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Düngereform: „Die Bundesregierung lässt sich auf ein riskantes Spiel ein“

Ende März soll der Bundesrat die Reform der Düngegesetzgebung verabschieden. Bis zu Letzt wird über die Details gestritten. Der Pflanzenbauprofessor der Uni Kiel, Friedhelm Taube, befürchtet, dass die Reform für eine spürbare Verbesserung der Nitratkonzentrationen in den Hot Spots der Tierhaltung nicht reichen wird.

Lesezeit: 5 Minuten

Ende März soll der Bundesrat die Reform der Düngegesetzgebung verabschieden. Bis zu Letzt wird über die Details gestritten. Der Pflanzenbauprofessor der Uni Kiel, Friedhelm Taube, befürchtet, dass die Reform für eine spürbare Verbesserung der Nitratkonzentrationen in den Hot Spots der Tierhaltung nicht reichen wird.


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Bund und Länder haben sich nach zähem Ringen auf Kompromisse für die Reform von Düngegesetz und Düngeverordnung geeinigt. Bis zu Letzt hat es um die Details immer wieder heftige Diskussionen gegeben. Warum ist es eigentlich so schwierig für die politischen Akteure, sich zu einigen?


Taube: Ein zentrales Element der unterschiedlichen Sichtweisen ist die Nährstoffbilanz. Dabei geht es erstens um die Art, Validität und Überprüfbarkeit der Bilanzierung und zweitens um die Fixierung von Obergrenzen im Sinne der guten fachlichen Praxis, bei deren Überschreitung Sanktionen folgen. Beides ist neu, denn bisher war der Saldo der Nährstoffvergleiche nur eine Zahl, der niemand wirklich Beachtung schenken musste. Bei der Düngereform stellt der Dreiklang aus der Fixierung von erlaubten Salden in Kombination mit einer entsprechenden Datenverfügbarkeit zur Kontrolle und Sanktionen bei Überschreiten der Höchstgrenzen nun eine neue Qualität dar. Die intensiven Diskussionen in der Koalition lassen vermuten, dass es neben sehr, sehr vielen, die sich an die Regeln halten, auch eine erhebliche Zahl von Betrieben gibt, denen man nun mehr oder weniger schonend beibringen muss, dass Schluss mit der Regelüberschreitung ist. Für Schleswig-Holstein können wir das mit dem Nährstoffbericht belegen und auch der Nährstoffbericht Niedersachsens weist in diese Richtung.


Ab wann und für welche Betriebe ist aus Ihrer Sicht die Einführung einer Stoffstrombilanz sinnvoll?


Taube: Dazu müssen die Akteure klären, welches Bild wir grundsätzlich von einem Landwirt oder einer Landwirtin haben sollten: Bürokratie geplagter Bauer oder zukunftsfähiger landwirtschaftlicher Unternehmer? Ich gehe von letzterem aus und für Betriebsleiter, die sich ebenfalls so verstehen, ist eine Stoffstrombilanz kein bürokratisches Monster, sondern ganz einfach das unternehmerische Minimum an Controlling im Betrieb. Es ist für viele gut geführte Betriebe, die ich kenne, eine absolute Selbstverständlichkeit, dass sie wissen, welche Finanz- und Stoffströme in den Betrieb hinein fließen und ihn wieder verlassen. Natürlich gilt das auch für die Nährstoffe, denn das sind Düngerkosten. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich um einen 50 oder 500 Hektar Betrieb handelt.


Gibt es aus Ihrer wissenschaftlichen Sicht noch Defizite im jetzigen Entwurf zum Düngegesetz?


Taube: Wir haben derzeit seit 2006 eine Düngegesetzgebung, die in vielen Punkten nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen von damals entsprach und erst recht nicht denen von heute entspricht. Deshalb ist zu würdigen, dass mit dem vorliegenden Entwurf des Düngegesetzes eben doch ein Paradigmenwechsel vollzogen wird. Es geht nämlich nicht mehr allein wie bisher um Düngung, sondern um Nährstoffstrommanagement im landwirtschaftlichen Betrieb mit den gleichrangigen Zielen sowohl gute pflanzliche Erträge zu sichern als auch die Umwelt nicht zu belasten. Das ist neu und das ist gut so, weil die kommenden Anforderungen der EU-Luftreinhalterichtlinie (NERC) und der EU-Meeresstrategierichtlinie (MSRL) diesen Rahmen notwendig machen. Dass damit nicht sofort alle Defizite des alten Denkens behoben werden, ist dem Tribut an den politischen Prozess und an die begrenzte strukturelle Anpassungsgeschwindigkeit bestimmter landwirtschaftlicher Betriebe zu zollen. Bitter ist es aus Sicht der Wissenschaft, dass im Bereich Phosphat zunächst die rein politischen Zahlen Bestand haben, die aus wissenschaftlicher Sicht der Ressourceneffizienz nicht zu vertreten sind. Sie werden Deutschland bis 2030 mit der Meeresstrategierichtlinie in Konflikt bringen. Gleiches gilt für die langen Übergangszeiträume bei den Gülleapplikationstechniken und die zulässigen vierstündigen Einarbeitungszeiten für Gülle auf dem Acker. Beide Regelungen werden den Konflikt mit der EU-Kommission zur Umsetzung der Luftreinhalterichtlinie leider gut begründet verschärfen.


Reichen die nun bevorstehenden Änderungen im Düngerecht aus Ihrer Sicht dafür aus, dass die EU ihre Klage wegen der Verletzung der Nitratrichtlinie gegen Deutschland zurück zieht?


Taube: Das kann ich kaum abschätzen, weil nicht endgültig klar ist, welche Elemente die Kommission besonders würdigen wird. Ich kann nur beurteilen, wie die neuen Regelungen auf den nächsten deutschen Nitratbericht 2020 wirken dürften. Da sehe ich vor allem die nun voraussichtlich abziehbaren unvermeidbaren Futterverluste von 15 bzw. 25 Prozent im Futterbaubetrieb inhaltlich in dieser Höhe als unsinnig an. Damit dürfen im Vergleich zu heute 30-50 kg N/ha mehr gedüngt werden und das erhöht die Gefahr, dass damit die Wahrscheinlichkeit steigender Nitratwerte im Grundwasser der roten Gebiete nicht abgewendet wird. Denn die roten Gebiete sind zumeist Futterbauregionen. Die Bundesregierung lässt sich damit meines Erachtens auf ein riskantes Spiel ein und man kann nur hoffen, dass den landwirtschaftlichen Unternehmen dieser Zusammenhang bewusst ist.


Das Interview führte top agrar-Redakteurin Stefanie Awater-Esper

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