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Ein Familienbetrieb vor dem Ruin

Morgen entscheidet der Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg über die Zukunft des Familienbetriebes Rittler aus Oberschwaben. Ein Nachbar blockiert ihn seit Jahren.

Lesezeit: 5 Minuten

Eine 500 kW-Biogasanlage, die nicht unter Volllast laufen darf, ein leerer Kuhstall mit zwei funktionsfähigen Melkrobotern und ein Gärrestelager im Rohbau. Das alles ist das Ergebnis zahlreicher Widersprüche eines Nachbarn gegen die Betriebsentwicklung von Familie Rittler aus Oberrussenried (Bodenseekreis). Der Schaden für den Betrieb, der im Außenbereich liegt, übersteigt mittlerweile 1,5 Mio. Euro.

top agrar-Südplus berichtete in seiner Mai-Ausgabe 2020 über den eklatanten und bundesweit wohl einmaligen Fall (siehe https://www.topagrar.com/suedplus/news/wir-baden-die-fehler-der-behoerden-aus-12051837.html?utm_campaign=search&utm_source=topagrar&utm_medium=referral.)

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Baustopp für das Gärrestelager

Die Gerichte hatten einem Nachbarn, der eine höhere Lärm- und Geruchsbelastung durch die Biogasanlage befürchtet und mehrere Einwände eingelegt hat, wiederholt Recht gegeben und damit zwei vorliegende immissionsschutzrechtliche Genehmigungen ausgehebelt. Zuletzt durfte sogar das moderne, gasdichte Gärrestelager nicht fertig gestellt werden. Lediglich Sicherungsmaßnahmen, damit der Rohbau keinen weiteren Schaden nimmt, wurden vom zuständigen Landratsamt Bodenseekreis erlaubt. "Familie Rittler kann nicht vor und nicht zurück. Weder der Stall noch die Biogasanlage dürfen aktuell ordentlich betrieben werden", schildert ihr Anwalt, Prof. Andreas Staudacher aus Laupheim. Die verzweifelte Situation führte im August 2020 schließlich zur Einreichung einer Petition im Landtag.

Morgen entscheidet nun der Petitionsausschuss des Landtages von Baden-Württemberg über den Fall. Am vergangenen Montag hatte sich eine Kommission des Ausschusses unter Leitung der Vorsitzenden, Petra Krebs, die Situation vor Ort angesehen. "Es ist nicht akzeptabel, dass weder das eine noch das andere Standbein für die Familie infrage kommt und sie so in den Ruin getrieben wird. Schlimm genug, dass vor dem Hintergrund des Höfesterbens hier 120 Kühe weichen mussten", stellte die Grünen-Politikerin eindringlich fest. Für sie sei es völlig unverständlich, warum ein einziger Nachbar eine bereits erteilte Genehmigung aushebeln könne: "Ich sehe hier rot!" Auch ihr Kollege vom Petitionsausschuss, Jürgen Keck, betonte: "Schon allein, weil dieser Betrieb in eine zukunftsweisende Technik investiert hat, müssen wir jetzt eine gemeinsame Lösung finden."

Welche Lösung ist noch denkbar?

Bei der angemahnten Lösungssuche tun sich die beteiligten Behörden allerdings sehr schwer. Das wurde bei der rund zweistündigen Sitzung des Petitionsausschusses mit Anwälten, Gutachtern und Vertretern von Umweltministerium und Landratsamt Bodenseekreis deutlich.

Einige Fragen seien aus Behördensicht noch zu klären. So zum Beispiel, ob im vorliegenden Fall 25 % oder im Zuge der neuen TA Luft gar nur 20 % der Jahresgeruchsstunden als Schädlichkeitsgrenze für den Nachbarn angenommen werden müssten. Aktuell - also bei leerem Kuhstall und einer Biogasanlage, die nicht unter Volllast läuft - läge der Wert bereits bei 25 %, das Gärrestelager sei hierbei bereits vollständig berücksichtigt. Vielmehr stelle sich die Frage: Welche weiteren Maßnahmen zur Geruchsminderung sind denkbar? Das Landratsamt Bodenseekreis schlug vor, z.B. über eine Verlegung der Fahrsilos nachzudenken. Petra Krebs regte einen runden Tisch an, an dem man sich mit dem Nachbarn auf eine Duldung der 25 % Jahresgeruchsstunden einigen könne.

Elmar Rittlers Anwalt, Prof. Staudacher, schlug vor, die baurechtliche Genehmigung der Biogasanlage wieder zu aktivieren. Dann seien ortsübliche Immissionswerte hinnehmbar. Damit das funktionieren kann, hat er bei den anwesenden Behördenvertretern vor Ort am Montag auch für das Gärrestelager einen Bauantrag eingereicht, der jetzt noch zu prüfen ist. Der Experte plädierte außerdem dafür, dass das Landratsamt die Montage des Tragluftdachs auf das Gärrestelager im Rahmen einer offiziellen Duldung erlaube, damit es nach über einem Jahr im Rohbau endlich ordentlich betrieben werden könne. Er versprach, sich gemeinsam mit Rittler über weitere technische Maßnahmen zur Geruchsminderung zu informieren.

Alternativ sei im Rahmen des Immissionsschutzgesetz auch eine Verbesserungsgenehmigung möglich. Und um die geforderten Jahresgeruchsstunden einzuhalten, könnte man nach dem bayerischen Modell vorgehen und die dafür maßgebliche GIRL-Richtlinie im Rahmen eines Sonderfalls aussetzen.

Fehlentscheidungen der Behörden

Dass die Verwaltungsbehörden die verfahrene Situation auf dem Betrieb mitverschuldet haben, wurde am Montag ebenfalls deutlich. Selbst an Selbstkritik fehlte es nicht: "Ich kritisiere, dass dem Betrieb zweimal eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt wurde, die hinterher durch Widersprüche wieder zurückgenommen werden konnte. Da wünschen wir uns ein anderes Verwaltungshandeln", sagte etwa Malte Jahn vom Stuttgarter Umweltministerium. Auch die unabhängigen Gutachter und Sachverständigen des Falles sehen Fehlentscheidungen bei den Behörden. So fehlt zum Beispiel bis heute ein zweites Geruchsgutachten, das das zuständige RP Tübingen vom Landratsamt einforderte.

Wie geht es weiter?

Wie es weiter geht, lässt sich schwer voraussagen. Selbst wenn der Petitionsausschuss am Donnerstag einen Beschluss fasst, werde dieser laut Petra Krebs nicht mehr durch den aktuell gewählten Landtag gehen können. Allerdings würde die Sache durch den neu gewählten Petitionsausschuss fortgeführt. Für Elmar Rittler steht fest: "Ich möchte meine Biogasanlage endlich im maximal genehmigten Umfang betreiben. Ich bin Unternehmer und muss Geld verdienen."

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