei Winterraps, Wintergerste und Zwischenfrüchten ohne Futternutzung und eine schlagbezogene Obergrenze von 170 kg Stickstoff je Hektar und Jahr für Gülle und andere Wirtschaftsdünger. Es ist gut, dass es beispielsweise nicht mehr möglich sein wird, in einem Gebiet, wo man hohe Nitratbelastungen hat, eine zu hohe Düngerausbringung rechnerisch dadurch wegzubekommen, indem man woanders Dünger spart. Denn das verbessert die Nitratbelastung vor Ort nicht um einen Deut.

Die Landwirte kritisieren, dass der 20 Prozent Abschlag bei der Stickstoffdüngung vor allem den Qualitätsweizenanbau benachteiligt. Ist das für Sie eine in Kauf zu nehmende Folge?

Flasbarth: Fachlich muss dies das Landwirtschaftsministerium bewerten. Aus Umweltsicht ist es wichtig, dass wir von den Nitratüberschüssen runterkommen. Das Ziel der Nitratrichtlinie ist der Schutz der Gewässer vor zu hohen Nährstoffeinträgen aus der Landwirtschaft. In den belasteten Gebieten ist dies der Fall. Dementsprechend müssen dort Maßnahmen ergriffen werden, auch wenn diese nicht immer einfach sind. Der Abschlag von 20 Prozent trifft nur die hochbelasteten Gebiete.

Erwarten Sie, dass die nun vorgeschlagenen Maßnahmen reichen, um die EU-Kommission zufrieden zu stellen? Oder sind die wieder so knapp bemessen, wie bei der Düngereform von 2017?

Flasbarth: Ich glaube, dass wir jetzt etwas vorgelegt haben, dass konform mit der EU-Nitratrichtlinie ist. Die Gespräche mit der Kommission sind aber noch nicht zu Ende.

Gibt es überhaupt noch Verhandlungsspielraum für das anstehende Bundesratsverfahren?

Flasbarth: Die Länderkammer ist frei zu entscheiden. Sie muss aber sehen, dass wir EU-Recht umzusetzen haben. Ein zweites Vertragsverletzungsverfahren zu riskieren, dazu kann ich niemandem raten.

Das BMU wird 2020 den nächsten Nitratbericht herausgeben. Werden die Grenzwerte für Nitrat mit den Maßnahmen dann nicht mehr überschritten?

Flasbarth: Schon was wir mit der Düngereform von 2017 umgesetzt haben ist ein großer Schritt vorwärts gewesen. Natürlich wird es sich nicht sofort in den Messwerten wiederspiegeln, denn es dauert eine Weile bis die Auswirkungen der geänderten Bewirtschaftungsweisen in den Gewässern und erst Recht im Grundwasser ankommen werden. Der nächste Nitratbericht wird zudem die Jahre 2015 bis 2018 einschließlich betrachten und somit erst ein Jahr unter der neuen Düngeverordnung berücksichtigen. Eine Aussage über die Wirksamkeit der neuen Maßnahmen ist somit im nächsten Nitratbericht noch nicht zu erwarten. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir mit allen jetzt aufgesetzten Maßnahmen eine Verringerung der Nitratbelastungen der Gewässer erreichen können.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) argumentiert, dass die Düngereform von 2017 noch nicht hätte wirken können und fordert den Nitratbericht 2020 vor weiteren Verschärfungen abzuwarten.

Flasbarth: Ich bin mir da mit meinem Kollegen Aeikens aus dem BMEL einig, dass uns die EU-Kommission vor dem Hintergrund des Urteils des europäischen Gerichtshofs diesen Spielraum nicht erlaubt. Wir haben die EU-Nitratrichtlinie gemeinsam geschaffen. Dann müssen wir sie, ebenso wie andere Mitgliedstaaten, auch einhalten. Gute Gewässerqualität ist außerdem ein hohes Gut.

Wie lange wird denn diese Düngeverordnung halten? Es steht der Vorwurf im Raum, es gäbe keine Planungssicherheit, weil das Düngerecht zweimal so schnell hintereinander angepasst wird?

Flasbarth: Diesen Vorwurf weise ich zurück. Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode sehr lange, im Bund mit den Ländern, über Parteigrenzen hinweg und mit den Betroffenen bemüht, zu einem Konsens im Düngerecht zu kommen. Jeder der daran beteiligt war, wusste, dass es nicht sicher sein konnte, ob das Kompromisspaket von 2017 der Kommission genügen würde. Es gab damals schon Stimmen, die gesagt haben, es ist sehr unwahrscheinlich. Das wussten auch diejenigen, die da heftig lobbyiert haben. Jetzt von fehlender Planungssicherheit zu sprechen, ist unehrlich. Denn hätte man vorher ein bisschen weniger Druck gemacht, dann hätten wir 2017 schon etwas mehr umsetzen können und es würde jetzt keinen Änderungsbedarf geben.

Der DBV fordert stattdessen ein flächenbezogenes Programm für eine besonders gewässerschonende Landbewirtschaftung. Das wäre doch auch eine gute Vorlage für das BMU, oder?

Flasbarth: Wir sind für alle Vorschläge offen, die dazu führen, dass wir eine bessere Gewässersituation bekommen. Die derzeitige Debatte um die zukünftige Verwendung der EU-Agrarsubventionen ist eine ganz geeignete dafür, die Subventionen genau in diese Richtung zu lenken.

Einigen Agrarwissenschaftlern wie Prof. Friedhelm Taube aus Kiel reichen die Verschärfungen weiterhin nicht. Er fordert ambitioniertere Grenzwerte in einer neuen Stoffstrombilanzverordnung für alle Betriebe ab 2021. Ist das ein Ansatz, den das BMU verfolgt?

Flasbarth: Wir müssen mit dem, was wir jetzt schaffen, auf absehbare Zeit Rechtssicherheit für die Beteiligten herstellen. In der Landwirtschaft gibt es jetzt einen erheblichen Anpassungsbedarf, das wissen wir. Und wir respektieren, dass dieser Wandel für die Beteiligten erst mal vollziehbar und erreichbar sein muss. Inwieweit die Bewertung in der Stoffstrombilanzverordnung ambitionierter werden muss, wird die vorgesehene Evaluierung zeigen.

Das BMEL stellt in Aussicht, dass es, wenn die Maßnahmen funktionieren, auch irgendwann wieder Erleichterungen bei den Düngevorschriften geben könnte. Wird es einen Weg zurück geben oder sollten sich die Landwirte langfristig auf diese Vorgaben einstellen?

Flasbarth: Ich glaube nicht, dass es diesen Spielraum gibt. Eine solche Ankündigung löst immer eine Erwartungshaltung bei den Betroffenen aus, die wir möglicherweise nicht erfüllen können.

Das BMEL setzt sehr stark auf das geplante Gülleprogramm, mit dem es die Gülle von den Überschussgebieten in die Ackerbauregionen verschieben will. Erwarten Sie davon Verbesserungen?

Flasbarth: Der Gedanke spielte in den Gesprächen schon immer eine Rolle. Ich glaube aber, er unterschätzt ein bisschen den strukturellen Anpassungsbedarf, den es gibt. Mir mag nicht einleuchten, dass das wirklich funktionieren kann, nur die Gülle von A nach B über immer größere Entfernungen zu transportieren. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen. Wir werden sehen, wie weit man damit kommt.

Muss Deutschland ähnlich wie die Niederlande eine Abstockung der Tierbestände in Erwägung ziehen, um den Nährstoffüberschuss letztendlich zu senken?

Flasbarth: Das sind unternehmerische Entscheidungen der Tierhalter. Wenn die Werte anders nicht einzuhalten sind, kann das für einige Betriebe ein Ergebnis sein. Die einzige Alternative dazu wäre ein funktionierender Transport von Gülle in Düngebedarfsgebiete, den ich kritisch sehe.

Steht bei Ihnen die Rückkehr zur Flächenbindung der Tierhaltung auf der Agenda?

Flasbarth: Das halten wir seit langem für erforderlich. Wir müssen wieder zu einem vernünftigen Verhältnis von Tierbeständen und verfügbarer Fläche kommen.

Es gibt immer wieder Kritik am Messnetz, auch nach der Ausweitung der Messstellen von 2012. Reichen die Messstellen in Deutschland jetzt aus, um die Nitratbelastung sicher auszumessen?

Flasbarth: Die Erweiterung des Messnetzes war erforderlich, um eine repräsentative Übersicht über die Nitratbelastung des Grundwassers in Deutschland zu bekommen, die aus der Landwirtschaft stammt. Nach der Nitratrichtlinie muss ein Mitgliedstaat alle vier Jahre über die Entwicklung der Gewässerbelastung berichten. Es geht dabei um eine Trendbetrachtung über die Zeit. Es steht die Frage im Mittelpunkt, ob die ergriffenen Maßnahmen zu einer deutlichen Verminderung der Belastung der Gewässer geführt haben. Dafür ist das neue Messnetz völlig ausreichend und für die Beurteilung der Wirkungen der Düngeverordnung auf das Grundwasser hervorragend geeignet. Für die Ausweisung der belasteten Gebiete ziehen die zuständigen Bundesländer allerdings noch weitere Informationen aus den engmaschigeren Ländermessnetzen heran.

Gehen Sie auch gegen andere Sektoren wegen der Nährstoffbelastung vor? Wie schließt man aus, dass die Nitratbelastung des Grundwassers nicht auch aus undichten Kanalisationssystemen der Städte und Gemeinden verursacht wird?

Flasbarth: Dass die Landwirtschaft für die Nitrateinträge die hauptverantwortlich ist, das ist eigentlich nach allen Daten, die wir haben, unbestritten. Es sind vor allem die Wasserversorger und Kommunen, die auf uns zu kommen und Veränderungen für die Landwirtschaft fordern. Bei Phosphoreinträgen in die Gewässer besteht aber ein klarer Handlungsbedarf nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch bei kommunalen Kläranlagen. Hier sind, im Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, die zuständigen Bundesländer bereits aktiv.

Vielen Dank für das Gespräch.

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